Standards und Regelwerke zum klimaangepassten Bauen

Bauen wir Gebäude widerstandsfähig genug gegen Hitze und Starkregen?

Das Klima wandelt sich. Die Intensität von Hitzewellen, Hochwasser und Starkregen nehmen zu. Die Standards unserer Bauteile erfüllen die vielfältigen statischen und thermischen Zwecke in der Regel dauerhaft verlässlich und gut. Doch wie widerstandsfähig sind Bauteile gegen zu erwartende extreme Naturgefahren in der Zukunft? Wie können Regelwerke und Baustandards dabei helfen, Gebäude resilient zu gestalten? Was bedeutet dies für bautechnische Normen und technische Regeln?

Das BBSR ließ 41 Normen des Deutschen Instituts für Normung (DIN) und 38 Richtlinien u. a. der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) mit Berührungspunkten zu den Naturgefahren Starkregen und Hochwasser, Hitze, Wind und Hagel, Schnee analysieren. Vom DIN herausgegebene Normen zielen mehrheitlich auf die Dichtigkeit von Bauteilen gegen Starkregen und Hochwasser. Regelwerke der DWA bieten weiter greifende Planungsgrundlagen bspw. zur Geländemodellierung und zum Umgang mit Regenwasser, um Gebäude vor Wasserschäden zu schützen. Zum Umgang mit Hitze sind vergleichsweise wenige DIN-Standards vorhanden. Vornehmlich wird der Bedarf von sommerlichem Wärmeschutz auf Basis von Innentemperaturen durch sie bestimmbar.

Als grundsätzliches Ergebnis zeigt sich, dass für bestehende Regelwerke unterschiedliche Änderungsbedarfe bestehen, um Klimaanpassung künftig besser zu berücksichtigen. Gegen Schäden durch Hochwasser, Wind und Hagel sollten Sicherheitsaufschläge in Betracht gezogen werden. Beim Belastungsfall Schnee wird kein Anpassungsbedarf gesehen. Für die Naturgefahren Hitze, Starkregen und Hochwasser sind Datengrundlagen als mögliche Stellschrauben für eine Aktualisierung der Regelwerke identifiziert.

Sommerhitze

Um der sommerlichen Überhitzung in Innenräumen zu begegnen, gibt es eine Reihe an baulichen Maßnahmen, die zur Reduktion der Innen- und Oberflächentemperatur beitragen. Die Farbgestaltung sowie die Verschattung des Gebäudes durch Vegetation oder die gezielte Verschattung von Bauteilöffnungen durch außenliegende Jalousien sind wirksame Maßnahmen. Massive Bauteile sowie die Nachtauskühlung bieten Möglichkeiten zur Abfederung von thermischen Lasten.

Der Bedarf für sommerlichen Wärmeschutz für Gebäude wird mithilfe der DIN 4108 (Wärmeschutz und Energie-Einsparung in Gebäuden) und der DIN V 18599 (Energetische Bewertung von Gebäuden) bemessen. Grundlage hierfür sind die meteorologischen Datensätzen des Deutschen Wetterdienstes (DWD), sogenannte ortsgenaue Testreferenzjahre für mittlere, extreme und zukünftige Witterungsverhältnisse (TRY). Aktuell fordert die Norm die Verwendung von Datensätze aus dem Jahr 2011. Die Bundesrepublik Deutschland wird in diesen Datensätzen zur Einordnung der sommerlichen Klimaverhältnisse in 3 Sommerklimaregionen gegliedert. Die in der Norm zu verwendenden Daten werden als unzureichend eingeschätzt, da mit den drei definierten Klimaregionen die erwartete Klimasituation nicht ausreichend gut abgebildet werden kann. Zudem ermöglicht die Norm keine Unterscheidung zwischen Umland und Stadt oder den Nutzungsarten der Gebäude. Dadurch bleiben Anforderungen an gemäßigte Innenraumtemperaturen durch schutzbedürftige, kranke und ältere Menschen bei der Berechnung zum sommerlichen Wärmeschutz unberücksichtigt.

