Lauter tolle Typen
Genehmigungs-, Ausschreibungs- und Abstimmungsverfahren machen den Wohnungsbau kompliziert und teuer. Die Berliner STADT UND LAND zeigt, dass es anders geht. Im entstehenden Quartier „Buckower Felder“ errichtet die Gesellschaft modulare Typenhäuser für 400 Wohnungen auf der Basis eines Planungskatalogs, der die Prozesse vereinfacht.
Wer in Berlin bezahlbaren Wohnraum schaffen will, braucht einen langen Atem und starke Nerven. Denn geeignetes Bauland zu finden ist wie ein Sechser im Lotto und die Genehmigungsprozesse zu durchlaufen gleicht einem Marathon. Fast die Hälfte der für den „Wohnungsmarktbericht 2022“ der Investitionsbank Berlin (IBB) Befragten, insbesondere Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und deren Verbände, nennt diese beiden Umstände als Hauptproblem für den Mietwohnungsneubau. Weitere Herausforderungen sind der Umfrage zufolge steigende Baukosten, Materialknappheit und Personalengpässen.
Angesichts dessen ist jede Stellschraube, an der gedreht werden kann, um trotz der Widrigkeiten kalkulierbar bauen zu können, enorm wichtig. Erhebliches Optimierungspotenzial bieten die Planungsphasen, die für jeden Standort zu wiederholen sind. Vorgegebene Grundformen anhand von Typisierungen könnten die damit verbundenen Prozesse verschlanken, weil wesentliche Vorarbeiten bereits erfolgten.
Bekanntes baut sich schneller
Auf der rund 16 Hektar großen Baustelle „Buckower Felder“ in Neukölln am Südrand von Berlin lässt sich gegenwärtig beobachten, wie konfektionierte Planung den Wohnungsbau erleichtert. In drei Bauabschnitten entstehen auf neun Baufeldern 66 Gebäude für rund 900 Wohnungen. Davon erstellt die Wohnungsbaugesellschaft STADT UND LAND 31 Gebäude in modularer Typenbauweise: 30 in der bereits bewährten „Typenhaus Plus“-Variante als Massivbau aus vorgefertigten Betonfertig- und Halbfertig-Elementen, bei einem weiteren kommt erstmals das „Typenhaus Eco“ zum Einsatz, ein auf Klimaschutz, Ressourcenschonung und Kreislauffähigkeit weiterentwickeltes Modell. 400 Wohnungen finden in den Typenhäusern Platz. Weitere 300 Einheiten entstehen in Einzelgebäuden. In Summe realisiert das Unternehmen, das zu den sechs großen kommunalen Wohnungsversorgern Berlins gehört und über 51.000 eigene Wohnungen im Bestand hält, 700 Wohnungen.
Die Hälfte ist sozial gebunden: 30 Prozent werden gefördert errichtet mit Mieten zwischen voraussichtlich 6,50 und 6,70 Euro je Quadratmeter sowie 8 und 8,20 Euro je Quadratmeter, 20 Prozent entfallen auf Sonderwohnformen, beispielsweise für Senioren und Wohnungen für Geflüchtete. Das Tempo der Bauarbeiten entlang des Buckower Damms und der Gerlinger Straße, die im Oktober 2021 begannen, ist beträchtlich. Gefühlt wächst jede Woche ein neues Gebäude empor. „Durch den Rückgriff auf den in der Bauindustrie bereits bekannten Typenhaus-Katalog ergibt sich schon in den frühen Planungsphasen eine Zeitersparnis“, so Ingo Malter, Geschäftsführer der STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft mbH.
Da klar sei, welches Produkt zu bauen wäre, verliefen interne und externe Abstimmungsgespräche einfacher. Zudem führe die Wiederholung des Typus auch in der Bauausführung zu Zeitvorteilen, weshalb von einem Einstieg in das serielle Bauen gesprochen werden könne. Der Weg dorthin war für STADT UND LAND erstaunlich kurz.
