Grüne Versorgung

Effiziente Wärmepumpen für Mehrfamilienhäuser

Dezentrale Haustechniklösungen können im Geschosswohnungsbau Vorteile in Planung, Ausführung und Betrieb mit sich bringen. So wurden in einem Apartmenthaus im Magdeburger „Klinke Viertel“ alle Wohnungen mit Luft/Luft-Wärmepumpen ausgestattet, die ein autarkes Heizen, Kühlen und Lüften ermöglichen. Bis 2027 soll das Viertel in meist modularer Bauweise fertiggestellt sein und das Technikkonzept in zehn Neubauten zum Tragen kommen.

Mindestens 500.000 bis 600.000 neue Wohnungen benötigen wir in Deutschland jährlich, schätzt das Bundesbauministerium aktuell. Gefragt sind Lösungen, um Gebäude zeitsparend, kosteneffizient und emissionsarm umzusetzen, aber auch weitgehend klimaneutral
zu betreiben. So wie im Magdeburger Ortsteil Sudenburg, wo mit dem Klinke Viertel derzeit ein modernes Stadtquartier mit knapp 600 Wohnungen entsteht.

Auf einem rund 20.000 Quadratmeter großen Baufeld, gleich neben dem namensgebenden Flüsschen Klinke, sollen bis 2027 insgesamt zehn geplante Neubauten realisiert sein, die von einem bereits weitgehend sanierten Gewerberiegel ergänzt werden. Mit einer erstklassigen Verkehrsanbindung direkt an der Stadtautobahn und unterschiedlichen Wohnungstypen richtet sich das elfteilige Ensemble dann an Menschen aller Altersklassen. Um die Baukosten im Rahmen und die Mieten erschwinglich zu halten, setzen die Investoren White Rock und Capital Bay in den nächsten Bauabschnitten auf funktionale Wohnungszuschnitte und eine überwiegend modulare Bauweise.

Hohe Standards in puncto Energieeffizienz und Lebensqualität gewährleisten zudem eine Quartiersvernetzung mittels smarter Gebäudeautomation und ein ökologisches Gesamtkonzept: Letzteres umfasst unter anderem begrünte Giebelwände, Schwammdächer und Photovoltaikanlagen, darüber hinaus aber auch eine dezentrale Haustechnik, die sich das Prinzip der Luft/Luft-Wärmepumpentechnologie zunutze macht. Künftigen Bewohnern wird so ein nahezu autarkes Heizen, Kühlen, Entfeuchten, Luftfiltern und Lüften ohne fossile Energieträger ermöglicht.

Wärmepumpe schalldämmend eingehaust

Erfolgreich umgesetzt ist das dezentrale Haustechniksystem der Vivaero GmbH bereits im ersten Quartiersbaustein: einem Apartmenthaus mit Lofts und Microflats, das 2023 in Regelgeschossbauweise errichtet wurde. Alle 89 Wohneinheiten verfügen dort über eigene Luft/Luft-Wärmepumpen, die im so genannten Vivaero Silent Cube Air (135 x 252 x 75 cm) jeweils auf den Balkons untergebracht sind.

In Holzoptik dienen die „Silent Cubes“ als architektonisches Gestaltungselement, vor allem aber schirmen sie die Luft/Luft-Wärmepumpe akustisch von ihrer unmittelbaren Umgebung ab. Im Betrieb liegt der messbare Schallpegel außerhalb der Boxen bei lediglich 32 dBA (Herstellerangaben). Um Schallübertragungen komplett zu vermeiden, sind die „Silent Cubes“ schallentkoppelt und nicht direkt mit der Fassade verbunden. Die Platzierung auf dem Balkon sorgt zudem für eine leichte Zugänglichkeit, während die geführte Luftströmung eine effiziente Nutzung der Umgebungsluft als Wärmequelle ermöglicht. Mit Heiz- und Kühlleistungen von bis zu 3000 Watt werden die Anforderungen des Effizienzhaus-Standards 40+ leicht erfüllt.

Montagevorteile und Flächenersparnisse

Die wiederkehrenden Wohnungsgrundrisse ermöglichen im Klinke Viertel ein schlankes Zusammenspiel der technischen Komponenten. In den Mikroapartments beheizt und klimatisiert jeweils nur ein Wandkonvektor die gesamte Wohnfläche (26,7 m2). Dieser ist rückseitig zur Wärmepumpe installiert (Mono Split), so dass die verbindenden Kältemittel- und Kondensationsleitungen lediglich durch die Fassadenwand führen. Teil des dezentralen Gebäudetechnikkonzepts sind außerdem elektronische Durchlauferhitzer und Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, die in den Fertigbädern vormontiert wurden.