Starkregen

Eine wichtige Risikoeinordnung für Grundstücke oder Gebäude beinhaltet die Wahrscheinlichkeit einer Überflutung. In den seit vielen Jahren pflichtigen Hochwassergefahrenkarten sind die gefährdeten Gebiete für Flusshochwasser ausgewiesen. Allerdings werden Häufigkeit und Pegelstand im Rückblick auf die Hochwasser der letzten 100 Jahre definiert, weswegen die Karten künftig die veränderte zeitliche und mengenmäßige Ausprägung berücksichtigen sollten.

Das Gefahrenpotential von Hochwasser als Folge von Starkregen ist im Vergleich zu Flusshochwassern noch unpräziser vorauszusagen. Da die Lage, Dauer und Menge von Starkregen nur kurzfristig prognostiziert werden kann, macht eine flächendeckende Resilienz nur bedingt Sinn. Grundlage für die individuelle Risikoermittlung einer Liegenschaft ist unter anderem die Geländeformation rund um das Gebäude und im Quartier, wobei es neuralgische Punkte im Quartier zu identifizieren gilt. Immobilieneigentümerinnen und -eigentümer können auf Gebäudeebene durch bauliche Maßnahmen individuell vorbeugen.

Künftig erhöhte Niederschlagmengen erfordern hinsichtlich der bautechnischen Dichtigkeit keinen Anpassungsbedarf bei Regelwerken, wenngleich die Mindesthöhe der auszuführenden Dichtigkeit am Bauteil angepasst werden muss. Hierfür sind Starkregengefahrenkarten und angepasste Hochwassergefahrenkarten eine zentrale Planungsgrundlage. Als Konsequenz einer präzisen Risikoeinordnung kann die Standsicherheit gegen Unterspülung, Anpralllasten oder Sohldruck standortspezifisch neu bewertet werden. Hierzu sind keine Anpassungen von Normen erforderlich. Vielmehr sind Lösungen gemäß der festgestellten individuellen Verwundbarkeit einer Liegenschaft zu wählen.

Hochwasserangepasstes Planen und Bauen kann zudem durch Maßnahmen ergänzt werden, die über die klassische Resilienz, also die Widerstandsfähigkeit eines Gebäudes hinausgehen, wie zum Beispiel:

– Überdachung von Zugängen zu Keller, Tiefgeschoss oder Treppenabgängen halten Wasser von Öffnungen fern.

– Hohe Einlaufschwellen oder leistungsfähige Entwässerungseinrichtungen schützen Gebäudeöffnungen.

– Geländemodellierung durch Aufschüttung oder Anlegen von Senken führen Wasser vom Gebäude weg.

– Sog. „blau/grüne Infrastruktur“ mittels Wasserflächen und Vegetation an Gebäude und auf Grundstück helfen dabei, Regenwasser lokal zu halten und sommerliche Hitze durch Verdunstungskühlung zu reduzieren.

Mithilfe der Fortschreibung und Aktualisierung von Baustandards und Planungshilfen können die Auswirkungen der Klimaänderung sowohl auf Gebäude als auch auf Quartiere besser abgefedert werden. Einen detaillierten Überblick zum Handlungsbedarf und möglichen Lösungen bieten verschiedene Publikationen des BBSR.

Die aktuellsten Veröffentlichungen sind der Endbericht „Klimaanpassung und Normungsverfahren - Analyse bestehender bautechnischer Normen und Regelwerke für einen Anpassungsbedarf an die Folgen des Klimawandels“ ( adelphi et al.), „Klibau - Weiterentwicklung und Konkretisierung des Klimaangepassten Bauens“ (Fahrion et al.) sowie die Zukunft Bau Broschüre Band 30 „Klimaangepasste Gebäude und Liegenschaften“.

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