Gemeinsam Räume für gutes Zusammenleben gestalten 

Die Förderung der Baukultur ist seit langem ein wichtiges Anliegen der Bundesregierung. Die Baukulturellen Leitlinien „Gemeinsam Räume für gutes Zusammenleben gestalten“ fassen erstmals die Baukulturpolitik des Bundes als strategischen Rahmen zusammen und zeigen zentrale baukulturelle Handlungsfelder auf.

Das Baukulturverständnis des Bundes

Die gebaute und gestaltete Umwelt prägt unseren Alltag. Sie umgibt und beeinflusst uns tagtäglich. Baukultur ist an allen Orten ablesbar und gegenwärtig: beim Wohnen, Arbeiten, in Mobilität und Freizeit und in unseren sozialen Begegnungen. Baukultur ist ein Zeugnis und Produkt menschlichen Lebens und Wirtschaftens.

Die Erklärung von Davos „Eine hohe Baukultur für Europa“[1] aus dem Jahr 2018 beschreibt Baukultur als die Summe der menschlichen Tätigkeiten, die unsere gestaltete Umwelt weiter verändern. Sie umfasst den Baubestand, Denkmäler und andere Elemente des Kulturerbes, das Planen, Bauen, Umbauen und Instandhalten von Gebäuden, Infrastrukturen, des öffentlichen Raums, von Freiräumen im Siedlungszusammenhang ebenso wie die Gestaltung von Kulturlandschaften.

Eine hohe Qualität der gestalteten Umwelt trägt zu gesellschaftlichem Zusammenhalt, Resilienz und Verbundenheit mit dem Ort bei. Architektur ist dabei ein wesentliches, formgebendes Element.

Anlass und Entstehungsprozess

Die Bestrebungen, Baukultur als gesellschaftlichen Wert zu stärken, beruhen auf der im Jahr 2000 vom Bundesministerium für Verkehr, Bau und Wohnungswesen gegründeten „Initiative Architektur und Baukultur“. Die Initiative sollte den bundesweiten Diskurs zur Baukultur fördern. Ihre Arbeit mündete 2006 in die Gründung der Bundesstiftung Baukultur.

Aus der Unterzeichnung der Davos-Erklärung 2018 durch die Bundesrepublik Deutschland erwuchs die Verpflichtung zur Erarbeitung einer eigenständigen deutschen Baukulturpolitik, den Baukulturellen Leitlinien des Bundes.

Die Leitlinien wurden im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Bundes im Programm Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt) des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung erarbeitet und von einem Beirat begleitet. Eingebunden waren Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Forschung, Planungspraxis sowie Planer- und Immobilienverbände, Gremien der Bauministerkonferenz der Länder sowie die kommunalen Spitzenverbände. Die Baukulturellen Leitlinien wurden am 13. November 2024 durch das Bundeskabinett beschlossen[2].

Inhalt und thematische Schwerpunkte

Acht Baukulturelle Leitlinien stellen das Verständnis der Bundesregierung von Baukultur, basierend auf der „Neuen Leipzig-Charta – Die transformative Kraft der Städte für das Gemeinwohl“[3], dar. Sie unterstreichen die Selbstverpflichtung des Bundes, die gebaute Umwelt im Sinne eines ganzheitlichen Raumverständnisses mit einer hohen Gestaltungs-, Nutzungs- und Prozessqualität zu gestalten.

Die Leitlinien zeigen gesellschaftliche Herausforderungen für eine hochwertig gestaltete Umwelt auf. Sie benennen baukulturelle Handlungsfelder und Ziele für alle Planungs- und Bauaufgaben in der Zuständigkeit des Bundes und sind in einem Drei-Ebenen-Modell verbunden.

Die Werte-Ebene adressiert die Themen Umbaukultur und Klimaschutz, Identifikation sowie die für einen Wandel notwendigen Kompetenzen. Der Erhalt des gebauten Bestands, dessen Anpassung und Weiterentwicklung sowie seine identitätsstiftende Wirkung wird mit den Zielen des Klima- und Ressourcenschutzes verbunden. Hierfür notwendige Kompetenzen sollen aufgebaut und gefördert werden.

Die Räume-Ebene spricht räumliche Handlungsbereiche für eine nachhaltige, flächenschonende Bodenpolitik, den Um- und Ausbau von Freiräumen als Grün- und Wasserflächen sowie die Qualifizierung von Ortsteilen und Quartieren im Sinne der integrierten Entwicklung von Stadt und Land an.

