Renaissance des Wohnungsbaus für Beschäftigte
Alte Idee mit neuen Chancen für Arbeitgebende und die Wohnungs- und Bauwirtschaft
Wohnungs- und Fachkräftemangel sind eine Herausforderung
Die Wohnungsfrage ist zu einer zentralen Frage auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland geworden. Werks- und Mitarbeiterwohnungen können die Situation in angespannten Wohnungsmärkten verbessern und einen Mehrwert bei der Fachkräftegewinnung und Mitarbeiterbindung bieten. Die Bereitstellung von Wohnraum kann ein gutes, vielleicht sogar das entscheidende Argument sein.
Bedarfe sind regional und sektoral differenziert
Angesichts der Fachkräfteengpässe können Unternehmen heute nicht mehr aus einer Vielzahl an Interessierten auswählen. Vielmehr suchen sich die Bewerbenden das passende Unternehmen aus. Besonders betroffen vom Fachkräftemangel sind die Berufsbereiche „Gesundheit, Soziales, Lehre und Erziehung“ sowie „Bau, Architektur, Vermessung und Gebäudetechnik“.
Auch regional sind die Wohnungsmärkte und der Fachkräftemangel unterschiedlich stark ausgeprägt. Junge gut ausgebildete Fachkräfte möchten in Städten leben, umgekehrt haben weniger städtisch geprägte Regionen Schwierigkeiten, Arbeitslose aus den städtischen Ballungszentren für sich zu gewinnen.
Wohnen für Mitarbeitende erleichtert die Gewinnung von Fachkräften
Die Wohnraumversorgung kann bei der Suche und Bindung von Mitarbeitenden eine entscheidende Rolle spielen. Sie hat damit letztlich auch Auswirkungen auf den wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen. Denn mit einem Wohnungsangebot können inländische Fachkräftepotenziale auch aus anderen Regionen gewonnen werden. Für Fachkräfte aus dem Ausland kann es ebenfalls ausschlaggebend sein, ob passender Wohnraum zur Verfügung steht.
Arbeitgebende kennen die Bedarfe ihrer Belegschaften am besten und können zielgenaue Angebote bereitstellen. Dennoch bieten über 80 % der Unternehmen ihren Mitarbeitenden bisher keine Unterstützungsmaßnahmen an.
Werkswohnungsbau als Antwort auf den Wohnungs- und Fachkräftemangel
Die Bereitstellung von Wohnraum für Mitarbeitende hat eine lange Tradition. Seinen Ursprung hat die Schaffung von Wohnraum für Mitarbeitende in der Industrialisierung. Der Werkswohnungsbau wurde immer dann besonders relevant, wenn insgesamt ein Wohnungsmangel vorherrschte.
Den bisherigen Höchststand erfuhr der Werkswohnungsbau in Westdeutschland ab 1945. Die Anzahl der Werkswohnungen wurde in den 1970er Jahren auf 350.000 bis 450.000 Wohneinheiten geschätzt. Später entspannte sich die Situation auf dem Wohnungsmarkt, so dass immer mehr Unternehmen ihre Wohnungen verkauften. Die Personalgewinnung für Arbeitgebende war, wie auch die Wohnungssuche für die Arbeitnehmenden, vergleichsweise einfach. Sowohl der Wohnungs- als auch der Arbeitsmarkt waren „entspannt“. Unternehmen konzentrierten sich in den 1980er und 1990er Jahren zunehmend auf ihr Kerngeschäft. Anfang der 2000er Jahre galten Werkswohnungen als veraltetes Modell.
„Wiederentdeckung“ des Wohnungsbaus für Mitarbeitende
Mit zunehmendem Druck auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt wird das Wohnen für Mitarbeitende derzeit wieder verstärkt diskutiert.
Die Motive sind eng mit den Motiven zur Schaffung von Werkswohnungen der Industrialisierung verbunden. Neben der Fachkräftegewinnung sind für Arbeitgebende bspw. Überlegungen wie die engere Bindung an das Unternehmen und die Verringerung der Fluktuation relevant. Für die Arbeitnehmenden sind Aspekte wie der Zugang zu Wohnraum und ggf. geringere Wohnkosten oder auch die Nähe zur Arbeitsstätte ein Anreiz.
