Trinkwasser

Komplexe Installationen sind Risikofaktor

Der Legionellenbefall von Trinkwasseranlagen wird in erster Linie mit Warmwasser (PWH) in Verbindung gebracht. Dass Kaltwasser (PWC) genauso kontaminiert sein kann, ist unter Fachleuten schon länger bekannt. Veränderte Betriebsbedingungen und Installationstechniken haben aus diesem bislang eher abstrakten Risiko mittlerweile jedoch eine reale Gesundheitsgefahr gemacht, wie Probenahmen belegen.

Da die Abgabe einwandfreien Trinkwassers eine Betreiberpflicht ist, sollten Wohnungsunternehmen nicht nur auf den bestimmungsgemäßen Betrieb der Trinkwasseranlage achten. Genauso wichtig ist schon bei der Installation die Einhaltung zentraler Planungsgrundsätze, um gesundheitliche Risiken zu minimieren. Gleichzeitig lassen sich so in erheblichem Umfang Wartungskosten sparen.

Wird bei einer routinemäßigen Probenahme die Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes für Legionellen festgestellt, hat das im Geschosswohnungsbau unter Umständen nicht nur für Mieter gravierende Folgen, sondern auch für Vermieter: Die Kommunikation mit den Hausbewohnern, die Kooperation mit dem Gesundheitsamt, das Sanieren der Trinkwasseranlage – all das ist aufwendig und kostenintensiv. Daher sind Wohnungsunternehmen zwar zunehmend bereit, in die Prävention zu investieren. Häufig gehen diese Lösungen aber mit einer kaum noch zu beherrschenden hydraulischen Komplexität einher. Aktuelle Erfahrungswerte zeigen beispielsweise, dass diese Trinkwasseranlagen dann anfällig für ein immer häufigeres Phänomen sind: die Verkeimung von Kaltwasser mit Legionellen.

Typische Hygienerisiken vermeiden

Das aktuelle Fallbeispiel einer kürzlich abgeschlossenen Kernsanierung eines Hotels mit mehr als 200 Zimmern steht exemplarisch für eine große Zahl an hygienisch problematischen Trinkwasser-Installationen, die sich genauso in großen Geschosswohnungsbauten finden: Probenahmen detektierten an einer Vielzahl von Duscharmaturen eine außerordentliche Verkeimung des Kaltwassers mit Legionellen von 40.000 KBE (Kolonienbildende Einheiten) pro 100 Milliliter. Zum Vergleich: Der technische Maßnahmenwert liegt laut Trinkwasserverordnung (TrinkwV) bei 100 KBE/100 ml. Ab 10.000 KBE/100 ml müssen Sofortmaßnahmen wie Duschverbote und/oder endständige Filter zur Abwehr akuter Gesundheitsgefahren ergriffen werden. So auch in diesem Fall.

Ob für ein Hotel oder ein Mehrfamilienhaus – eine solche Kontamination der Trinkwasseranlage bedeutet immer den „Super-GAU“. Die Ursachenanalyse zeigt dabei drei wiederkehrende, wesentliche – und vermeidbare – Fehlerquellen bei der Planung und Installation der Trinkwasseranlage auf:

1. Die Bauräume für die Trinkwasserleitungen, insbesondere Schächte für Steigestränge, aber auch Vorwandkonstruktionen – waren unzureichend bemessen. Teilweise vom Architekten so geplant, teilweise durch die baulichen Gegebenheiten des Bestandsgebäudes bedingt. Außerdem wurden die vom Trinkwasser warm (PWH) ausgehenden Wärmelasten auf Trinkwasser kalt (PWC) nicht hinreichend berücksichtigt.

2. Es wurde kein Raumbuch nach VDI 6023 erstellt. Über dieses Instrument durchdenken Planer und Betreiber bekanntlich im Vorfeld die realistische Nutzung jeder Zapfstelle und dokumentieren sie für jeden Raum. So lassen sich unter anderem reale Gleichzeitigkeiten der Trinkwasser­nutzung im Gebäude ermitteln.

3. Es wird versucht, den regelmäßigen Wasseraustausch in selten genutzten Leitungsabschnitten durch den Einsatz von Bauteilen mit einer unkontrollierten Strömungsverteilung abzusichern. Dabei handelt es sich um eine kontinuierliche Zirkulation eines Teilvolumenstroms bis zu den Entnahmestellen und zurück. Statt damit Stagnation wirksam zu verhindern, wird durch die parallel verlegten Rohrleitungen eine dauerhafte Erwärmung von PWC begünstigt. Daraus ergibt sich Legionellenbildung, die aufgrund der vermaschten Architektur des Trinkwassernetzes anschließend nahezu alle Leitungsstrecken kontaminiert. 

