Moderne Architektur trifft inklusives Wohnen
Im „Vitalquartier an der Seelhorst“ in Hannover treffen moderne Architektur und inklusives Wohnen aufeinander und bieten über 1.000 Menschen aller Generationen mit und ohne Behinderung ein Zuhause. Für vier der Gebäude, die für Niedersachsens größte Diakonie-Gesellschaft entworfen wurden, setzten TCHOBAN VOSS Architekten auf den regionalen Baustoff Kalksandstein. Der Mauerbildner ermöglicht kurze Lieferwege und einen zügigen Baufortschritt.
Im Jahr 2015 wurde das Konzept des „Vitalquartiers an der Seelhorst“ im Stadtteil Mittelfeld im Süden Hannovers der Öffentlichkeit präsentiert. In Anbetracht des wachsenden Wohnraumbedarfs und vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Entwicklungen wie der verstärkten Ausrichtung auf Inklusion und dem demografischen Wandel, gewinnen solche Wohnprojekte deutschlandweit an Bedeutung. Herzstück dieser Idee war, ein neues Quartier mit etwa 400 barrierearmen Wohnungen und rund 25 Ensemblehäusern zu schaffen, das gemeinschaftliches Leben mit einem Dienstleistungsangebot für alle Lebensphasen verbindet.
Die Integration verschiedener Bewohner*innen ist in Mehrgenerationenhäusern essenziell. Dies spiegelt sich bereits in den unterschiedlichen Grundrissen der Architekt*innen wider, die auf vielfältige Lebenssituationen ausgerichtet sind und so spätere kostenintensive Umbauten oder Anpassungen überflüssig machen. Aus diesem Grund legten die Planungsverantwortlichen zudem ein besonderes Augenmerk auf eine durchdachte Infrastruktur: Ein Zentrumsbereich mit diversen Versorgungsangeboten, Grünflächen, ein Spielpark und eine gute Anbindung an den ÖPNV werden ergänzt durch eine Kindertagesstätte sowie eine bestehende inklusive Schule. Hinzu kommen haushaltsnahe Dienstleistungen und ein aktives Quartiersmanagement durch die Diakovere – einem in Niedersachsen bekannten gemeinnützigen Akteur im Gesundheits-, Sozial- und Bildungswesen.
Das Vitalquartier – eine lebendige und vielfältige Gemeinschaft
Im Zentrum des Entwurfs von TCHOBAN VOSS Architekten steht ein Bauwerk der besonderen Art: eine Kirche aus Weidenruten. Sie wächst und verändert sich im Laufe der Zeit auf natürliche Weise. „Im Winter erscheint die aus einem filigranen Stahlgerüst gebaute ‚Kirche‘ kahl, doch mit dem Beginn der Blüte im Frühjahr verwandelt sie sich in einen lebendigen Raum“, erklärt Frank Focke, assoziierter Partner des Architekturbüros. „Für die betreuten Menschen wird sie zum zentralen Ankerpunkt und Ort der Begegnung.“
Der Entwurf von TCHOBAN VOSS Architekten im Vitalquartier umfasst drei vier- bzw. fünfgeschossige Volumen. Ein viertes Gebäude findet sich an anderer Stelle im Viertel. Alle zeichnen sich durch ihre klare Geometrie und einige wenige, einheitliche Oberflächenmaterialien aus. Der Eingangsbereich des Quartiers wird durch drei der vier Gebäude der Diakovere definiert, deren regelmäßige Lochfassaden mit Klinkermauerwerk in warmen Sandfarben verkleidet wurden. L-förmig im Grundriss stehen zwei der Gebäude in Bezug zueinander und werden von einem quadratischen Bau flankiert. Ein zentraler „Shared Place“, der an einen Marktplatz erinnert, verbindet die Baukörper miteinander.
Durch die Integration von Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Fähigkeiten entsteht eine lebendige und vielfältige Gemeinschaft, die das Sozialgefüge und den Quartierszusammenhalt positiv beeinflusst. Innerhalb der Gebäude wird das „Miteinander“ durch unterschiedliche Nutzungskonzepte wie Demenzstationen, Tagespflege und barrierefreie Wohnungen in verschiedenen Größen fortgesetzt. In den Erdgeschossen befinden sich Einrichtungen der Nahversorgung wie Bäcker, Florist, Friseur und Supermarkt. Frank Focke betont die positive Resonanz der Bewohner*innen auf das neue Quartier: „Die Menschen fühlen sich sehr wohl und haben dort ein neues Zuhause gefunden. Sie loben insbesondere die Offenheit der Räume. Die Anordnungen im Grundriss und in der Kubatur führen zu Nachbarschaft, also zu Blickbeziehungen und damit visueller Kommunikation.“
Effiziente Bauweise mit regionalen Ressourcen
Für die vier Gebäude der Diakovere erwies sich das KS-Quadro System von KS-Original als optimale Materialwahl. Denn das modulare Bauprinzip des Kalksandsteins erlaubt eine effiziente Raumplanung, die sich optimal an die Bedürfnisse der Bewohner*innen anpassen lässt. So wurden von den Wohnungstrennwänden über Flurtrennwände bis hin zum Kellergeschoss durchweg die großformatigen Kalksandsteine verwendet. In Hinblick auf die Wohnungs- und Fachkräfteknappheit erwies sich das System ebenfalls als richtige Wahl, ermöglicht das Mauern mit Versetzkran doch einen zügigen Baufortschritt sowie eine geringe Baustellenbesetzung.
Neben diesen baupraktischen Vorteilen bietet Kalksandstein auch erstklassige Rohdichte- sowie Druckfestigkeitswerte. Focke unterstreicht: „Kalksandstein erlaubt es uns, mit vergleichsweise dünnen Wänden zu bauen, was maßgeblich zur Flächeneffizienz beiträgt. Dieser Baustoff bietet nicht nur einen hohen Schallschutz und ermöglicht schnelles Bauen, sondern auch sein Beitrag zur Nachhaltigkeit ist uns wichtig. In der Region Hannover ist Kalksandstein weit verbreitet. Daher war es eine logische Entscheidung, auf dieses lokale Produkt zurückzugreifen, anstatt Materialien von weit her zu transportieren.“ Der energetische Aspekt ist ebenfalls nicht zu vernachlässigen, erfüllen die Gebäude doch den Effizienzhausstandard 70 bzw. 55.
Architekt Focke fasst das Projekt rückblickend zusammen: „Es ist ein Privileg, ein Projekt vom ersten Entwurf bis zur Schlüsselübergabe begleiten zu dürfen. Das Feedback der Menschen, die dort leben, ist unbezahlbar. Es ist das, was uns als Architekten glücklich und dankbar macht.“