Hohe Folgekosten durch unzulässige Erwärmung vermeiden
Die Forderung nach mehr bezahlbarem Wohnraum auf der einen Seite und rasant steigende Baukosten auf der anderen: Das Spannungsfeld in der Wohnungswirtschaft war selten so geladen. Und als wäre das noch nicht genug, eröffnet sich jetzt in der Betriebsphase ein weiteres Handlungsfeld: die hygienekritische Erwärmung von Trinkwasser kalt (PWC) und dem Risiko der Legionellenkontamination. Mit baulicher Voraussicht und Beachtung grundlegender Betriebsbedingungen ist die hygienekritische Erwärmung von Trinkwasser kalt (PWC) jedoch zuverlässig vermeidbar.
Die Temperaturhaltung spielt bei Trinkwasser, unabhängig von der Frage warm oder kalt, eine entscheidende Rolle, damit das Wasser im Sinne der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) für Menschen „genusstauglich“ bleibt. In Normen und Richtlinien werden für PWC Temperaturen von maximal 25°C vorgegeben (empfohlen <20°C), für Trinkwasser warm (PWH) 55 °C (siehe Kasten). Der Grund: Im Temperaturbereich zwischen 25 °C und 55 °C vermehren sich Mikroorganismen – ob im Wasser natürlich vorkommende oder eingeschleppte – sehr schnell. Immer häufiger werden solche Kontaminationen, beispielsweise durch Legionellen, dabei sogar im PWC nachgewiesen, weil sich das Kaltwasser vor allem innerhalb der Gebäude zu stark erwärmt.
Konsequenzen für Mieter und Vermieter
Die Gefahr der Legionellenkontamination in Trinkwasser warm ist schon lange bekannt – ebenso die Folgen: Duschverbote zulasten der Mieter einschließlich zu erwartender Mietkürzungen, die Erstellung von Gefährdungsanalysen, aufwendige Sanierungen der Trinkwasser-Installation durch den Vermieter, umfangreiche Nachbeprobungen, dazu das Management einer intensiven Kommunikation mit Wohnungsnutzern, Gesundheitsamt, Probenehmern, Fachhandwerkern, in begründeten Ausnahmefällen eventuell Spezialisten für die chemische Desinfektion, bis die technische Sanierung abgeschlossen ist. Die Liste an Konsequenzen ist also lang – und auch teuer.
Der DVGW wies allerdings schon 2017 in einer Stellungnahme auf das potenzielle Risiko hin, dass Legionellen auch Trinkwasser kalt kontaminieren können [1]. Deshalb veröffentlichte das Umweltbundesamt 2018 die Empfehlung, bei einer systemischen Untersuchung der Trinkwasser-Installation auf Legionellen auch PWC einzubeziehen [2]. Werden in einer Trinkwasser-Installation Legionellen über dem technischen Maßnahmenwert von 100 KBE/100 ml nachgewiesen, liegt in jedem Fall ein technischer Mangel vor, der umgehend bewertet werden muss und dann zu beheben ist. Allerdings sind bauliche Maßnahmen zur Ursachenbehebung von Legionellen in PWC ungleich aufwendiger als bei PWH.
Ursachen der Kaltwassererwärmung
Zwei wesentliche Faktoren tragen zum steigenden Risiko einer unzulässigen Trinkwassererwärmung bei:
1. Der Klimawandel bedingt vielfach eine höhere Eingangstemperatur am Hausanschluss.
2. Die Bauweise und technische Ausstattung von Gebäuden erhöhen den Wärmeeintrag.
Im Zuge der Klimaerwärmung steigt zunehmend das Temperaturniveau von Rohwasser, das aus Flüssen und Talsperren entnommen wird. Geringere Niederschlagsmengen, die zu sinkenden Wasserspiegeln der Gewässer führen, tragen ebenfalls dazu bei. Höhere Bodentemperaturen, insbesondere in urbanen Räumen, lassen die Wassertemperaturen im Versorgungsnetz weiter ansteigen. Im Rahmen eines entsprechenden Forschungsvorhabens an der Technischen Universität Dresden wurden zum Beispiel deutliche höhere Eintrittstemperaturen nachgewiesen, als sie die Norm zugrunde legt. Die DIN 1988-200 geht von einer Eintrittstemperatur von 10 °C aus. Die Forscher wiesen während des Projektverlaufs jedoch Eintrittstemperaturen dauerhaft zwischen 16 °C und 17 °C nach. Felduntersuchungen in der Region zeigten eine durchschnittliche Kaltwassertemperatur von 14,2 °C an den Hausanschlüssen [3]. Grundsätzlich sollte somit als Planungsgrundlage die tatsächliche Eintrittstemperatur am Hauswasseranschluss ermittelt werden. So lässt sich kalkulieren, welche weiteren Wärmeeinträge entlang des Fließweges nicht tolerabel sind, zum Beispiel:
– Hausanschlussräume mit zusätzlichen Wärmequellen,
– Steigeschächte mit warm- und kaltgehenden Rohrleitungen,
– Wärmestau in Installationsräumen, wie ausgeflockte Steigeschächte, abgehängte Decken und gedämmte Trockenbauwände und
– Kaltwasserleitungen im Fußboden zusammen mit Fußbodenheizungen oder Anbindeleitungen von Heizkörpern.
Diese potenziellen Risiken der Erwärmung von Trinkwasser kalt lassen sich durch eine hygienebewusste Planung der Rohrleitungsführung minimieren. Dazu zählt, für die Trennung von warm- und kaltgehenden Versorgungsleitungen ausreichend Bauraum zur Verfügung zu stellen. Auch wenn dies im Einzelfall bedeuten könnte, dass über alle Geschosse gerechnet ein paar Quadratmeter weniger vermietbare Fläche ausgewiesen werden, können die Folgekosten einer dauerhaften und unzulässigen Erwärmung von PWC jedoch deutlich höher ausfallen – abgesehen von den Belastungen für die Mieter während der Sanierungsphase. Überschreitet Trinkwasser kalt dauerhaft die 25 °C-Marke, müsste beispielsweise durch regelmäßige Spülungen das erwärmte Trinkwasser „entsorgt“ werden. Die Kosten dafür wären vom Vermieter zu tragen, da er als Betreiber der Trinkwasser-Installation die Verantwortung für die Einhaltung mindestens der allgemein anerkannten Regeln der Technik trägt, wie beispielsweise die definierten Tempertaturgrenzen der entsprechenden Normen und Regelwerke.
Wärmeeinträge reduzieren
Um Installationsfehler nicht im Nachhinein teuer beseitigen zu müssen oder kostbares Trinkwasser durch das Spülen von unzulässig erwärmten PWC nicht zu verschwenden, sind von der Keller- bis zur Stockwerksverteilung einige einfache Grundsätze zu beachten.
Der Trinkwasser-Hausanschluss sollte in einem separaten Technikraum ohne zusätzliche Wärmequellen platziert sein. Direkte Sonneneinstrahlung oder technische Geräte wie Druckerhöhungsanlagen und Enthärtungsanlagen können solche Wärmequellen sein und die Temperatur von PWC schon bei der Einspeisung in die Trinkwasser-Installation unnötig in die Höhe treiben. Hausanschlüsse mit Fernwärmeanschlüssen oder Heizkesseln in einem kleinen Technikraum gemeinsam unterzubringen, sind unzulässig und in jedem Fall zu vermeiden.
Sinnvoll ist es auch, bereits ab der Kellerverteilung PWC-Rohrleitungen mit einer 100-Prozent-Dämmung zu versehen, wie es auch für die PWH-Installationen aus energetischen Gründen vorgeschrieben ist. Diese Maßnahme verlangsamt die Aufnahme von Umgebungswärme, wenn keine Entnahme erfolgt und das Trinkwasser dadurch in den Rohren steht.
Im Neubau können sehr einfach zwei getrennte Installationsschächte für warme und kalte Rohrleitungen geplant werden: Heizungsrohre und Zirkulationsleitungen für Trinkwasser warm getrennt von der Steigeleitung für Trinkwasser kalt, WC-Abluft und Entwässerung und Elektroleitungen, um die typische Minimalbelegung eines Schachtes im Geschosswohnungsbau zu nennen. Bei einer Kernsanierung und Umwidmung zu Wohngebäuden ist das aber meist nicht umsetzbar. Dann lässt sich der Wärmeeintrag in einem gemeinsamen Schacht zumindest durch die Installation einer Inliner-Zirkulation für Trinkwasser warm (PWH-C) reduzieren. Bei einer Inliner-Zirkulation fließt der Rücklauf in einer flexiblen Rohrleitung, die in die Steigeleitung eingezogen wird. Das halbiert in etwa die Wärme abstrahlende Rohrleitungsoberfläche und verringert außerdem die Bereitstellungsverluste.