Aus diesen Feststellungen lassen sich einige generelle Erkenntnisse ableiten, die auch für Wohngebäude gelten:

– Im Sinne der Betriebssicherheit der Trinkwasseranlage sollten Installationsschächte ausreichend bemessen oder sogar für kalt- und warmgehende Installationen getrennt werden, um einen Wärmeübergang auf PWC zu verhindern.

– Vor jeder Neuinstallation bzw. grundlegenden Sanierung einer Trinkwasseranlage ist ein Raumbuch nach VDI 6023 zur Ermittlung realistischer Gleichzeitigkeiten zu erstellen, damit die Trinkwasseranlage nicht überdimensioniert wird. Zu groß ausgelegte Anlagen sind nicht nur in der Erstellung teurer, sondern führen auch zu Hygienerisiken durch einen unzureichenden Wasseraustausch in einigen Leitungsstrecken. 

– Die Architektur der Trinkwasser-Installation insgesamt ist möglichst einfach auszuführen, um die hydraulischen Verhältnisse beherrschbar zu halten. Die einfache Architektur reduziert gleichzeitig Investitions- und Betriebskosten.

Eingebaute Hygienerisiken ausschließen

Vor allem der letztgenannte Punkt ist umso entscheidender, als durch die Verschärfungen der TrinkwV sowie der Normen- und Regelwerke viele Trinkwasser-Installationen in den vergangenen Jahren durch komplexe Bauteile mit hoher Funktionalität aufgerüstet wurden, um den Erhalt der Trinkwassergüte abzusichern. Während aber beispielsweise endständige Einrichtungen zur Aufrechterhaltung des bestimmungsgemäßen Betriebs – wie Spülstationen mit Hygiene-Funktion – dabei einfach zu installieren sind und nachvollziehbar auf definierte Strangabschnitte einwirken, zeigen Erfahrungen insbesondere mit vermaschten Trinkwasser-Installationen, dass zu komplexe Installationen sehr schnell zu erheblichen Hygienerisiken führen können.

Besonders problematisch sind dabei die bereits angeführte Warm- und Kaltwasserzirkulation, die über Bauteile mit einer unkontrollierten Strömungsverteilung direkt an die Entnahmestellen geführt wird. Dabei wird der Volumenstrom auf den Steigestrang und die davon abgehenden Ringleitungen dynamisch aufgeteilt. Allerdings lässt sich bei einer solchen Netzarchitektur gerade bei wechselnden Nutzungsszenarien der tatsächliche Wasseraustausch in den verschiedenen Rohrleitungsabschnitten nicht belastbar belegen. Das ist jedoch für den Betreiber/Vermieter eine wichtige Größe, da er für den normgerechten Wasseraustausch in der gesamten Trinkwasserverteilung – also für den sogenannten bestimmungsgemäßen Betrieb – schlussendlich verantwortlich zeichnet.

In der DIN EN 806-5 wird ein vollständiger(!) Wasseraustausch innerhalb von sieben Tagen gefordert. Vor dem Hintergrund hoher Wärmelasten ist aber ein Wasserwechsel in allen Rohrleitungen innerhalb von 72 Stunden sinnvoller, wie es die VDI/DVGW-Richtlinie 6023 vorgibt. Zumal in dieser Richtlinie zusätzlich die Einhaltung der Temperaturgrenzen (hier für PWC: 20 °C) für einen solchen Zeitkorridor gefordert wird. Das auszutauschende Wasservolumen lässt sich dabei exakt berechnen, wenn das Trinkwassernetz hydraulisch einfach konzipiert ist, zum Beispiel mit kurzen Reihenleitungen zu den Verbrauchern auf der Etage. Sind hingegen komplexe, vermaschte Netze vorgesehen, fehlen diese eindeutigen Vorgaben für den regelmäßigen Wasseraustausch.

