Videoüberwachung
Sicherheit contra Datenschutz?
„Wurden Sie heute schon überwacht?“, „Die toten Augen von London“, „Mehr Videoüberwachung“, so lauten Schlagzeilen aus dem deutschen Blätterwald. Die Videoüberwachung erhitzt seit Jahren die Gemüter. Die Befürworter argumentierten mit dem Sicherheitsempfinden, die Gegner sehen das Persönlichkeitsrecht und damit den Datenschutz des Überwachten in Gefahr. Dies gilt sowohl für die Überwachung öffentlicher Plätze wie im privaten Bereich zwischen Vermieter und Mieter.
Überblick Videoüberwachung
Die Sicherheit im Wohnbereich hat in den vergangenen Jahren für Mieter und Vermieter an Bedeutung gewonnen. Vandalismus und steigende Kriminalitätsraten bewirken ein verstärktes Interesse am Schutz der Wohnung. Gerade in Hauseingangsbereichen, an unübersichtlichen Punkten wie Tiefgaragen oder Aufzügen haben die Mieter ein gesteigertes Sicherheitsbedürfnis. Seit Beginn der 1990er Jahre haben viele Vermieter Videoüberwachungsanlagen installiert.
Die Erfolge der Technik sind unstreitig. Der Hamburger S-Bahn-Schubser wurde 2004 erfolgreich aufgrund Videoüberwachung identifiziert, das Gleiche gilt für die Londoner U-Bahn-Attentäter im Jahr 2005 oder die Kofferbomber von Köln im Jahr 2006.
Historie
Die optische Überwachung von öffentlichen Straßen und Plätzen hat in Deutschland eine lange Tradition. Bereits 1958 wurde in München eine Verkehrszentrale eingerichtet, an die von stationären Fernsehkameras an über 17 Verkehrsschwerpunkten bewegte Bilder übertragen wurden. In den siebziger und achtziger Jahren kam die Kontrolle von Warenhäusern, Bahnhöfen, Bahnsteigen, Rolltreppen, Tunneln, Tankstellen und Banken hinzu.
Rechtslage
Die Videoüberwachung berührt das allgemeine Persönlichkeitsbild jedes Menschen, der sich in den Überwachungsbereich der Videokameras begibt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat in seinem Urteil vom 21. Juli 2003 (MMR 2004, S. 198) zur Videoüberwachung öffentlicher Plätze entschieden: Die Videoüberwachung in der Innenstadt von Mannheim ist rechtmäßig. Gem. § 21 Abs. 3 Polizeigesetz (PolG) können die Ortspolizeibehörden zur Abwehr von Gefahren, durch die die öffentliche Sicherheit bedroht wird, oder zur Beseitigung von Störungen der öffentlichen Sicherheit öffentlich zugängliche Orte offen mittels Bildübertragung beobachten und Bildaufzeichnungen von Personen anfertigen. Auch bei der privaten Videoüberwachung muss eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht auf Unversehrtheit der eigenen Person bzw. dem Recht am eigenen Bild und dem Interesse des Wohnungsunternehmens am Schutz seines Eigentums stattfinden. Die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Interpretationsgrundsätze gelten sinngemäß im Zivilrecht.
Bundesdatenschutzgesetz
§ 6b BDSG lautet auszugsweise:
„Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen
(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Video-Überwachung) ist nur zulässig, soweit sie
1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.“
Die Vorschrift erfasst nur öffentlich zugängliche Räume. Dazu gehören auch Hauseingangsbereiche.
Rechtsprechung
Die Rechtsprechung ging anfangs differenziert mit dem Problem um. Es gab Urteile, die dem Persönlichkeitsrecht des Mieters den Vorrang vor den Eigentumsschutzrechten des Vermieters gaben. Andere Gerichte gaben dem Schutzrecht des Vermieters den Vorrang. Diese Gerichte betrachteten es allgemein als zulässig, wenn das eigene Grundstück videoüberwacht wird und hierbei weder Teile eines öffentlichen, noch eines mit dem Nachbarn gemeinsam benutzten Privatwegs in den Bereich der Kameras gerieten.
