Eine bewährte Methode erstrahlt im neuen Glanz
Building Information Modeling ist für Bauherren ein geläufiger Begriff. Weniger bekannt ist die Anwendung der Methode. Das könnte sich laut Fabian Friedrich, Teamleiter & Leiter Center of Competence BIM bei THOST Projektmanagement, durch den wachsenden Nachhaltigkeitsfokus sowohl auf Ebene der Bundesländer als auch in der Baubranche ändern.
Die Kölner haben den Hut auf. Und das nicht nur im Karneval, sondern auch bei der Umsetzung von Building Information Modeling (BIM). Bei der Etablierung der Methode nahmen die Rheinländer eine Vorreiterrolle ein: Etwa seit 2015 setzen sie die BIM-Methode ein. 2018 wurde das Tempo noch einmal merklich erhöht, da das Bundesland Nordrhein-Westfalen im Vorjahr die Einführung von BIM und weiteren digitalen Innovationen offiziell zum Ziel erklärt hatte. Im Jahr 2019 zog Hamburg nach. 2021 veröffentlichten das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und das Bundesministerium der Verteidigung den Masterplan BIM für Bundesbauten, der eine vollständige Implementierung von BIM bis 2027 vorsieht. Und vor wenigen Monaten verkündete auch Stuttgart, bis 2030 BIM-Methoden etablieren und anwenden zu wollen.
Die genannten Beispiele zeigen: Öffentliche Auftraggeber haben den Mehrwert von BIM beim Planen und Bauen erkannt und die Entwicklung in den vergangenen Jahren vorangetrieben. Anders sieht das bei nicht-öffentlichen Auftraggebern aus: Im Industrie-, Gewerbe- und Wohnungsbau stagniert die Anwendung von BIM eher. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Durch die globalen Krisen stand die Baubranche vor einigen Herausforderungen. Sie hatte nicht nur mit Produktionsausfällen in der Zuliefererindustrie, Materialengpässen und unkalkulierbaren Lieferzeiten zu kämpfen. Steigende Baufinanzierungskosten und gesellschaftliche Veränderungen, wie etwa die Entwicklung zum Homeoffice als Arbeitsmodell, sorgten für weitere Unsicherheiten.
BIM: Ein Risiko?
Ein solches Umfeld machte es Bauherren, Investor*innen und Projektentwicklern schwer, vorausschauend zu handeln. Für sie stand – oder steht noch immer – die Frage im Fokus, ob ein Projekt überhaupt realisiert werden kann. Wie und mit welchen Methoden rückt dabei eher in den Hintergrund. Hinzu kommt, dass BIM von Wohnungsbauunternehmen, aber auch von Industrie und Gewerbe, als weiteres Risiko im Projekt wahrgenommen wird, das zusätzliche Investitionskosten verursacht.
Eine Umsetzung erfordert schließlich qualifizierte Verantwortliche und Geduld. Strategien, Standards und Regelungen zur Umsetzung der BIM-Methode müssen entwickelt und in einer Pilotphase getestet werden, um Rückschlüsse ziehen und anwenden zu können. Dabei gehen oft mehrere Jahre ins Land.
Außerdem lässt sich der Mehrwert der Methode im Planen und Bauen nicht seriös in Zahlen ausdrücken. „Was man nicht berechnen kann, macht man nicht“, lautet die Return-on-Invest-Denkweise, die vor allem im Wohnungsbau gelebt wird. Dass die Etablierung vom BIM hier hakt, ist folglich nicht verwunderlich.
Genügend Anreize vorhanden
Dabei hat BIM gut erkennbare Potenziale, die genügend Anreize für eine Umsetzung bieten. Erstens verbessert die Methode die Planungs- und Bauphase. Mit BIM können Wohnungsbauprojekte detailliert geplant, koordiniert und visualisiert werden, was zu einer belastbareren Kostenermittlung führt. Dadurch und auch durch die optimierte Kommunikation zwischen Projektbeteiligten können Risiken im Projekt minimiert werden. Gerade in unsicheren Zeiten ist das ein klarer Vorteil.
