Teilwarmmiete: Die eierlegende Wollmilchsau?
Matthias Hartmann, CEO bei Techem (www.techem.de), äußert sich zu aktuellen Energie-Themen.
Das Wort „Klima“ kommt im Koalitionsvertrag knapp 200 Mal vor. Genau unter die Lupe genommen wird dabei auch der Gebäudesektor, auf den in Deutschland circa 35 Prozent des Energieverbrauchs entfallen und der 2020 als einziger Sektor die Vorgaben zur CO2-Einsparung verfehlt hat. Bei steigenden Energiepreisen wird zudem der Ruf nach Lösungen für klimaschonendes und sozialverträgliches Wohnen lauter. SPD, Grüne und FDP prüfen daher „eine faire Teilung des zusätzlich zu den Heizkosten zu zahlenden CO2-Preises zwischen Vermietenden einerseits und Mietenden andererseits“ sowie „einen schnellen Umstieg auf Teilwarmmiete“. Die Modernisierungsumlage soll in diesem Konzept für energetische Maßnahmen aufgehen.
Kehren neue Besen wirklich gut?
Was genau aber ist unter den diskutierten Modellen für (Teil-)Warmmiete zu verstehen, die als Heilsbringer der Wärmewende gelten und das Mieter-Vermieter-Dilemma auflösen sollen? Zusammengefasst geht es darum, dass sich Mietende und Vermietende auf einen feststehenden Kostensatz für Wärme beziehungsweise auf ein, für die Wohnung garantiertes, Temperaturniveau einigen. Nur die darüber hinaus gehenden, warmen Nebenkosten werden verbrauchsabhängig regelmäßig über die Betriebskosten abgerechnet. Gelingt es Vermietenden, die garantierte Wärme oder Temperatur durch energetische Maßnahmen am Gebäude mit weniger Brennstoff zur Verfügung zu stellen, entsteht daraus ein Kostendelta, mit dem sich theoretisch Modernisierungsmaßnahmen gegenfinanzieren lassen. Vermietende sollen somit einen Anreiz für Investitionen in klimaschonende Technologien erhalten.
Unzureichender Anreiz für Vermietende
Es ist fraglich, ob Modelle zur Teilwarmmiete das Mieter-Vermieter-Dilemma auflösen und zu einem zusätzlichen Anreiz führen, energieeffiziente Maßnahmen umzusetzen. Unter Umständen ist das Konzept dafür sogar kontraproduktiv. Zwar kann eine Umstellung auf dieses Modell bewirken, dass Vermietende ein Eigeninteresse an der Senkung des Energieverbrauchs im Gebäude entwickeln. Da sie bei der Teilwarmmiete statt einer sicheren, sofortigen Modernisierungszulage einen unsicheren „Grundheizkostenüberschuss“ erhalten, ist zu befürchten, dass dieser Anreiz nicht ausreicht, um eine umfassende Sanierung oder größere Investitionen wie z. B. einen Heizungstausch anzustoßen. Schließlich stehen diese Maßnahmen nur im Verhältnis zu den eingesparten Heizkostenanteilen – zu wenig, um das Nutzer-Investor-Dilemma aufzulösen, wenn zudem die Modernisierungsumlage gestrichen wird. Und wie errechnet sich eine Ersparnis für Vermietende, deren Objekte bereits energetisch modernisiert sind?
Mit Blick auf die Mietenden zeigt gerade das schwedische Warmmietenmodell die Tendenz zu einer „Flatrate-Mentalität“. Statt zu einer Senkung des Energieverbrauchs kann es zu steigendem Verbrauch und falschem Lüftungsverhalten führen und sparsame Mietende negativ belasten. Ein Schritt zurück in die Zeit vor der Heizkostenverordnung, die gerade durch die verbrauchsabhängige Heizkostenabrechnung zu einer Reduktion des Heizwärmeverbrauchs um rund 20 Prozent geführt hat. Zudem muss die Teilwarmmiete mit Vorgaben des EU-Rechts und weiteren politischen Vorhaben, wie der Reform der Modernisierungsumlage und – besonders erschwerend – einem Modell der CO2-Kostenaufteilung, kompatibel sein.
