Alles geregelt?

Wirkungsradius von Gesetzen und Regelwerken auf das klimafolgenangepasste Bauen

Das Recht als Gestaltungs- und Steuerungsinstrument bestimmt maßgeblich das Handeln der verantwortlichen Akteure im Baubereich. Es legt fest, welche Klimafolgenanpassungsmaßnahmen gefordert oder überhaupt zulässig sind und ist somit zentral, um Anpassungsmaßnahmen entweder zu fördern oder zu behindern.

Die Standortwahl und die bauliche Ausgestaltung der rund ca. 19 Millionen Wohngebäude und ca. 21 Millionen Nichtwohngebäude ist entscheidend für die Risikoeinordnung gegenüber Naturgefahren. Jedes einzelne Gebäude hat das Potential, die Auswirkung bspw. von Hitze oder Starkregen zu verstärken oder abzumildern.

Das Gebäude ist eingebunden in die bauliche Umgebung. Die besteht in der Regel aus privaten und öffentlichen Funktionsflächen sowie aus Naturräumen und technischer Infrastruktur. Gemeinsam sind sie in Funktion und Widerstandsfähigkeit gegen Naturgefahren wechselseitig voneinander abhängig. Demnach entsteht Handlungsbedarf sowohl im Privatsektor als auch bei der Öffentlichen Hand, um die gebaute Umwelt rasch an die Klimafolgen anzupassen. Aufgaben erstrecken sich somit über alle politischen und gesellschaftlichen Bereiche.

Auf Bundesebene wurde 2008 die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel (DAS) beschlossen. Sie schafft einen „Rahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Deutschland“. Der Bundestag hat 2023 das erste bundesweite Klimaanpassungsgesetz (KAnG) verabschiedet. Alle Bundesressorts arbeiten zusammen, um die Risikoeinordnung zu optimieren, Grundlagen für die Anpassung durch Ressortforschung weiterzuentwickeln und Ziele und Anpassungsmaßnahmen zu definieren. Förderprojekte des BMWSB und BMUV unterstützen bei der „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ und „Klimaanpassung in sozialen Einrichtungen“ oder bieten Beratungsleistungen für Kommunen mit dem „Zentrum Klimaanpassung“.

Wirkungsradius von Gesetzen und Regelwerken auf die Klimafolgenanpassung bei Gebäude- und Quartiersplanung

Insbesondere Hitze, Trockenheit sowie Starkregenereignisse und Hochwasser führen zu einer Neubewertung und Neuausrichtung von Gebäudestandort und Bauweise. Die planerische Vorsorge und der Umgang mit Folgen von Extremwetterereignissen sind jedoch keine neuen Aufgaben für Bauwesen, Infrastruktur, Stadtentwicklung und Raumplanung. Durch die Auswirkungen des  Klimawandels müssen Gebäude- und Quartiersplanung also nicht vollständig neu definiert werden. Sie rücken aber aufgrund des gestiegenen Gefährdungs- und Schadenspotenzials in den Fokus der räumlichen Planung, der Bauleitplanung und des Bauordnungsrechts.

Zwei Publikationen des BBSR, Zukunft Bau Forschungsbericht und BBSR Analysen Kompakt, stellen das Zusammenwirken und Wirkungsradien der Regelsetzer auf Ebene von Bund, Land und Kommune dar.

Der Werkzeugkasten gesetzlicher Vorgaben zur klimafolgenangepassten Planung von Quartieren und Gebäuden ist vorhanden. Die Kommunen haben Klimafolgen mehr und mehr im Fokus ihrer Bauleitplanung. Eine Fortschreibung und Präzisierung der Vorgaben im Bauordnungs- und Bauplanungsrecht ist jedoch erforderlich. Grundlagen zur Risikoeinordnung müssen weiterentwickelt werden (zum Beispiel zu Wetterdaten, Kartenmaterial und Bewertungsmethodik), zu Hilfsmitteln zur Umsetzung in Bebauungsplänen (zum Beispiel Festsetzungs- und Maßnahmenkatalog) sowie an Prozesshilfen für Vollzugsbehörden (zum Beispiel Abwägung und Vollzug). Klimaeinwirkungen könnten außerdem besser berücksichtigt werden, wenn sich Normen und Regelwerke nicht ausschließlich am „Stand der Technik“ ausrichten, sondern zukünftige Klimaprognosen mitberücksichtigen würden. Dies sollte möglichst so umgesetzt werden, dass sich die Komplexität in der Normung nicht weiter erhöht.

Hitze und Dürre - die „stillen“ Extremwetter werden häufig unterschätzt

Bei Hitze besteht die Gefahr, dass Bauteile Schaden nehmen. Zudem beeinträchtigen überhöhte Temperaturen in Außen- und Innenräumen die Gesundheit und das Wohlbefinden der Nutzenden. Die folgende Maßnahmengrafik zeigt beispielhaft, wie die Quartiersplanung zusammen mit der baulichen Ausgestaltung der Gebäude Einfluss auf die thermische Entwicklung .rund um ein Gebäude und somit auch auf den Gebäudeinnenraum hat.

