Sanieren mit BIM
Digitale Planungsmethoden wie das Building Information Modeling (BIM) eignen sich nicht nur für den Neubaubereich. Wie wichtig und sinnvoll sie für das Bauen im Bestand sind, zeigt die Sanierung der Spormühle im pfälzischen Dirmstein.
Graf + Partner Architekten aus Frankenthal haben zahlreiche Sanierungen und Neubauprojekte über die vergangenen Jahre realisiert. Frankenthal, zwischen Worms und Ludwigshafen am Rande der Deutschen Weinstraße gelegen, ist eine der ältesten Siedlungen der Gegend. Über 1200 Jahre ist der Flecken bereits besiedelt und die lange Ortsgeschichte zeigt sich in jedem Winkel der Stadt. Graf + Partner haben sich einen Namen gemacht als Architekten, die auch schwierige Projekte mit besonderen Anforderungen der Bauherren oder des Denkmalschutzes meistern. Aktuell planen sie neben weiteren kleineren Projekten vor allem am zweiten Bauabschnitt der Spormühle in Dirmstein. Sie war bis 1937 als Kornmühle und danach für die Stromerzeugung in Betrieb. Seit 1955 wird sie nicht mehr als Mühle genutzt, stand viele Jahre leer und wird seit 2015 umgebaut. Die Gesamtanlage steht heute unter Denkmalschutz, das historische Torhaus ist sogar ein Einzeldenkmal.
3D-Aufmaß ist die Basis der gesamten bauteilbasierten Planung
Die Architekten wurden 2014 als Planer für den Umbau und die Revitalisierung der Gesamtanlage angefragt. Der damalige Besitzer plante eine kleinere Ferienwohnanlage, die jedoch nicht realisiert wurde. Trotzdem verlief das Projekt keineswegs im Sand und die Planungen der Architekten bilden bis heute die Basis aller Folgeaktionen. Graf + Partner hatten den Gebäudekomplex vor der Baueingabeplanung mit moderner Technik aufgemessen. Das Aufmaß erfolgte mit einer Laserdistanzmessung mit Linienmessverfahren, das vom Institut für Raumdarstellung (Dipl.-Ing. Arch. Oliver Hauck) durchgeführt wurde. Torben Wadlinger, Partner im Büro Graf + Partner zu der Methode: „Das Messverfahren mit einem Leica 3D Disto, das wir anwendeten, war damals sehr neu und ist äußerst präzise. Der drehbare Laserkopf misst die Distanzen zwischen einzelnen Punkten im Raum und dem Messkopf und baut so ein dreidimensionales Linienmodell auf, das dann in die ARCHICAD-Planung übernommen werden konnte. Alle Geschosse und der Dachstuhl wurden nach diesem Verfahren aufgenommen. 2014 war dies für uns die wirtschaftlichste Lösung. In Kooperation mit stereoraum Architekten aus Wörrstadt und einem Flexijet 3D können wir inzwischen bis zu 800 m² Fläche am Tag direkt in ARCHICAD aufmessen.“
Einfache Überführung des Aufmaßes in die BIM-Software
Das Aufmaß für die Gebäude und das Einlesen in die BIM-Software ARCHICAD waren zügig erledigt: nachdem das dreidimensionale Linienmodell in die Planungssoftware importiert worden war, wurden die Bauteile um das Linienmodell konstruiert. Damit lag ein 3D-Modell vor, das leicht vereinfacht und mit Bauteilattributen versehen für die Baueingabeplanung weiterbearbeitet wurde. Die wesentlichen Bauteile wie „Wände tragend“, „Wände nicht tragend“, „Dachsparren“ etc. generierten sich die Architekten aus der vorhandenen Bauteildatenbank in ARCHICAD. Torben Wadlinger: „Mit wenigen und von uns modifizierten Bauteilen konnten wir das komplette Bauvorhaben realisieren.“ Und er ergänzt: „Wir brauchten kein verformungsgerechtes Aufmaß. Daher konnten wir bei der Mühle bestimmte Unebenheiten übermessen. Trotzdem blieb das Gesamtmodell präzise und ausreichend für unsere Massenermittlung und die statisch relevanten Berechnungen sowie die TGA-Planung.“
Neue Nutzung und überarbeitete Planung
Nachdem 2015 der damalige Eigentümer die gesamte Anlage verkauft und sich ein neuer Eigentümer aus der Region gefunden hatte, nahm das Projekt eine entscheidende Wendung: der heutige Besitzer stellte sich ein Seminarzentrum in dem historischen Gemäuer vor. Doch mit der gewünschten neuen Nutzung war die bereits erteilte Baugenehmigung hinfällig. Für Graf + Partner hieß das: umplanen und erneut zur Genehmigung einreichen. Doch nicht alles war neu zu entwerfen. Einige Teilbereiche und Nutzungen mussten angepasst werden und ein überarbeiteter Genehmigungsplan ging anschließend an die Baubehörden. Torben Wadlinger zu dieser Wendung im Projekt: „Im Endeffekt ist die jetzt geplante Nutzung viel nachhaltiger und entspricht dem Charakter des Ensembles. Und da wir eine gute Arbeitsgrundlage mit der ersten Planung hatten, konnten wir schnell zu einer Einigung mit dem Bauherrn kommen.“
Die Sanierung wird in drei Bauabschnitten durchgeführt. Der 1. und 2. Bauabschnitt umfasst die ehemalige Mühle und das Torhaus, der 3. Bauabschnitt die Sanierung der Remise und des Tiefkellers. Das ehemalige Müller-Wohnhaus ist bereits saniert. Aktuell ist die Genehmigungsplanung für das Einzeldenkmal Torhaus in Vorabstimmung mit den Behörden. Der komplette Umbau und die Sanierung der Remise und des Tiefkellers sollen bis zum Spätsommer 2019 abgeschlossen sein.