In der jüngsten Vergangenheit häuften sich Urteile, die die Videoüberwachung zunehmend restriktiv auslegen und dem Persönlichkeitsrecht des Mieters den eindeutigen Vorrang geben.
1 BGH, Urteil vom 16. März 2010 (NJW 2010, S.1533)
Bei der Installation von Überwachungskameras auf einem privaten Grundstück kann das Persönlichkeitsrecht eines vermeintlich überwachten Nachbarn schon auf Grund einer Verdachtssituation beeinträchtigt sein. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung reicht dazu aber nicht aus.
2 AG Nürtingen, Urteil vom 5. Januar 2009 (NZM 2009, S. 216)
Die Installation einer Videokamera im gemeinschaftlichen Zufahrtsbereich zwischen Reihenhäusern betrifft angesichts der ständigen Bewegungsüberwachung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des (auch des nicht „ins Visier genommenen“) Nachbarn und ist deshalb grundsätzlich zu unterlassen.
3 KG, Beschluss vom 4. August 2008 (WuM 2008, S. 663)
Der Vermieter ließ nach vorheriger schriftlicher Ankündigung im Fahrstuhl eines Mehrfamilienhauses eine Videokamera installieren. Hiergegen wandte sich eine Mieterin und erblickte hierbei eine Verletzung ihres Persönlichkeitsrechtes. Nach Auffassung des Gerichts sei die Überwachung durch eine Videokamera in einem Fahrstuhl allein schon aufgrund der üblichen räumlichen Verhältnisse besonders eingriffsstark, weil der jeweils Betroffene der Videokamera unmittelbar Auge in Auge gegenüberstehe. Lediglich ein Urteil aus der neueren Rechtsprechung stützt die Eigentümerrechte:
4 LG Bielefeld, Urteil vom 17. April 2007 (NZM 2008, S. 801)
Ein Unterlassungsanspruch gegen auf das Nachbargrundstück ausrichtbare Videokameras besteht nicht, wenn der Nachbar die Anfertigung von Aufnahmen lediglich befürchtet und die Kameras nur mit erheblichen und äußerlich wahrnehmbaren Aufwand auf das Nachbargrundstück ausgerichtet werden können.
Auswirkungen auf den Vermieter
Diese Ausführungen erfordern eine differenzierte Betrachtung der Lebensbereiche, die seitens eines Wohnungsunternehmens einer Videoüberwachung unterliegen.
1. Hauseingangsbereiche/Treppenflure/Aufzüge
Grundsätzlich dürfte es sich dabei um öffentlich zugängliche Räume im Sinne von § 6b BDSG handeln. Dabei handelt es sich um rein private Bereiche des Vermieters, welche seinem ausschließlichen Eigentumsrecht im zivilrechtlichen und dem Hausrecht im strafrechtlichen Sinne unterliegen. Eine Videoüberwachung zur Wahrnehmung des Hausrechts dürfte demnach zulässig sein. Es sollte sich dabei um die bloße Überwachung zur Gefahrenabwehr handeln.
Der Vermieter sollte vor dem Hintergrund der Rechtsprechung und den Regelungen des § 6b BDSG beim Betrieb einer Videoüberwachungsanlage (mit Aufzeichnungsmöglichkeit) folgende Kriterien beachten und regeln:
Im Gebäude
– Hinweis auf die Videoüberwachungsanlage mit deutlichem Hinweis auf den Urheber (Firma des Vermieters)
Innerhalb des Unternehmens
– Beschreibung von Umfang und Zweck der Anlage, Gefährdungspotenzial
– Festlegung des zulässigen Gebrauches, welche Gebäude, Gebäudeteile sollen aus welchen Gründen überwacht werden?