Bei einem Umbau von Büro- zu Wohnräumen werden oft in Fluren die hohen Decken abgehängt, um für die Stockwerkverteilung Installationsraum zu schaffen. Hier sind Einbauleuchten mit hoher Wärmeabgabe und die Installation von Rohrleitungen für Heizung und PWH-C in direkter Nähe zu PWC zu vermeiden.
Auf der Etage, in der Wohnung selbst, ist PWC am besten vom Steigeschacht direkt in eine ungedämmte Vorwand zu verlegen. Auf die Installation im Fußboden gemeinsam mit einer Fußbodenheizung sollte aufgrund des zwangsläufigen Wärmetransfers verzichtet werden. Ist eine Verlegung von PWC im Bodenaufbau erforderlich, gilt ein maximaler Abstand zu Heizungsrohren. Kreuzungen von Heizungs- mit Kaltwasserrohren sind ebenfalls zu vermeiden. Solche Hotspots bergen die Gefahr, dass sich hier Nester von Legionellen bilden. Sie haben das Potenzial, die gesamte Trinkwasser-Installation zu kontaminieren.
Die Trinkwasser-Installation in der Wohnung als durchgeschliffene Reihenleitung ist inzwischen hygienischer Standard. Wird am Ende der Kaltwasserleitung ein WC installiert, ergibt sich beim bestimmungsgemäßen Betrieb automatisch der Wasserwechsel in der davor liegenden Rohrleitung. Das sich langsam erwärmende Kaltwasser wird dadurch auch nicht einfach „entsorgt“, sondern sinnvoll genutzt.
Zu einer permanenten und erheblichen Erhöhung der PWC-Temperatur kann es jedoch trotzdem kommen, wenn die Zirkulation bis an die letzte Entnahmestelle einer Nutzungseinheit herangeführt wird. Diese Installationspraxis ist zwar auf keinen Fall zu empfehlen, ist aber immer noch vorzufinden. Wird die Leitung für PWH dann auch noch direkt an den Armaturenkörpern am Waschtisch, der Dusche oder Badewanne angeschlossen, ist nachgewiesen: Über die Armatur erwärmen die hohen PWH-Temperaturen die PWC-Seite stark. Das lässt sich durch eine einfache Maßnahme verhindern: In der Vorwand sollten PWH- und PWC-Rohrleitungen als Reihenleitung ausgebildet werden. Aufgrund der Thermik ist PWC von unten an die Entnahmestellen anzuschließen, PWH von oben.
