Digitalisierung

Mit Smart Metern auf der Renovierungswelle

Aktuell entfallen rund 40 % des Energieverbrauchs in Europa auf den Immobiliensektor sowie 36 % der CO2-Emissionen. Mit der „Renovation Wave“ will die EU endlich die Energieeffizienzpotenziale in Gebäuden umfassend erschließen. Der Digitalisierung kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Ermöglicht sie doch erst über die kontinuierlich erfassten Verbrauchsdaten die Verbrauchsvisualisierung, die Verbrauchssteuerung und die Optimierung über KI und Automatisierung. Damit wird die Anlagentechnik optimal eingesetzt – aber auch das menschliche Verbrauchsverhalten.

Im Hinblick auf die ambitionierten Klimaziele der EU mit einer CO2-Einsparung von 55 Prozent gegenüber 1990 bis dahin ist es laut dem Leiter des Referats Gebäude und Produkte bei der Generaldirektion Energie, Stefan Moser, von besonderer Bedeutung, hier für alle Mitgliedsstaaten eine gemeinsame Vision zu schaffen: „Die Kommission bemüht sich die Vorgaben so einfach wie möglich zu gestalten“, betont er auf der von noventic ausgerichteten Expertenrunde im Rahmen der Berliner Energietage 2021.

Insgesamt benennt die Brüsseler Behörde sieben Grundsätze für die Gebäuderenovierung mit Blick auf die Jahre 2030 und 2050. Neben der Priorisierung der Energieeffizienz als horizontales Leitprinzip der europäischen Klima- und Energiepolitik oder der Dekarbonisierung und Integration erneuerbarer Energien liegt dabei auch ein Hauptfokus auf der Digitalisierung. Laut der Kommission gilt es insbesondere, die doppelten Herausforderungen des ökologischen und des digitalen Wandels zu bewältigen.

„Intelligente Gebäude können zur effizienten Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien auf Gebäude-, Wohnviertel- oder Stadtebene beitragen“, heißt es in der entsprechenden Mitteilung der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament. In Kombination mit intelligenten Energieversorgungssystemen verspricht man sich so hocheffiziente und emissionsfreie Gebäude. Neben der Einführung verbindlicher Mindeststandards für die Gesamtenergieeffizienz bestehender Gebäude oder der Überarbeitung verschiedener Richtlinien und Initiativen, wie die der Gebäude-Energieausweise, zählt auch der Smart Readiness Indicator, als Richtgröße zur Messung der Intelligenzfähigkeit von Gebäuden, zu den vorgesehenen Maßnahmen.

Tatsächlicher Verbrauch im Fokus

Konkret stellt die Brüsseler Behörde die Bedeutung der Messung des tatsächlichen Energieverbrauch heraus. „Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Generieren von relevanten Informationen“, betont Referatsleiter Moser. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Smart Meter Gateway (SMGW). Das Kommunikationsmodul wird dabei zur zentralen Kommunikationsplattform in der Immobilie. Neben der hochsicheren und BSI-zertifizierten Metering-Infrastruktur bietet das SMGW mit der CLS-Schnittstelle einen sicheren Zugang für Liegenschaftsanwendungen.

Darüber lassen sich weitere Geräte, wie zusätzliche Sensorik zum Gebäudemonitoring oder steuerbare Anlagen wie Photovoltaik, Speicher oder Ladesäulen anbinden. Zudem ist eine spartenübergreifende Verbrauchsabrechnung möglich, etwa eine Bündelung von Stromabrechnung und Submetering. Dies wirkt sich positiv auf die Prozess- und Kosteneffizienzen aus, denn eine einmal verbaute Infrastruktur kann so doppelt, dreifach und vierfach genutzt werden.

Nach der Einschätzung von Andreas von Wissel, Geschäftsführer der imovis GmbH, einem noventic-Spinn-Off, sollten Digitallösungen auch dazu beitragen, Branchen zusammenzuführen, etwa die Messdienstleister und die Energieversorger. Vor allem mit Blick auf den Smart Meter Rollout fordert er: „Wir haben die Technologie jetzt anzufangen. Wir müssen nach vorne gehen und die ersten Schritte machen.“ Ein Beispiel seien moderne App-Lösungen, die es Bewohnern erlauben, neben dem Strom- auch ihren Heizwärme- und Wasserverbrauch jederzeit einzusehen und bei Bedarf gegenzusteuern.

Effiziente Steuerung über smarte Thermostate

Denn die Experten sind sich hier einig: Für ein nachhaltiges Energiesparen im Immobiliensektor müssen die Bewohner involviert werden. Aus der noventic group kommt für das Energie-Monitoring in Wohnungen eine Mieter-App. Diese erlaubt es Bewohnern, ihren Verbrauch jederzeit einzusehen und bei Bedarf gegenzusteuern. Zudem hat die noventic group kürzlich ihr Portfolio in diesem Bereich durch die Beteiligung am Proptech tado°, einem Anbieter von intelligenten Hausklimamanagement-Lösungen, erweitert. Gemeinsam wollen beide Unternehmen wohnungswirtschaftliche Lösungen entwickeln, die Bewohner in Mehrspartenhäusern in die Lage versetzen, nicht nur den eigenen Verbrauch nachzuvollziehen, sondern diesen über smarte Thermostate und eine App bedarfsgerecht und energieeffizient selbst zu steuern.

Von besonderer Bedeutung bei all diesen datengetriebenen Anwendungen ist das Thema Datenschutz. Um die erhobenen Daten für eine verbesserte Energieeffizienz im Gebäude nutzbar zu machen, müssen diese aggregiert für das Gebäude – anonymisiert – zugänglich gemacht werden. Die Hoheit über die Nutzung der eigenen Daten muss aber ausschließlich beim Mieter liegen. Dieser muss individuell selbst entscheiden können, welche und wie viele Daten er preisgibt. Damit kann er sein gewünschtes Komfortlevel selbst bestimmen, etwa indem er digitale Thermostate oder Verschattungsoptionen nutzt

Performance Gap und Rebound Effect begegnen

Die Bedeutung der Menschen beim Thema Energiesparen im Gebäude hebt auch die Energieanthropologin, Babette Peulicke Slott, hervor. „Technologie ist nicht alles – wir müssen immer auch den Bewohner in den Fokus stellen“, sagt sie. Ein interdisziplinärer Ansatz kombiniere Technologie und Anthropologie und nutze alle vorliegenden Daten, um das tatsächliche Energieeinsparpotential eines Gebäudes zu realisieren.

Damit lasse sich auch den beiden Hauptproblemen im Rahmen von Gebäudesanierungen begegnen: Performance Gap und Rebound Effect. Performance Gap beschreibe die Lücke, die entstehe, wenn vorab berechnete Energieeinsparungen im Gebäudebetrieb nicht erreicht würden. Der Rebound Effect entstehe, wenn Bewohner in energieoptimierten Gebäuden – meist unbewusst – ihren Energieverbrauch erhöhten, weil sie von einer geringen Energiebilanz ausgingen. Beispielhaft benennt Peulicke Slott Flächennutzungspläne (in Bürogebäuden) oder Energieverbrauchsvisualisierungen (in Mietwohnungen), mit denen in Dänemark gute Erfahrungen gemacht wurden.

Das Smart Meter Gateway wird zur zentralen Kommunikationsplattform in der Immobilie.

Für ein nachhaltiges Energiesparen im Immobiliensektor müssen die Bewohner involviert werden.

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