In fünf Schritten zum klimaneutralen Gebäude
Der Gebäudesektor ist ein entscheidender Akteur bei der Energiewende. Welche Aufgaben auf Eigentümer und Verwalter warten, erklärt Minol-Geschäftsführer Alexander Lehmann.
Herr Lehmann, Deutschland nimmt Kurs auf Klimaneutralität. Was genau bedeutet das für den Gebäudesektor?
Alexander Lehmann: Zurzeit verursacht der Betrieb von Gebäuden laut Umweltbundesamt 35 Prozent des Endenergieverbrauches und etwa 30 Prozent der CO2-Emissionen. Bis 2045 soll der Gebäudebestand nahezu klimaneutral werden, das sehen die Ziele der Bundesregierung vor. Das heißt, dass die Gebäude nur noch einen sehr geringen Energiebedarf aufweisen dürfen und der verbleibende Energiebedarf zum überwiegenden Teil durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Ein sehr ambitioniertes Ziel, aber bisher noch immer erreichbar.
Was bedeutet dieses Ziel für Immobilieneigentümer und Verwalter?
Alexander Lehmann: Die Immobilienwirtschaft ist mit verschiedenen Gesetzen und Vorgaben konfrontiert, die sie in Richtung Klimaneutralität treiben. Dazu gehören das Gebäudeenergiegesetz GEG, die Heizkostenverordnung HKVO und das Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz GEIG. Außerdem entwickelt sich Nachhaltigkeit immer mehr zum betriebswirtschaftlichen Faktor. Die EU-Taxonomie und der ESG-Ansatz (Environmental, Social, Governement) sorgen dafür, dass Investorenentscheidungen und Unternehmensfinanzierungen künftig vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsziele getroffen werden.
Auf welchem Stand sind wir aktuell, sprich: Wie viel CO2 verbraucht denn eine heutige Wohnung?
Alexander Lehmann: Um das zu veranschaulichen, haben wir bei Minol ein sogenanntes Musterhaus erstellt. Es entspricht ungefähr dem Durchschnitt deutscher Wohnimmobilien hinsichtlich Fläche, Anzahl der Wohneinheiten und Bewohner sowie dem Energieverbrauch. Das Musterhaus zeigt, dass ein 2-Personen-Haushalt für Heizung und Warmwasser im Durchschnitt 11.845 kWh Energie pro Jahr verbraucht. Das entspricht 2.885 kg CO2. Um diese Emissionen zu binden, benötigt man 124 Bäume. Das ist der Wert, wie er sich heute bei fossilen Energieträgern darstellt und der bis 2045 möglichst auf Null sinken sollte. Das Ideal sind sogenannte Netto-Null-Energiegebäude, die 100 Prozent des Energiebedarfs durch erneuerbare Energien vor Ort decken.
Wie kommen wir diesem Netto-Null-Energiegebäude näher?
Alexander Lehmann: Der erste Schritt ist Transparenz durch zeitgemäßes Metering. Wer Energie einsparen will, muss zunächst wissen, wie viel davon an welcher Stelle entstehen. Für die wohnungsweisen Verbräuche schreibt u. a. die HKVO den Einsatz fernauslesbarer Messausstattungen vor. Heizkostenverteiler, Wärmezähler und Wasserzähler lassen sich per Funk in kurzen Intervallen auslesen. Über Smart Meter Gateways sollen in Zukunft auch die Daten der Stromzähler digital und in kurzen Intervallen erfasst werden. Mit den erhobenen Daten lässt sich der gesamte Energieverbrauch einer Wohnung oder Liegenschaft detailliert abbilden. Ein gezieltes Energiemonitoring macht Veränderungen erkennbar und Klimaneutralität messbar. Mit unserem Service eMonitoring stellen wir Kunden die unterjährigen Verbrauchsinformationen zur Verfügung, welche die HKVO vorsieht.
Digitalisierung schafft also Transparenz?
Alexander Lehmann: Ja, das gilt auch für den zweiten Schritt: das Smart Building. Bis zu 14,7 Millionen Tonnen CO2-Emissionen können laut Branchenverband bitkom bis 2030 allein durch Gebäudeautomation eingespart werden. Auch hier ist es also Zeit für digitale Lösungen – zum Beispiel Temperatur- und Klimasensoren oder Sensoren, die erkennen, wenn Fenster geöffnet sind, während gleichzeitig die Heizung läuft.
Und der dritte Schritt?
Alexander Lehmann: An dritter Stelle sehe ich die Wärmekonzepte. Heizung und Warmwasser sind für rund 90 Prozent der Emissionen, die auf die Gebäudenutzung zurückfallen, verantwortlich. Die kommunale Wärmeplanung soll hier einen entscheidenden Beitrag leisten: Zum einen, um Energie effizienter zu nutzen und zum anderen als strategisches Mittel zur Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien.
Die kommunale Wärmeplanung definiert dabei, in welchen Straßen eine Versorgung mit Fernwärme geplant ist, ob die Versorgung mit Nahwärme über Blockheizkraftwerke möglich ist oder wo ein Wasserstoffnetz aufgebaut werden soll. Die Pläne zahlen unter anderem auf das GEG ein, das den Austausch von Heizungen vorsieht, die mit fossilen Energieträgern betrieben werden.
Wie sehen die abschließenden Schritte aus?
Alexander Lehmann: Die Schritte vier und fünf – Photovoltaikanlagen und E-Ladestationen – kommen dort ins Spiel, wo sich der Immobiliensektor mit den Sektoren Energie und Verkehr überschneidet. Im Jahr 2022 wurden bereits 10,9 Prozent des Strombedarfes in Deutschland durch den Betrieb von mehr als 2,2 Millionen Photovoltaikanlagen gedeckt. Laut Umweltbundesamt soll die Erzeugung von Solarstrom bis 2030 noch einmal verdreifacht werden.
Je nach Lage, baulichen Voraussetzungen und eingesetzter Technologie können Hausgemeinschaften einen Großteil ihres Strombedarfes mit Strom vom eigenen Dach decken. Bei vermieteten Immobilien sind deshalb Mieterstrommodelle immer gefragter. Im Idealfall wird der Strom auch genutzt, um das Auto zu laden oder die Wärmepumpe zu betreiben.
Mit dem GEIG hat die Bundesregierung die Weichen für den beschleunigten Ausbau der Leitungs- und Ladeinfrastruktur für Elektromobilität im Gebäudebereich gestellt. Minol hat für beide Schritte die passenden Lösungspakete. All das zeigt: Der Weg zur Klimaneutralität ist lang – aber gleichzeitig sehr kurz. Denn obwohl die Klimaschutzziele sehr ambitioniert sind, gibt es schon jetzt viele Möglichkeiten, die Emissionen zu senken.