Von der Stange, aber keine Massenware
Die zeitraubenden Prozesse rund um Genehmigungs-, Ausschreibungs- und Abstimmungsverfahren zu verkürzen, nahm STADT UND LAND in 2016 gemeinsam mit dem Büro Mars Architekten in Angriff. In nur drei Monaten entwarfen sie ein Baukastensystem aus unterschiedlichen Segmenten, die sich planerisch auf vielfältige Weise stapeln, aneinanderreihen und kombinieren lassen. „So entstand ein Prototyp, der mit einer Ost/West und einer Süd/Nord ausgerichteten Variante sowie Eckmodulen an nahezu jede Bausituation anpassbar ist“, sagt Malter. Motiviert durch den erfolgreichen Bau von 165 Wohnungen an der Schkeuditzer Straße in Marzahn-Hellersdorf in 2019/20, verantwortet vom Architekturbüro Arnold und Gladisch als Generalübernehmer, erhielten die Planer gleichzeitig auch den Auftrag, den Prototyp weiterzuentwickeln.
Das Ergebnis ist ein Modulkonzept, das ermöglicht, flexibel auf die Erfordernisse des konkreten Bebauungsgrundstücks, auf baurechtliche Vorgaben und auf Anforderungen an das Wohnungsportfolio zu reagieren. Bis zu achtgeschossige Neubauten lassen sich angepasst an örtliche Standortsbedingungen, Höhe, Gestaltung und Qualitätsansprüche realisieren. „Wie bei einem Puzzle können unterschiedliche Wohnungsgrößen rechts und links an einen Treppenhauskern angehängt werden.“ Möglich sind Einheiten von 41 bis 95 Quadratmeter und ein bis sechs Zimmern. Es gibt drei Arten von Treppenhauskernen und nach Ost/West und Nord/Süd orientierte Häuserzeilen sowie Eckmodule, so dass eine sehr hohe Anzahl an Variationen möglich ist, die dafür geeignet sind, jeden gewünschten Wohnungsschlüssel umzusetzen.
Spielraum für individuelle Gestaltung bieten mehrere Badtypen, die als Wannen- oder Duschbad ausgeführt werden können sowie zwei Fensterformate (bodentief oder liegend) und zwei Balkonvarianten (vorgestellt oder angehängt). Das in einem Planungskatalog ausführlich dokumentierte „Typenhaus Plus“-Konzept diente bereits mehrfach als Vorlage. „Bisher haben wir rund 2.000 Wohnungen an 12 Adressen mit dem System geplant, wovon bereits cirka 1.600 Einheiten realisiert sind. Weitere 400 Typenhaus-Wohnungen entstehen derzeit auf den Buckower Feldern.“ Die Typenhäuser seien also mittlerweile an zahlreichen Stellen im Stadtbild zu finden, ließen sich jedoch nicht ohne Weiteres als solche erkennen.
Das Gleiche in Grün
Noch einen Schritt weitergedacht ist das Modell „Typenhaus Eco“, das auf dem Baufeld 8 entsteht. Dabei handelt es sich um ein kreislaufgerecht geplantes Holzhybridgebäude, dessen Elemente komplett inklusive Verkleidungen und Vorbereitungen für die technische Gebäudeausrüstung im Werk vorproduziert sind. Auf der Baustelle müssen die Einzelteile nur per Schraubverbindungen untereinander und mit dem ausgesteiften Stahlbeton für das Treppenhaus verbunden werden – fertig ist das „Typenhaus Plus“ in Grün, das nur 5,28 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter und Jahr emittiert und im Vergleich zur herkömmlichen Variante 36 Prozent CO2 spart. „Grundsätzlich ist der Aufwand im Holzbau höher, weil Anforderungen an Statik, des Brand- und Schallschutzes detaillierter mit allen Beteiligten abzustimmen sind als im Massivbau“, sagt Frank Arnold, Geschäftsführer des Architekturbüros Arnold und Gladisch.