Hygienisch vorteilhafter ist daher eine einfache Trinkwasser-Installation zum Beispiel mit T-Stücken als Abgang vom Steigestrang auf die Etage: Eine Reiheninstallation verringert dabei, im Vergleich zu einer bis zur Entnahmestelle geführten Zirkulationsleitung, die wärmeübertragende Rohrleitungsoberfläche und damit das Erwärmungsrisiko für PWC. Außerdem werden weniger Rohrleitungsmeter installiert. So reduziert sich zwangsläufig das Rohrleitungsvolumen. Der notwendige Wasserwechsel erfolgt also schneller. Wird darüber hinaus in einer konventionellen Reiheninstallation PWH über eine Stichleitung als Auskühlstrecke zur Entnahmearmatur geführt, ist eine weitere gravierende Gefahrenstelle der PWC-Erwärmung entschärft: der Wärmeübergang am Armaturenkörper.

Hohe Wartungskosten vermeiden

Eine hydraulisch einfache Trinkwasser-Installation ist darüber hinaus aus betriebswirtschaftlicher Sicht vorzuziehen, denn komplexe Trinkwasseranlagen erfordern automatisch einen höheren Materialeinsatz und führen somit zu höheren Baukosten. Wirtschaftlich noch gravierender sind die Folgekosten, wenn viele funktionale Bauteile installiert werden.

Der Unternehmer oder sonstige Inhaber einer Trinkwasseranlage ist nach TrinkwV § 17, Abs. 1 verpflichtet, Anlagen für die Gewinnung, Aufbereitung oder Verteilung von Trinkwasser mindestens nach den Allgemein anerkannten Regeln der Technik zu betreiben. Das schließt eine regelmäßige Wartung nach DIN EN 806-5 ein. Welche Arbeiten an einer Trinkwasseranlage erforderlich sind, hat beispielsweise der VDMA mit dem Einheitsblatt 24186-6 definiert. Eingeschlossen ist zum Beispiel die Inspektion von Rohrleitungsarmaturen. Nach DIN 31051 sind diese Objekte (Bauteile) auf Konformität der maßgeblichen Merkmale durch Messung, Beobachtung oder Funktionsprüfung hin zu inspizieren (Abs. 3.1.3, Inspektion). Unter Funktion wird dabei die Erfüllung des definierten Nutzungszwecks verstanden (Abs. 3.5.1).

Die Funktion eines Zirkulationsregulierventils ist so durch einen Soll-/Ist-Wertvergleich der Wassertemperaturen zu überprüfen. Die Funktion von Bauteilen zur unkontrollierten Strömungsverteilung könnte mit Durchflussmessungen bei verschiedenen, definierten Nutzungsszenarien überprüft werden. Hierfür müsste der Hersteller entsprechende Sollwerte errechnen und bereitstellen. Im Gegensatz zu Temperaturmessungen sind jedoch Durchflussmessungen in der Praxis sehr aufwendig oder teilweise sogar unmöglich. Diese Überprüfung von Bauteilen mit unkontrollierter Strömungsverteilung ist nach VDI 6023-3/2810-2 zwingend erforderlich.

Die Instandhaltung von Trinkwasser-Installationen kann also für Wohnungsunternehmen zu einem beachtlichen Kostenfaktor werden. Deshalb ist die Installation von Funktionsbauteilen, die eine Instandhaltung erfordern, auf ihre Notwendigkeit hin kritisch zu prüfen.

Fazit

Trinkwasser-Installationen werden immer komplexer. Einerseits aufgrund gestiegener Komfortansprüche, aber häufig auch als vermeintliche Lösung für den Erhalt der Trinkwasserqualität. Wie die Analyse zahlreicher Sanierungen mit Legionellenbefall gezeigt haben, begünstigen jedoch gerade solche vermaschten Rohrleitungsnetze die Verkeimung. Selbst im Kaltwasser sind hier Legionellen in Größenordnungen nachweisbar, die sofortige Maßnahmen erfordern. Daher sollten Wohnungsunternehmen mit Planern einfache Installationen mit einer nachvollziehbaren und beherrschbaren Hydraulik anstreben. Denn der Betreiber muss juristisch für die Trinkwasserqualität geradestehen.

Wird bei einer routinemäßigen Probenahme die Überschreitung des technischen Maßnahmenwertes für Legionellen festgestellt, hat das im Geschosswohnungsbau unter Umständen gravierende Folgen für Vermieter.

Wohnungsunternehmen sollten in die Verantwortung gehen, gemeinsam mit Planern einfache Installationen mit einer nachvollziehbaren und beherrschbaren Hydraulik anzustreben.

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