Das Gebäude, seine Kubatur, Höhe und Positionierung im städtischen Kontext sind entscheidend für die Einordnung der Betroffenheit durch Hitze. Reduzierung der Besonnung als auch die Möglichkeit des Luftaustausches vermindern die Entwicklung von Wärmeinseln. Ein kompaktes Gebäude heizt sich weniger schnell auf. Massive Bauteile sowie die Nachtauskühlung bieten eine Abfederung von thermischen Lasten. Ein hoher Glasanteil trägt zur Überhitzung bei. Konstruktive oder natürliche Verschattungselemente sowie helle Oberflächen wirken der Hitzeentstehung entgegen. Der Entstehung urbaner Hitzeinseln in den Sommermonaten wirken Verschattung und Verdunstungskühlung mithilfe von Vegetation und Wasserflächen entgegen. Effektive Maßnahmen sind Dach- und Fassadenbegrünungen, Anpflanzen von Bäumen und Vegetation sowie Entsiegelung der Liegenschaft für ein lokales Regenwassermanagement.

Hitzevorsorge - Handlungsraum mithilfe von Bauordnungs- und Bauplanungsrecht

„Wieviel Klimafolgenanpassung ist aktuell bereits möglich“ und „Wie kann Klimafolgenanpassung besser in Gesetzen und Regelwerken berücksichtigt werden“? Raumordnung und Bauleitplanung auf den Ebenen Bund, Länder und Kommunen ermöglichen einen vorsorgenden Hitzeschutz. Den Kommunen kommt dabei die wichtige Rolle zu, ihren Auslegungs- und Gestaltungsspielraum so zu nutzen, um das klimafolgenangepasste Bauen zu befördern. Für eine gelungene Umsetzung gilt es, dass Kommunen die bereits im Bauordnungs- und Bauplanungsrecht definierten Parameter entsprechend der örtlichen Gegebenheiten und Bedarfe in maßgeschneiderte Bebauungspläne überführen.

Hitzevorsorge – Regenwassermanagement sichert Effizienz von Maßnahmen

Erfolgsfaktor einer gut aufgestellten Hitzevorsorge ist die Vermittlung zwischen „zu wenig Wasser“ und „zu viel Wasser“. Denn die Verfügbarkeit von Wasser zur Bewässerung und die Anreicherung von Grundwasser durch aktiven Bodenschutz sichern den Funktionserhalt von Grünräumen und dadurch den Kühlungseffekt. Aufgrund häufigerer und längerer Hitze- und Trockenperioden spielt die Neuausrichtung des Regenwassermanagements und der Frischwassernutzung eine zentrale Rolle. 

Hitzevorsorge –  Prozessdefinition vermittelt zwischen Regelsetzer und Regelanwender

Transparente Prozesse und Umsetzungshilfen dienen als Katalysatoren einer bessern Hitzevorsorge. Adressiert sind die Schnittstelle zwischen Regelsetzer und Regelanwender. Entwickelt werden müssen Praxishilfen sowohl für Vollzugsbehörden als auch für Bauende. Klärung bedarf es bei der Abwägung von Zielen auf beiden Seiten. Denn gerade bei der Umsetzung von neuen Konzepten zu Multifunktion- und Mehrfachnutzen sind sowohl die Gemeinde als auch die Planenden und Bauherren herausgefordert und betreten Neuland.

Klimafolgenangepasstes Bauen – Was ist möglich? Wo hakt es?

– Ressortübergreifend erarbeiten Bund und Länder Grundlagen und Lösungen zur Klimafolgenanpassung.
– Klimafolgenanpassung wird mittels Bauordnungs- und Bauplanungsrecht föderalistisch gemeinsam von Bund, Ländern und Kommunen gesteuert.
– Instrumente des Bundes definieren Vorgaben für Bundesländer und Kommunen.
– Instrumente der Bundesländer spezifizieren Planungsziele und definieren weiteren Handlungsspielraum.
– Instrumente der Kommunen stellen die größere Herausforderung dar, müssen sie doch die Vielzahl der Vorgaben umsetzen und um lokale Anforderungen ergänzen.
– Bauliche Maßnahmen zum Schutz vor Hitze sind mehrheitlich vorhanden, deren Kombination mit Multifunktion und Mehrfachnutzen von Flächen und Gebäudehüllen sind gefordert.
– Das Bauordnungs- und Bauplanungsrechtes ermöglichen bereits Klimafolgenanpassung, Optimierungen sind an einigen Stellen möglich, um verbesserten Hitzeschutz in Quartieren und Gebäuden zu unterstützen.

Gegen Extremwetter wappnen

Das BBSR-Forschungsprojekt „Klimaresilientes und klimaangepasstes Bauen im Bauplanungs- und Bauordnungsrecht“ durchleuchtet das Bauordnungs- und Bauplanungsrecht mit dem Ziel, aufzuzeigen, welche Möglichkeiten Bund, Land und Kommune bereits haben und wo nachgesteuert werden muss.

Die Studie beinhaltet alle Naturgefahren. Sie wurde durchgeführt von INTEP (Daniela Burbat, Dr. Claudia Lösch, Dr. Feng Lu-Pagenkopf) und ist als Download unter www.bbsr.bund.de abrufbar.

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