Resilienz und baukulturelles Erbe

Herausforderung und Ressource für die europäische Stadt: Eine Arbeitshilfe für die kommunale Praxis

Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) sowie das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) haben seit 2019 in der Partnerschaft „Kultur und kulturelles Erbe“ der Urbanen Agenda ein europäisches Netzwerk an der Schnittstelle von Kulturerbe- und Risikomanagement koordiniert und ein Forschungsvorhaben durchgeführt. 2023 werden zwei Arbeitshilfen zur Entwicklung eines integrierten Risikomanagements für das baukulturelle Erbe veröffentlicht.

Das baukulturelle Erbe – wichtige Ressource für die Resilienz von Städten und Gemeinden

Das baukulturelle Erbe unserer Städte und Gemeinden, mit seinen historischen und identitätsstiftenden Quartieren, Gebäuden, Parks und Gärten trägt maßgeblich zu den sozialen, kulturellen, ökonomischen und ökologischen Dimensionen einer nachhaltigen Stadtentwicklung bei. Es umfasst historisches Wissen zu Konstruktionsweisen sowie Materialien und ist wichtiger Bezugspunkt unserer Identität und unseres Zugehörigkeitsgefühls. Der Erhalt des gebauten Erbes sowie dessen zukunftsorientierter Entwicklung können die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit unserer Städte stärken. Als adaptives und responsives System hat sich das Erbe über die Zeit an diverse Veränderungen und Störungen flexibel angepasst.

Doch der gesellschaftliche Wandel mit einer zunehmend älter werdenden Bevölkerung und einer hohen Einwohnerdichte in den Ballungsräumen sowie den Folgen des Klimawandels mit Überschwemmungen oder Hitze stellen heute neue, zunehmende und unvorhersehbare Herausforderungen für den Erhalt und Schutz des baukulturellen Erbes dar. Um die Städte anpassungs- und widerstandsfähiger zu machen, ist es von großer Bedeutung, dieses Erbe zu erhalten und zukunftsorientiert zu entwickeln. Hierzu muss das baukulturelle Erbe  „(…) stärker in der Stadtentwicklung, in lokalen Anpassungsplänen an den Klimawandel oder Katastrophenschutzplänen berücksichtigt werden (…)“ (Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (2021): Memorandum „Urbane Resilienz“, Wege zur robusten, adaptiven und zukunftsfähigen Stadt).

Zwei Arbeitshilfen unterstützen die lokale Praxis

Hier knüpft das Forschungsprojekt „Resilienz und baukulturelles Erbe - Ein integrierter Ansatz zum Risikomanagement des kulturellen Erbes in der bestandsorientierten Stadtentwicklung“ an[1]. Zentrale Fragestellungen waren, wie das baukulturelle Erbe auch zukünftig einen wichtigen Beitrag zur Resilienz von Städten und Gemeinden leisten kann und wie hierfür Risiko- und Kulturerbemanagement im Rahmen der bestandsorientierten Stadtentwicklung besser miteinander verzahnt werden können. 

Im Ergebnis hat das BBSR im Auftrag des BMWSB Arbeitshilfen für die kommunale Praxis in Deutschland sowie übertragbare Leitprinzipien eines integrierten Risikomanagements für das baukulturelle Erbe auf europäischer Ebene entwickelt und in zwei Publikationen veröffentlicht.

Guidance Paper

Die englisch-sprachige Veröffentlichung „Resilience and Cultural Heritage in Urban Development - Guidance Paper on Integrated Risk Management“ gibt einen Überblick über den aktuellen Diskurs zum Thema Risikomanagement im Zusammenhang mit baukulturellem Erbe in der europäischen Stadtentwicklung: Es präsentiert gute Beispiele und definiert zehn Schlüsselprinzipien.

Kommunale Arbeitshilfe

Die im Herbst 2023 veröffentlichte Arbeitshilfe für die kommunale Praxis „Baukulturelles Erbe vor Risiken schützen und resilient gestalten“ orientiert sich an den o.g. leitenden Prinzipien, bietet unterschiedlichen Zielgruppen – insbesondere Kommunen und Ländern – als Nachschlagewerk einen niederschwelligen Einstieg in das Thema und unterstützt beim strategischen Umgang mit diesem. Dabei gibt sie konkrete Handlungsanweisungen und Hilfestellungen für die kommunale Praxis an der Schnittstelle von Kulturerbe- und Risikomanagement in Deutschland. Ferner zeigt sie Möglichkeiten auf, wie die notwendigen Entwicklungs- und Entscheidungsprozesse gestaltet werden können.

Mit der Arbeitshilfe sollen Baukulturerbe- und Risikomanagement besser miteinander verzahnt werden. Praktikerinnen und Praktikern vor Ort werden neue Wege gemeinsamen Handelns aufgezeigt. Dabei geht es z.B. darum, die zum Teil komplexe Methodik des Risikomanagements auf lokaler Governance-Ebene umzusetzen und an eine Vielzahl von Stakeholdern zu kommunizieren. Hierzu werden u.a. folgende Kompetenzen vermittelt:

– Verständnis und Grundwissen über zentrale Begriffe, Konzepte und Rechtsgrundlagen

– Wissen und transparente Kommunikation über idealtypische Akteurskonstellationen und Zuständigkeiten

– Einschätzung und nachvollziehbare Priorisierung der Werte kulturellen Erbes und der Risiken, denen es ausgesetzt ist

– Festlegung und Argumentation von Zielen als Grundlage für die Beurteilung / Entscheidung von Maßnahmen

– Strategische Entwicklung und Durchführung eines Integrierten Risikomanagementprozesses unter Einbeziehung der relevanten Akteurinnen und Akteure und unter Berücksichtigung lokaler Gegebenheiten

In den einzelnen Arbeitsschritten helfen idealtypische Akteursnetzwerke, Aufgaben, Maßnahmen, Werkzeuge und Checklisten sowie ausgewählte Fallbeispiele dabei, theoretische Grundlagen in konkretes Handeln zu überführen. Ferner werden Informationen zu Gesetzesgrundlagen und möglichen Förderprogrammen sowie methodische Empfehlungen zur Durchführung eines „Planspiels“ aufgezeigt.

Zum Aufbau, zur Vertiefung und Verbreitung dieser Kompetenzen und Fähigkeiten lässt sich die Arbeitshilfe sowohl im Planungsalltag heranziehen, als auch im Rahmen von Workshops, Webinaren oder Trainings nutzen. Daher wurde sie so entwickelt, dass die Anwenderinnen und Anwender relevante Aufgaben und Prozesse Schritt für Schritt nachvollziehen und für sich nutzbar machen können. Ziel ist es, dass die Arbeitshilfe eine größtmögliche Öffentlichkeit bekommt und die Anwendung vor Ort begleitet und unterstützt.

[1] Forschungsnehmer war Reicher Haase Assoziierte GmbH (RHA) in Zusammenarbeit mit plan + risk consult – Prof. Dr. Greiving & Partner sowie Prof. Dr. Carola S. Neugebauer, RWTH Aachen Universität

Weitere Informationen

– Internetpräsenz des Forschungsvorhabens im BBSR mit Bestell- und Downloadmöglichkeit der o.g. Publikationen: https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/exwost/Forschungsfelder/2021/baukulturelles-erbe/01-start.html

– Webseite der Urbanen Agenda für die EU, Partnerschaft „Kultur/kulturelles Erbe“: https://www.urbanagenda.urban-initiative.eu/partnerships/culture-heritage

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