Empfehlungen zum klimaangepassten Bauen

In der BBSR-Reihe Zukunft Bau Forschung für die Praxis erschien jetzt eine Broschüre, die für die baulichen Herausforderungen des Klimawandels sensibilisiert.

Im Gegensatz zum Klimaschutz ist die Anpassung an die Folgen des Klimawandels oft noch kein fester Bestandteil der Planungspraxis oder der Architekturlehre, wenngleich die Auswirkungen des anthropogenen Klimawandels bereits heute mess- und spürbar sind: Infolge der Klimaveränderungen erhöhen sich Extremwetterereignisse wie Hitze, Starkregen und Hochwasser sowie Sturm und Hagel.

Das Bauwesen ist als einer der ressourcenintensivsten Wirtschaftssektoren nicht nur Mitverursacher für die klimatischen Veränderungen, sondern auch in besonderen Maßen von Extremwetterereignissen betroffen. Gleichzeitig tragen gezielte (bauliche) Anpassungsmaßnahmen maßgebend zum Objektschutz bis hin zur Förderung der Gesundheit und körperlichen Unversehrtheit von Gebäudenutzenden bei. Doch was bedeutet die „Herausforderung Klimawandel“ ganz konkret für das Planen und Bauen von Gebäuden und Außenanlagen?

Viele Planungsfragen und Lösungen wurden bislang einzeln betrachtet und auf den eigenen Schutz abgestellt. Aber: Anpassung als Vorsorgemaßnahme geht über den Objektschutz hinaus. Robuste, gut geplante Gebäude können sogar den Anpassungsdruck mindern, indem die einzelne bauliche Einheit einen Beitrag zum Gesamtsystem Quartier oder Stadt leistet. Retentionsgründächer etwa können das öffentliche Kanalsystem bei extremen Starkregenereignissen maßgeblich entlasten. 

Gebäudegrün kann Hitzeinseleffekte in Städten reduzieren und das Mikroklima verbessern. Bei fachgerechter Planung trägt Gebäudegrün außerdem zum Erhalt von Biodiversität und Artenvielfalt bei, und versucht somit nicht allein menschliche Bedürfnisse in der Architektur zu berücksichtigen, sondern auch jene von nicht-menschlichen Lebewesen (=Kohabitation in der Architektur).

Klimaschutz und Klimaanpassung Hand in Hand

Gerade am Beispiel sommerlicher Wärmeschutz lässt sich zeigen, dass eine Architektur im besten Fall die Aspekte Klimaschutz und Klimaanpassung kombiniert.

Man könnte kritisieren, dass Simulationen und Berechnungen im heizungs- und raumlufttechnischen Bereich oft auf Daten aus der Vergangenheit basieren, obgleich prognostizierte Daten für den Zeitraum 2031-2060 und für sehr kalte Winterhalbjahre sowie für sehr warme Sommerhalbjahre vorhanden sind bzw. aktuell überarbeitet werden[1]. Im Sinne des Klimaschutzes und der Ressourcenschonung ist es sicherlich nicht der richtige Weg, ein Gebäude bspw.  mit leistungsstärkerer Gebäudetechnik für den Extremfall auszustatten. Die erste Stellschraube sollte das entwurfliche architektonische Konzept per se sein. Lösungen im Sinne des „Low tech“, wo die Baukonstruktion bereits Behaglichkeitsanforderungen erfüllt, sind sicherlich zukunftsweisende Konzepte, die ggf. mit technischen Lösungen kombiniert werden können.

Ein weiteres Beispiel ist die Kombination von Photovoltaikanlagen und Gründächern, die oft fälschlicherweise als Konkurrenten verstanden werden. Dabei sind bei einer kombinierten Nutzung der Dachfläche Synergieeffekte zu erwarten. Beispielsweise kann eine Dachbegrünung die Leistungsfähigkeit einer Photovoltaikanlage durch Verdunstungskühlung erhöhen.

Muss es immer die ganz große Transformation sein, kann man sich abschließend fragen? Unbedingt, ja. Wir sehnen uns nach Weiterentwicklung und Innovation. Wir bewundern neuartige Gesamtkonzepte und visionäre Gebäudeentwürfe zum klimaangepassten Bauen. Doch manchmal haben schon einfache Einzellösungen einen großen Effekt. Ein klug gepflanzter Baum vor der Fassade oder ein außenliegender Sonnenschutz können beispielsweise maßgeblich zum Hitzeschutz im Innenraum beitragen. Das sind Maßnahmen, die jede*r Einzelne schon mit kleinem Aufwand umsetzen kann. Klimaanpassung ist also eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und der politische Auftrag besteht. Die globalen Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, das Pariser Klimaabkommen, die Deutsche Anpassungsstrategie, aber auch der Koalitionsvertrag 2021-2025 formulieren Klimaschutz und Klimaanpassung als maßgebliche Ziele heute und für die Zukunft. Gerade im Handlungsfeld Bauwesen ist es wichtig, den globalen und nationalen Herausforderungen mit lokalen Lösungsansätzen zu begegnen. Jedes Gebäude steht vor einer regional und lokal unterschiedlichen Gefährdung. Jede Bauweise und Nutzungstypologie sind individuell vulnerabel. 

Die Broschüre „Klimaangepasste Gebäude und Liegenschaften“ gibt dafür Entscheidungshilfen und konkrete Lösungsvorschläge an die Hand, die Akteure bei der Erstellung einer klimaangepassten Architektur unterstützen. Entstanden ist nicht nur eine theoretische Einordnung aktueller Herausforderungen in diesem Themenfeld, sondern auch eine praxisorientierte Umsetzungshilfe. Mit dem Zweck der Sensibilisierung werden zunächst allgemeine, übergeordnete Sachverhalte zum Klimawandel dargestellt. Anhand einer Modellliegenschaft werden die Möglichkeiten der Anpassung an den Klimawandel systematisch aufgezeigt. Die Broschüre endet mit einem Bauteilkatalog, der bis ins Baudetail Informationen zur Gefährdung und Empfehlungen zur Bauteil-bezogenen Anpassung gegenüber Extremwetterereignissen bereitstellt.

Die Broschüre inklusive Poster ist digital auf der Webseite www.bbsr.bund.de verfügbar. Gedruckte Broschüren können per E-Mail ; Stichwort: KLIBAU, kostenfrei bestellt werden.

[1] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung, Deutscher Wetterdienst (2017). Ortsgenaue Testreferenzjahre von Deutschland für mittlere, extreme und zukünftige Witterungsverhältnisse
https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/pro gramme/zb/Auftragsforschung/5EnergieKlimaBauen/
2013/testreferenzjahre/01-start.html?pos=2
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