– maximale Speicherkapazität bzw. Aufbewahrungszeit von Aufzeichnungen zwischen 48 und 52 Stunden (vgl. AG Lichtenberg, Urteil vom 9. Dezember 2004, GE 2005, S. 435)
– automatisches Überschreiben der aufgezeichneten Bilddaten nach maximal 48 bis 52 Stunden (AG Lichtenberg, a. a. O)
– Zulässigkeit und Verfahren der Anfertigung, Auswertung und Vernichtung von Aufzeichnungen
– Bestimmung eines Mitarbeiterkreises im Wohnungsunternehmen, der zur Kontrolle des Videosystems zugelassen ist, Berechtigungskonzept
– Festlegung eines Verfahrens im Falle einer Mitbenutzung und Auswertung durch die Polizei, Beschränkung auf Einzelfälle
– Protokollierung und Dokumentation
2. Tiefgarage/Parkhaus/private Außenparkplätze
Die oben genannten Ausführungen dürften sinngemäß auch für eine Tiefgarage, ein Parkhaus oder private (eingezäunte) Außenparkplätze gelten. Auch hier handelt es sich um eine im Eigentum des Vermieters stehende Fläche, die überbaut und damit überschaubar ist. Die Überwachung mittels Videokamera kann dazu dienen, Sachbeschädigungen bzw. dem Diebstahl von Fahrzeugen vorzubeugen.
3. Keller
Einen Ausreißer in der bisherigen Rechtsprechung stellt das Urteil des Amtsgerichts Zerbst vom 31. März 2003 (NZM 2003, S. 897) dar. Das Gericht hielt eine im Keller eines Mietshauses angebrachte verdeckte Videoüberwachung zur Ermittlung von für „wildes Urinieren“ verantwortlichen Personen für zulässig. Dagegen fügt sich das Urteil des OLG Köln vom 5. Juli 2005 (NJW 2005, S. 2997) wieder in die herrschende Meinung der Rechtsprechung ein: Bei der Verwertung heimlicher Videoaufzeichnungen zu Beweiszwecken (hier: Beschädigung an Waschmaschinen in der Waschküche) ist grundsätzlich eine Interessenabwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Beobachteten und den Interessen des Beobachtenden vorzunehmen. Eine dauernde, schrankenlose heimliche Videoüberwachung einer Waschküche aufgrund früherer Beschädigungen ist grundsätzlich unzulässig.
4. Öffentliche Parkplätze im Außenbereich von Wohnanlagen
Die Videoüberwachung größerer Parkplätze im Umfeld von Wohnanlagen, insbesondere von Großsiedlungen, kann dem Mieter ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, wenn dieser sein Fahrzeug mittels Kamera überwacht weiß. Diese Fallkonstruktion spielte in einem vom BGH entschiedenen Fall (NJW 1995, S. 1955; .s.o.) eine wichtige Rolle. Der BGH hatte eine derartige Videoüberwachung für rechtswidrig gehalten, weil die Persönlichkeitsrechte derer, die auf öffentlichem Grund von einer privaten Videoüberwachungskamera erfasst werden, verletzt wurden. Insoweit stehen einer Überwachung öffentlicher Parkplätze mittels Videokamera persönlichkeitsrechtsrelevante Bedenken gegenüber.
Ausblick
Für den Vermieter wird es angesichts dieser Rechtsprechung immer schwieriger sein, Eigentum (und auch seine Mieter) wirksam gegen Sachbeschädigungen und andere mögliche Straftaten zu schützen. Die Einzelfallabwägung sollte in Zukunft mehr auf Vermieterrechte Rücksicht nehmen.
Eine dauernde, schrankenlose heimliche Videoüberwachung einer Waschküche aufgrund früherer Beschädigungen ist grundsätzlich unzulässig.
Die Videoüberwachung größerer Parkplätze im Umfeld von Wohnanlagen kann dem Mieter ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, wenn dieser sein Fahrzeug mittels Kamera überwacht weiß.