„E“ wie „endlich!“
Dr. Verena Herfort, Geschäftsführerin des BFW Landesverbands Nord, begrüßt die geplanten Erleichterungen für den Wohnungsbau.
Forderungen, die Normen und Standards im Wohnungsbau zu senken, sind nicht neu. Doch in der Niedrigzinsphase waren die daraus resultierenden viel zu hohen Baukosten gerade noch tragbar. Deshalb tat sich in dieser Hinsicht bisher nicht viel. Jetzt – da sich die Zinsen wieder auf einem normalen Niveau bewegen – offenbart sich: Das Ende der Fahnenstange ist längst überschritten. Wer jetzt noch über weitergehende Regulierungen für den Wohnungsbau nachdenkt, hat den Ernst der Lage immer noch nicht erkannt. Denn das Gegenteil ist richtig: Wir müssen einfacher bauen, damit Wohnungsbau zu vertretbaren Kosten wieder möglich wird.
Ein Lichtblick in dieser Hinsicht ist der „Gebäudetyp E“, wobei das „E“ für „einfach“ oder für „experimentell“ stehen kann. Gemeint ist auf jeden Fall eine Reduzierung der Vorgaben, sodass wieder mehr Freiheit im Wohnungsbau möglich wird. Die Bundesregierung unterstützt die Einführung des „Gebäudetyps E“ und hat dazu im Juli 2024 einen Gesetzentwurf zur Änderung des BGB erarbeitet. Mit diesem „Gebäudetyp-E-Gesetz“ soll das Vertragsrecht angepasst werden. Das Ziel: Bei Projekten zwischen fachkundigen Vertragspartnern soll es möglich sein, von den allgemein anerkannten Regeln der Technik (aRdT) abzuweichen. Der Gesetzentwurf soll im Herbst 2024 im Kabinett beschlossen werden. Mit Inkrafttreten des Gesetzes ist ab Anfang 2025 zu rechnen.
Immer nur „der Mercedes“
Das wäre deshalb ein Meilenstein, weil beim Bauen die allgemein anerkannten Regeln der Technik (aRdT) vertragsrechtlich relevant sind. Welche Normen das sind, ist allerdings nicht gesetzlich festgelegt, sondern folgt dem Branchenwissen und wird im konkreten Streitfall durch die Rechtsprechung festgestellt. Diese hat bislang dazu tendiert, eine mangelhafte Leistung anzunehmen, wenn nicht alle aRdT berücksichtigt wurden. Wer sich nicht auf rechtliches Glatteis begeben wollte, baute also bislang so, dass die Gebäude allen bautechnischen Normen entsprechen, und zwar auch jenen, die nur dem Komfort dienen. Deshalb wurde immer nur „der Mercedes“ gebaut – und nie der „Volkswagen“.
Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen hat im Juli dieses Jahres eine Leitlinie für den „Gebäudetyp E“ erarbeitet. Sie enthält konkrete Hinweise, wie Vereinbarungen für Architekten- und Bauverträge formuliert werden können.
Schleswig-Holstein hat bereits den Regelstandard
Im Norden sind wir sogar noch einen Schritt weiter. Denn in Schleswig-Holstein gilt seit September 2023 der Regelstandard im geförderten Wohnungsbau. Er gibt die Mindeststandards beispielsweise für den Schallschutz, die technische Ausstattung sowie die Stärken der Decken, Wände und Fundamente vor. Projekte, die darüber hinausgehen, erhalten hierfür keine staatlichen Förderungen. Die Nachfrage ist riesig. Die Fördermittel waren innerhalb kürzester Zeit ausgeschöpft und auch Unternehmen, die bisher frei finanzierten Wohnungsbau betrieben haben, schwenken um und bauen stattdessen geförderte Wohnungen.
Wir würden uns freuen, wenn dieses Beispiel aus dem Norden Schule macht und auch im frei finanzierten Wohnungsbau Abweichungen vom Höchststandard leichter möglich werden. Ziel sollte es sein, auch Privatkunden eine Wohnung mit klar definierten, reduzierten Standards, die jedoch alle unabdingbaren Vorgaben einhält, verkaufen zu können, ohne in eine Haftungsfalle zu
treten. Die geplante Gesetzesänderung ist ein sehr guter Anfang.
Endlich!