Außerdem beinhaltet das Modell auch eine Vielzahl von Unwägbarkeiten. So ist noch völlig unklar, auf welche Ausprägungen des Teilwarmmietenmodells sich die neue Bundesregierung verständigen will und wie derartige Lösungen unter sozioökonomischen Aspekten zu beurteilen sind. Schließlich erfordern sie zum einen hohen administrativen Aufwand mit daraus resultierenden Mehrbelastungen der Mietenden und greifen zudem erheblich in die Wärmekostenverteilung ein. In einer Kurzstudie zur rechtlichen und praktischen Machbarkeit von Teilwarmmodellen befürchtet das Öko-Institut gar, „dass aus verfassungsrechtlicher Sicht von zentraler Bedeutung ist, dass die beiden bisher im Vordergrund der Diskussion stehenden Teilwarmmietenmodelle – einerseits das „Referenztemperaturmodell“ (Agora: „Warmmiete mit Temperaturfeedback“), andererseits die Modellvarianten des IWU für eine „Teilwarmmiete“ – einen erheblich größeren Umsetzungsaufwand erfordern und dadurch auf beiden Seiten des Mietverhältnisses zu (teils wesentlich) größeren Grundrechtsbelastungen (…) führen“.
Aufteilung der CO2-Kosten ist keine Frage der Gerechtigkeit
Aus unserer Sicht ist daher ein Modell zu präferieren, bei dem die Umlagefähigkeit der für Raumwärme anfallenden CO2-Kosten an die Energieeffizienz eines Gebäudes gekoppelt wird. Anreize werden hier dadurch gesetzt, dass Vermietende weniger effizienter Gebäude einen höheren Anteil der Heizkosten zahlen müssten. Mietende in effizienten Gebäuden würden bei nicht effizientem Verbrauch bzw. falschem Lüftungsverhalten für den Mehraufwand aufkommen müssen. Kosten und Handlungsanreize würden dort verortet, wo die größten Handlungsmöglichkeiten liegen. Ein Ansatz für mehr Transparenz und den Klimaschutz. Ein gestärktes Bewusstsein hinsichtlich des Heizverhaltens seitens der Mietenden sowie verbesserte Gebäudetechnik in Kombination mit optimierter Betriebsführung sind wichtige Stellschrauben auf dem Weg zum klimaneutralen Gebäudebestand – das zeigt auch das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Forschungsprojekt „BaltBest“, das wir als Projektpartner unterstützt haben. Nur wer einen Überblick über den energetischen Ist-Zustand seines Objektes hat, kann zielgerichtet und effizient Maßnahmen zur Reduktion von Energieverbräuchen und CO2-Emissionen einleiten. Die novellierte Heizkostenverordnung (HKVO), die endlich in Kraft getreten ist, schafft die Grundlage für regelmäßige, unterjährige Verbrauchsinformationen für Mietende. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.
Auch sollten Mindestanforderungen an den Gebäudebestand gestellt werden, die von staatlicher Seite trotzdem förderfähig sind. Der klimaneutrale Umbau des Gebäudebestands ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nur gemeinsam gestemmt werden kann. Alternative Lösungen, wiedie Anhebung der Sanierungsquote von Heizanlagen auf jährlich mindestens zwei Prozent, in Verbindung mit steuerrechtlich entsprechenden Anreizen, wie kurzfristigen Abschreibungsfristen, sollten vorrangig betrachtet werden. Außerdem sollten digitale, smarte Lösungen im Gebäudesektor stärker als bisher genutzt werden. Denn bei einer zunehmend dezentralen Versorgung auf Basis erneuerbarer Energien ist eine intelligente Anlagensteuerung unabdingbar. Eine Bitkom-Studie zeigt: Der dauerhaft optimale, KI-unterstützte Betrieb eines Heizungssystems kann bis zu 20 Prozent an Brennstoffen einsparen und den CO2-Fußabdruck einer Immobilie verbessern. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.
Eine Teilwarmmiete wird das Mieter-Vermieter-Dilemma nicht lösen. Hingegen steht außer Frage, dass für Vermietende neue Anreize für die Investition in klimaschützende Maßnahmen geschaffen werden müssen. An einer staatlichen Förderung bei gleichzeitigen Verschärfungen der Anforderungen für den Gebäudebestand führt kein Weg vorbei. Hier bietet der Koalitionsvertrag gute Ansätze und auch der jüngst vorgestellte Entwurf für die Gebäudeenergieeffizienzrichtlinie geht in die richtige Richtung. Packen wir es jetzt an – sonst läuft uns die Zeit davon.