Konstruktionsbedingt ergeben sich dadurch deutliche Flächenersparnisse im Vergleich zu Wohnbauten mit herkömmlicher Haustechnik: So bedarf es keiner zentralen Heizungsanlage im Keller und keiner Ringleitung für eine konstante Warmwassertemperatur, um Legionellen vorzubeugen. Weiter entfallen viele Leistungen – wie z. B. ein aufwendiger Brandschutz – und damit verbundene Schnittstellen auf der Baustelle. Auch reduzieren sich die Installations-schächte erheblich, da lediglich Kalt- und Abwasserleitungen sowie Strom- und Datenkabel aus den Apartments herausführen, was sich positiv auf die vermietbare Fläche auswirkt.

Energieeffizient und smart vernetzt

Konkrete Kostenvorteile verspricht die dezentrale Lösung ebenso für die Mieter: Vivaero beziffert den jährlichen Energieverbrauch für das Heizen, Kühlen, Lüften, Entfeuchten und Luftfiltern sowie die Warmwasserbereitung in den realisierten Mikroapartments auf 822 kWh – maßgeblich bedingt durch die Lüftung mit Wärmerückgewinnung und die Luft/Luft-Wärmepumpe. Im Kühlbetrieb entspricht letztgenannte mit einer jahreszeitbedingen Arbeitszahl von 7,60 (SEER) den Kriterien der Energieeffizienzklasse A++, im Heizbetrieb mit einer jahreszeitbedingten Heizleistungszahl von 5,12 (SEER) denen der Energieeffizienzklasse A+++.

Im Rechenmodell des Herstellers resultieren daraus Gesamtkosten, die mit rund 360 Euro p.a. nur rund die Hälfte dessen betragen, was der Deutsche Mieterbund als Nebenkosten für die Nutzung einer modernen Gasbrennwertzentralheizung inklusive Warmwasserbereitung in einer vergleichbaren Wohnung ausgibt (Mittelwert). Hinzu kommen im Vergleich circa 95 % weniger CO2-Emissionen. Mensch und Umwelt profitieren dabei von grünem Strom und einem günstigen Mieterstrommodell – umgesetzt mit eigenerzeugter Energie aus den Photovoltaikanlagen auf den Dächern des Klinke Viertels und der Speicherung des generierten Stroms.

Via smarter Gebäudeautomation sind außerdem Fernwartungen sowie eine bedarfsgerechte Heiz- und Klimaregulierung per App möglich. Die Haustechnik ist dafür in das Komplettsystem der ZP Zuhause Plattform GmbH integriert, das mehr als 100 Gebäudefunktionen miteinander vernetzt. Mittels eines Wohnungsadapters lassen sich die Apartments unter anderem individuell beheizen und kühlen. Verbräuche beziehungsweise Zählerstände werden automatisch erfasst und über einen Hausserver an ein webbasiertes Verwaltungsportal übermittelt, so dass auch Verbrauchsabrechnungen automatisiert erfolgen können.

Dezentrale Haustechnik im gesamten Quartier

Binnen der kommenden drei Jahren sollen auch die restlichen Bausteine des Klinke Viertels in ähnlicher Art und Weise fertiggestellt werden. Eng getaktete Bauabläufe gemäß der Lean Construction-Methode und kombinierbare Baumodule, mit denen sich variable Grundrisse und Wohnungsgrößen gestalten lassen, unterstützen das ambitionierte Vorhaben.

Auch das dezentrale Technikkonzept wird mit gebäudespezifischen Anpassungen künftig im kompletten Quartier zu finden sein. In den weiteren Ausbaustufen etwa werden Luft/Luft-Wärmepumpen verwendet, die bis zu drei Räume versorgen können und auch das Warmwasser produzieren. In größeren Apartments mit vier Zimmern und mehr kommt der „Vivaero Silent Cube Pro“ mit Luft/Wasser-Wärmepumpe zum Einsatz. Die Außeneinheit lässt sich mit Wärmepumpenkonvektoren und Fußbodenheizungen im Gebäudeinneren kombinieren.

Ebenso wie die Bäder und Balkone werden die „Silent Cubes“ samt Wärmepumpe seriell vorgefertigt und vollständig auf der Baustelle angeliefert. Vor Ort ergibt sich daraus der Vorteil einer schnellen Montage in gleichbleibender Verarbeitungsqualität. Zudem können die Fassaden im Klinke Viertel frei von Vorsprüngen in einem Schritt isoliert und verputzt werden, was weitere Zeitersparnisse in der baulichen Umsetzung mit sich bringt.

„Das Pilotprojekt Klinke Viertel wird den Bau von haustechnischen Systemen im Geschosswohnungsneubau verändern und einen Beitrag zum Klimaschutz und bezahlbarem Wohnraum leisten“, sagt Gunther Gamst, Gründer der Vivaero GmbH.

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