Betreiberverantwortung und Planerpflicht
Wie kritisch die Fremderwärmung von Trinkwasser kalt gesehen wird, unterstreicht in diesem Zusammenhang eine Empfehlung des Arbeitskreises Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen beim Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat von April 2021: „Oberhalb von 25 °C ist mit einer Vermehrung von Legionellen zu rechnen. ... Grundsätzlich erfolgt der physikalische Wärmeübergang immer von der warmen Seite in den kühleren Bereich. Dies betrifft insbesondere Installationen in Versorgungsschächten, Vorsatzschalen oder abgehängten Decken. Trinkwasser-Installationen sind daher thermisch getrennt bzw. separat von Wärmequellen oder warmgehenden Leitungen zu verlegen. … Eine Rohrdämmung verzögert zwar zeitlich den Wärmeübergang, kann aber das PWC nicht vollständig vor Wärmelasten aus der unmittelbaren Umgebung schützen (Sekundäraufheizung). ... Aus Sicht der Trinkwasserhygiene sind daher auch Kaltwasserleitungen in Räumen mit hoher Umgebungstemperatur, zum Beispiel Zentralen, als besonders kritisch einzustufen.“ [4]
Der Arbeitskreis rät daher: „Der Schutz des Trinkwassers kalt vor Wärmelasten sollte bereits in der Planung als passive Maßnahme berücksichtigt werden und zählt unter anderem zu den Qualitätsmerkmalen einer Entwurfsplanung. Mängel einer unvorteilhaften Planung oder Ausführung lassen sich im Nachgang meistens nicht oder nur mit einem erheblichen Mehraufwand kompensieren.“
Fazit
Die potenzielle Gefährdung der Trinkwassergüte von PWC durch eine unzulässige Kaltwassererwärmung unterstreicht, wie wichtig das Einhalten der entsprechenden Normen und Richtlinien bei der Planung, der Installation und dem Betrieb von Trinkwasser-Installationen ist. Schon bei der Planung muss der Fokus darauf liegen, den Wärmeeintrag zu minimieren. Jedes Kelvin ist dabei ein wichtiger Beitrag. Denn das Delta zwischen Kaltwassertemperatur am Hausanschluss und der maximalen Temperatur an der Entnahmestelle wird immer kleiner. Eine für Investoren und Betreiber oft unpopuläre Maßnahme, nämlich zwei Steigeschächte für die thermische Trennung von kalt- und warmgehenden Versorgungsleitungen, kann hier zum Beispiel unter dem Strich erhebliche Folgekosten sparen, die sich aus einer unzulässigen Erwärmung von Trinkwasser kalt und der dadurch gegebenenfalls notwendigen Sanierung der Trinkwasser-Installation ergeben.
Mehr Informationen unter www.viega.de/Trinkwasser
Literatur
[1] DVGW-Information WASSER Nr. 90, Informationen und Erläuterungen zu Anforderungen des DVGW-Arbeitsblattes W 551, DVGW, Bonn, 03/2017; § 3.3.
[2] Umweltbundesamt (UBA), Systemische Untersuchungen von Trinkwasser-Installationen auf Legionellen nach Trinkwasserverordnung –Probennahme, Untersuchungsgang und Angabe des Ergebnisses, 18. Dezember 2018.
[3] K. Rühling, C. Schreiber, C. Lück, G. Schaule, A. Kallert, EnEff: Wärme-Verbundvorhaben, Energieeffizienz und Hygiene in der Trinkwasser-Installation, Schlussbericht, 2018.
[4] Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen (AMEV), Sanitäranlagen 2021, Planung, Ausführung und Bedienung von Sanitäranlagen in öffentlichen Gebäuden, Empfehlung Nr. 151, Stand: 01. April 2021.
[5] Robert Koch-Institut, RKI-Ratgeber für Ärzte, Legionellose, 2013.
[6] Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), https://www.lgl.bayern.de/gesundheit/hygiene/wasserhygiene/legionellen/index.htm#verhalten
[7] DVGW-Information Wasser Nr. 74, Hinweise zur Durchführung von Probenahmen aus der Trinkwasser-Installation für die Untersuchung auf Legionellen, DVGW, Bonn, 01/2012.
[8] DVGW-Arbeitsblatt 400-1, Technische Regeln Wasserverteilungsanlagen – Teil 1: Planung, DVGW, Bonn, Februar 2015
Regeln und Richtlinien zum Temperaturregime von Kaltwasser
– „Legionellen können auch in kaltem Wasser vorkommen, sich bei Temperaturen unter 20 °C aber nicht nennenswert vermehren“ [5].
– „Wenige Legionellen, meist < 1 KBE/Liter (KBE: Kolonien bildende Einheiten) sind auch im kalten Grundwasser vorhanden. Bis zu Temperaturen von etwa 20 °C vermehren sich Legionellen nur sehr langsam, sodass in diesem Bereich schon wegen der zu erwarteten geringen Konzentration das Erkrankungsrisiko als gering einzuschätzen ist. Erst über 20 °C steigt die Vermehrungsrate allmählich an und ist etwa zwischen
30 °C und 45 °C optimal […]“ [6].
– „Auch Trinkwasser-Installationen des kalten Trinkwassers müssen so betrieben werden, dass unter Beachtung von Stagnationszeiten Wassertemperaturen von
25 °C nicht überschritten werden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass bei Trinkwassertemperaturen von unter 20 °C selten Legionellen nachgewiesen werden“ [7].