Die Prozess-Ebene hebt die Notwendigkeit für Experimente und die Bedeutung von guter Beteiligung hervor. Experimentierräume die auf die Transformation der gebauten Umwelt abzielen sollen ausgebaut sowie auf Zusammenarbeit ausgerichtete Prozesse unterstützt werden.

Impulse: Maßnahmen und Handlungsempfehlungen 

Die Baukulturellen Leitlinien dienen dem gesellschaftlichen Diskurs zur Gestaltung des gebauten Raums. Den Leitlinien sind Maßnahmen im Zuständigkeitsbereich des Bundes zugeordnet.

Sie behandeln unter anderem folgende Bereiche: die Überprüfung bestehender nationaler und europäischer Regularien, wie das Baugesetzbuch und das Vergaberecht, sowie die Stärkung baukultureller Instrumente, wie etwa Planungswettbewerbe. Baukulturelles Wissen soll durch eine frühzeitige baukulturelle (Schul-)Bildung und in der beruflichen Aus-, Weiter- und Fortbildung gestärkt werden.

Bauforschung und innovative Methoden, beispielsweise durch Reallabore als zeitlich und räumlich begrenzte Testräume, sollen gestärkt und bestehende Förderprogramme weiterentwickeln werden.

Die Leitlinien sprechen zudem Handlungsempfehlungen für Aufgaben in öffentlicher und privater Zuständigkeit aus.

Adressaten der Baukulturellen Leitlinien

Die Baukulturellen Leitlinien sind als Selbstverpflichtung für Planungs- und Bauaufgaben des Bundes im Inland konzipiert. Baukultur soll als Querschnittsthema ressortübergreifend in allen Planungs- und Prozessphasen mitgedacht werden. Bauen und Gestalten findet auf allen staatlichen Ebenen, im öffentlichen sowie im privaten Sektor statt. Die Leitlinien sind daher auch eine Einladung an diese Akteurinnen und Akteure.

Ausblick: Umsetzung im Bundesbau und Baukulturdialog stärken

Die Selbstbindung des Bundes an die baukulturellen Ziele findet ihren Niederschlag u.a. in den Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes (RBBau)[4]. Um baukulturelle Prozesse sicht- und messbar zu machen, wird das Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen (BNB) des Bundes derzeit auch unter baukulturellen Gesichtspunkten qualifiziert.

Als bundesweite Kommunikationsplattform für Baukultur soll die Bundesstiftung Baukultur in ihrer wichtigen Arbeit gestärkt werden.

Die Länder als eigenständige Baukulturakteure setzen mit Landesstiftungen und -einrichtungen, durch Landespreise und Auszeichnungen wichtige baukulturelle Akzente.

Der Bund wirbt verstärkt für eine engere Zusammenarbeit mit Ländern und Kommunen auf der Grundlage der Baukulturellen Leitlinien. Zudem sind die planenden und bauenden Verbände, Kammern und Baukulturinitiativen zur Zusammenarbeit angesprochen.

Mit den EU-Mitgliedsstaaten erfolgt der Austausch zu high-quality architecture and living environment auf Grundlage des Work Plan for Culture[5] im Rahmen der Ratspräsidentschaften und zu Themen zur Umbaukultur, zu Wettbewerbsverfahren und zum öffentlichen Vergaberecht. In der Davos Baukultur Allianz als Zusammenschluss von Vertretern von Regierungen, NGOs und internationalen Unternehmen unter der Leitung des Weltwirtschaftsforums (WEF) erfolgt die Zusammenarbeit in Arbeitsgruppen, beispielsweise zu Fragen der Nachhaltigkeit und Bezahlbarkeit sowie des zirkulären Bauens.

Die Baukulturellen Leitlinien des Bundes „Gemeinsam Räume für gutes Zusammenleben gestalten“ sind als gedruckte Broschüre des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) über den Publikationsversand der Bundesregierung in Deutsch und Englisch zu beziehen. Sie stehen zusätzlich auf der Homepage des BMWSB zum Download bereit.

Verweise: [1] Bundesamt für Kultur, Schweizerische Eidgenossenschaft, 2018 [2] Deutscher Bundestag, 2024, Drucksache 20/13886 [3] Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, 2020 [4] Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, 2024, Richtlinien für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes [5] Europäische Union, 2022, Council Resolution zum Work Plan for Culture 2023-2026 (2022/C 466/01)
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