Die Erfahrungen mit BIM in die Planung einfließen lassen
Torben Wadlinger hat bis 2006 bei Hochtief in der Objektplanung in Frankfurt gearbeitet, bevor er bei Graf + Partner Architekten einstieg. Der Baukonzern hat früh wesentliche Vorteile der BIM-Methode erkannt. So sind es Kostentransparenz, eine geringe Fehlerquote in der Planung und damit in der Bauausführung oder die herstellerübergreifende Zusammenarbeit an verschiedenen Programmen (OPEN BIM-Methode), die die Arbeit mit der digitalen Planungsmethode auszeichnen. Torben Wadlinger hat die modellbasierte Planung bei Graf + Partner eingeführt und neben den Neubauprojekten ebenfalls für sie Sanierungsvorhaben etabliert, was jedoch mit verlagerten Arbeitsaufwänden verbunden ist: „Die BIM-Methode erfordert – unabhängig davon ob Neubau oder Sanierung in der Planung – die frühzeitige Festlegung wesentlicher Konstruktionsparameter und Systemaufbauten. Das ist in der konventionellen Planung meist erst nach der Baugenehmigung mit Ausführungsplanung und Detailplanung nötig.“ Im Ergebnis ist der Detaillierungsgrad im BIM-Modell sehr groß. Torben Wadlinger erläutert diesen Fakt: „Durch die modellbasierte Arbeit erreichen wir in der Leistungsphase 3 den ‚Tiefgang’, den wir sonst erst in der Phase 5 hatten. Der entsprechende Detaillierungsgrad in unserer BIM-Planung, der sog. LOD, wird dabei von der notwendigen Sanierungstiefe und -Bandbreite im Projekt Spormühle definiert.“
Zahlreiche Partner zu einem tragfähigen Konsens führen
Die Spormühle in Dirmstein stellt die Architekten aus Frankenthal immer wieder vor Herausforderungen. Denn neben den konstruktiven Besonderheiten eines alten Gebäudesensembles, das einer neuen Nutzung zugeführt werden soll, sind zahlreiche Behörden und Gremien am Prozess beteiligt: Da auf dem Gelände ein Bachlauf verlegt werden soll, ist die Struktur- und Genehmigungsdirektion Süd mit der Unteren Wasserschutzbehörde einzubinden. Hinzu kommen im Wesentlichen die Verbandsgemeinde wegen der Renaturierung des Bachlaufes, die Kreisverwaltung mit der Baubehörde, die Ortsgemeinde, der Brandschutz, die Untere und Obere Denkmalschutzbehörde sowie die Stadtwerke Frankenthal. Alle Ansprechpartner muss Graf + Partner gemeinsam mit dem Bauherrn zu einem Konsens führen, was sich nicht einfach gestaltet. Torben Wadlinger sieht die komplexe Gemengelage gelassen: „Wir haben bei diesem Projekt die Möglichkeit, neue Planungsmethoden und alte Bausubstanz zu verbinden. Und die vielen Ansprechpartner mit ihren spezifischen Anforderungen müssen wir abholen. Doch das neue Betreiberkonzept passt sehr gut zu der alten Anlage in Dirmstein.“
BIM für überschaubare Bauaufgaben
Die neuen Planungsmethoden, von denen Torben Wadlinger spricht, sind noch nicht in jedem Büro und bei allen Bauherren verbreitet. Und gern wird propagiert: die digitale Planung mit BIM lohnt sich nicht für ein kleines Architektur- oder Ingenieurbüro – und erst recht nicht für Einfamilienhäuser oder Sanierungen. Beides stimmt nicht. Vor allem für Projekte, die in einem abgeschlossenen Zeitrahmen von ca. zwei Jahren realisiert (und ausgewertet) werden können, ist BIM und die Planung mit einer BIM-Software wie ARCHICAD sinnvoll und wertschöpfend. Ein Beispiel hierfür sind Graf + Partner Architekten. Mit vier festen und einem freien Mitarbeiter sind sie durchaus ein kleineres Büro, sehen hierin aber einen Marktvorteil, wie Torben Wadlinger berichtet: „Wir können viel schneller agieren oder reagieren und neue Arbeitsabläufe sowie Methoden implementieren, als große Büros dazu in der Lage sind. Das wird unter anderem durch unsere kurzen internen Wege und eindeutige Zuständigkeiten möglich. Was damit nicht heißt, dass das Planen mit BIM ein demokratischer Prozess ist. Delegieren ist dabei Pflicht. Und jeder unserer Mitarbeiter muss zeitgleich ein BIM-Koordinator sein.“
Das Aufmaß erfolgte mit einer Laserdistanzmessung mit Linienmessverfahren.
Die BIM-Methode erfordert die frühzeitige Festlegung wesentlicher Konstruktionsparameter und Systemaufbauten.