Im vorliegenden Fall seien Spannrichtungen und maximale Längen von Brettsperrholzdecken sowie von Bauteilaufbauten und -stärken anzupassen gewesen. Darüber hinaus hätte das Gebäude für die Holzbaurichtlinie adaptiert und das maximale Längenmaße von Vorfertigungselementen angeglichen werden müssen. „Theoretisch könnte der Aufwand geringer sein, wenn von vorneherein als Holzbau geplant wird“, so der Planer. Statt eines Kellers, auf den zugunsten der Öko-Bilanz verzichtet wird, erhalten die 15 zwischen 53 und 70 Quadratmeter großen Zwei- und Drei-Zimmer-Wohnungen einen Abstellraum in der Wohneinheit. Die Flächen der Flurzonen sind kleiner als üblich geplant. Trotz der kompakten Bauweise brauchen die späteren Mieterinnen und Mieter nicht auf Komfort zu verzichten.
Für gute Belichtung sorgen offen gestaltete Grundrisse, die in den kleineren Wohnungen barrierefrei sind, und ein Balkon erlaubt im Freien auszuspannen. Das Ziel für künftige Projekte ist eine ökologisch verbesserte Variante des EH-55-Neubaustandards, für die zum Beispiel Holzständerwände mit Zellulosedämmung und Lehmbauplatten vorgesehen sind, wodurch sich die Emission klimaschädlicher Treibhausgase noch einmal reduzieren lässt, auf dann 3,29 Kilogramm je Quadratmeter und Jahr, was einer Minderung von 60 Prozent entspricht.
Günstig bauen in schwierigen Zeiten
Neben einfacheren Genehmigungs-, Ausschreibungs- und Abstimmungsverfahren mit und zwischen den Beteiligten hat die Typenbauweise noch einen positiven Effekt: sie wirkt sich vergleichsweise vorteilhaft auf die Baukosten aus. „Festzustellen ist, dass wir mit unseren Typenhausprojekten auch über die Zeit gesehen immer günstiger bauen können als bei konventionellen Neubauvorhaben“, sagt die STADT UND LAND-Geschäftsführer. Im Durchschnitt der letzten Jahre habe der Abstand bei rund 400 Euro pro Quadratmeter gelegen.
Die günstigeren Baukosten erklären sich einerseits dadurch, dass die Firmen wissen, was sie zu bauen haben. Zum anderen liegt es an der höheren Flächeneffizienz, denn 77 Prozent der gebauten Geschossfläche sind vermietbarer Wohnraum. Malter betont allerdings, dass sich dieser Wert nicht verallgemeinern lässt. „Denn wie immer hängen die Baukosten von den jeweiligen Rahmenbedingungen des Grundstücks, dem Nutzungsprogramm, der Projektgröße, dem Vergabezeitpunkt der Leistung und anderen Parametern ab.“
Zur Nachahmung empfohlen
Der erste Bauabschnitt mit 270 Wohnungen ist bereits realisiert und bezogen. Die Fertigstellung des gesamten Projekts „Buckower Felder“, für dessen ökologische, klimabewusste und zukunftsweisende Planung STADT UND LAND als „Klimaschutzpartner des Jahres 2021“ mit dem „Anerkennungspreis für herausragende Projekte öffentlicher Einrichtungen“ von der Berliner Wirtschaft ausgezeichnet wurde, ist für 2026 geplant. Interessierte Bauherren haben also noch Zeit, das Werden der Typenhäuser vor Ort zu verfolgen und sich zu eigenen Projekten inspirieren zu lassen. Denn Nachahmer sind ausdrücklich erwünscht, weshalb die Planungsunterlagen nach dem Open-Source-Prinzip frei verfügbar und über STADT UND LAND erhältlich sind. Dem Bau weiterer „toller Typen“ sollte demnach wenig im Weg stehen – in Berlin und andernorts.