Umsetzung - Chancen für neue Partnerschaften
Einige gut erprobte und erfolgsversprechende Unterstützungsmöglichkeiten gibt es bereits.
Arbeitgebende können auf eigenen Flächen bauen oder bauen lassen. Doch der organisatorische und finanzielle Aufwand eigener Bauprojekte schreckt viele Unternehmen ab. Erfahrene Akteure der Branche stellen deshalb gerne ihre Expertise zur Verfügung und arbeiten mit Arbeitgebenden zusammen.
Diese müssen nicht selbst als Eigentümer und Vermieter auftreten. Sie können zum Beispiel in Kooperation mit Partnern Wohnraum zur Verfügung stellen oder unterstützen bei der Schaffung von Wohnraum.
Wohnungsunternehmen und Genossenschaften können gezielt Belegungsbindungen für Mitarbeitende anbieten. Bauträger haben Projekte „in der Pipeline“, die mit Impulsen von Unternehmen zügig realisiert werden könnten. Auch niedrigschwellige Maßnahmen ohne eigene Bau-Investitionen sind möglich, z. B. Unterstützung bei der Wohnungssuche oder bei der Gründung von Genossenschaften.
Förderung durch Bund und Länder
Bund, Länder und Kommunen gestalten die Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau und setzen wichtige Akzente für den bezahlbaren Wohnungsbau. Die Förderungen können – wo es passend ist – von Arbeitgebenden genutzt werden.
Auszubildende und Studierende sind als Fachkräfte von morgen eine zentrale Zielgruppe. Daher stehen in 2023 und 2024 im Sonderprogramm Junges Wohnen erstmalig jeweils 500 Mio. Euro für die besonders dringliche Schaffung und Modernisierung von Studierenden- und Auszubildendenwohnheimen zur Verfügung. Für den klassischen sozialen Wohnungsbau stellt der Bund den Ländern allein im Jahr 2024 zusätzlich 3,15 Mrd. Euro zur Verfügung. Die Länder gestalten die Programme entsprechend ihrer regionalen Bedarfe aus. Arbeitgeber können wie alle anderen privaten Bauherren auch mit Mitteln des sozialen Wohnungsbaus bauen, wenn sie dafür Miet- und Belegungsbindungen der Wohnungen eingehen.
Nicht nur für kleinere Unternehmen könnte ein anderes Programm interessant sein: Arbeitgebende können ihre Mitarbeitenden bei der Gründung von Genossenschaften unterstützen: Dies sichert den Mitarbeitenden langfristig bezahlbares Wohnen. Der Bund fördert über die KfW den Erwerb von Genossenschaftsanteilen. Dafür stehen in 2024 15 Mio. Euro zur Verfügung.
Alle Anbieter von Wohnungen können die KfW-Programme für den Wohnungsbau und die Sanierung nutzen, zum Beispiel die Neubauförderung des Bundes. Gefördert wird außerdem der klimafreundliche Neubau, Familien werden bei der Eigentumsbildung unterstützt.
Zusätzlich regelt das Steuerrecht die Sonderabschreibung für den Mietwohnungsbau und die steuerliche Begünstigung bei verbilligter Überlassung von Mitarbeiterwohnungen. Im Einzelfall können bei Baudenkmälern spezifische Regelungen greifen, sowie steuerliche Regelungen für Klimaschutzmaßnahmen, z.B. Photovoltaikanlagen. Je nach Unternehmensform können andere steuerliche Rahmenbedingungen relevant sein.
Bestandsaufnahme zum Wohnen für Mitarbeitende in Deutschland
Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat im Auftrag von BMWSB und BBSR eine „Bestandsaufnahme des Mitarbeiterwohnungsbaus zur Fachkräftesicherung in der Bundesrepublik Deutschland“ durchgeführt. Mit dem Projekt werden erstmals quantitative vertiefte Erkenntnisse über Bedeutung, Verteilung und Potentiale des Mitarbeiterwohnens gewonnen.
Dazu berichten wir in einer der nächsten Ausgaben.
Projektleiterin im BBSR ist Frau Anna-Maria Müther. Informationen zum Projekt unter www.bbsr.bund.de