Zweitens verbessert BIM den Gebäudebetrieb. Die mit BIM erstellten digitalen Modelle können auch nach der Fertigstellung des Gebäudes genutzt werden. Sie bieten eine wertvolle Informationsquelle für das Gebäudemanagement, können den Wohnkomfort verbessern und die Betriebskosten reduzieren. Das wirkt sich positiv auf die Attraktivität des Gebäudes aus und spiegelt sich gegebenenfalls auch in den Wohnkosten wider.
Der Weg zur Klimaneutralität
Wer BIM bisher ausgeklammert hat, wird das künftig ändern müssen. Denn mit der zunehmenden Bedeutung von nachhaltigem Bauen rückt die Methode in den Vordergrund – und zwar für alle Bauherren.
So zeigt die jüngst veröffentlichte Strategie-Roadmap „Baustelle 2045“ des Fraunhofer IAO BIM als inhärenten Bestandteil einiger Handlungsräume auf, die erfolgskritisch für die Dekarbonisierung von Baustellen sind. Beispielsweise soll beim Handlungsraum „Digitale Abbilder, Daten und Schnittstellen“ ein durchgängiges digitales Abbild von Bauwerken als Informationsquelle dienen. Beim Handlungsraum „Zirkuläre Baustelle, Kreislaufführung aller Bauteile“ kann BIM durch die Verknüpfung mit Material-Katastern die Nachverfolgbarkeit sicherstellen.
Damit wird deutlich: Ohne BIM wird eine klimaneutrale Baustelle nicht möglich sein. Die an der Roadmap beteiligten Expertinnen und Experten rechnen bis 2028 mit einer kompletten Umsetzung von BIM für alle Bauvorhaben und sehen sowohl Qualifizierung, Anreiz und Förderung als auch die Vorgabe von BIM als Teilmaßnahmen.
Noch mehr Potenziale
Bisher stand die BIM-Methode für Terminsicherheit, Kostentransparenz und Koordinationsvorteile. Künftig werden diese Potenziale um die Vorteile des nachhaltigen Bauens ergänzt. Eine Vielzahl von Bauherren und Investor*innen, darunter Projektentwickler und Wohnungsbauunternehmen, berücksichtigen bei ihren Projekten schon jetzt Nachhaltigkeitskriterien. Für sie erstrahlt BIM in neuem Glanz.
Die Methode kann unter anderem dazu beitragen, den Energieverbrauch und die Umweltauswirkungen von Wohngebäuden zu reduzieren. Durch die Möglichkeit, verschiedene Entwurfsvarianten und Materialien zu bewerten, können Entscheidungen für umweltfreundlichere Lösungen getroffen werden. Dies unterstützt den anhaltenden Trend zu nachhaltigem und energieeffizientem Wohnen.
Durch integrierte Gebäude-Sensorik lassen sich BIM-Gebäude nachhaltig bewirtschaften. Zudem liegen Informationen zu Materialien, Mengen und Fügung der Bauteile vor – eine Voraussetzung für eine künftige CO2-Bilanzierung und die mögliche Rückführung von Baustoffen in einen zirkulären Stoffkreislauf.
Vom Hype zur Notwendigkeit
Betrachten wir die eingangs genannten Bestrebungen der öffentlichen Auftraggeber und die Erkenntnisse aus der Strategie-Roadmap „Baustelle 2045“, so deutet vieles darauf hin, dass BIM ein fester Bestandteil der öffentlichen Verwaltung werden könnte. Wenn der BIM-basierte Bauantrag kommt, wird es ablauforganisatorische Zwänge seitens der öffentlichen Hand geben, die BIM für Bauprojekte erforderlich machen. Das betrifft neben der Industrie auch den gewerblichen Wohnungsbau. Bauherren sollten daher ihre Kompetenzen im Bereich BIM ausbauen – nicht zuletzt, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Entgegen der landläufigen Meinung stellt die BIM-Methode kein zusätzliches Risiko für Bauherren dar. Im Gegenteil: Sie dient der Risikominimierung und ist Teil eines professionellen Projektmanagements, das den Weg zur nachhaltigen Baustelle ebnen wird. Für die Zukunft der Baubranche wird sie daher unverzichtbar sein.