Wohnungsmangel trifft auf Fachkräfteengpässe

Bisher gibt es nur sehr wenige Erkenntnisse darüber, wie viele Unternehmen sich aktuell mit dem Thema Wohnungsbau für Mitarbeitende beschäftigen. Ein Forschungsprojekt des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung liefert nun fundierte Erkennisse.

Das Thema Wohnen für Mitarbeitende erfährt aktuell wieder mehr Aufmerksamkeit. So finden sich in der Berichterstattung der Presse Titel wie „Die Wohnung wird zum Köder“[1] oder große Maklerunternehmen informieren über das „Comeback des Mitarbeiterwohnen“[2].

Der Werkswohnungsbau hat in Deutschland eine lange und international anerkannte Tradition. Zu erinnern ist etwa an die Krupp‘sche Siedlung in Essen, die als eines der frühesten und bekanntesten Beispiele in den 1860er Jahren entstanden ist. Bereits in Zeiten der Industrialisierung war es eine Antwort auf die drängenden Wohnungsfragen und die gleichzeitigen Engpässe bei der Fachkräftegewinnung. Mit einer geschätzten Zahl von 350.000 bis 450.000 Wohneinheiten erlebte der klassische Werkswohnungsbau in den 1970er Jahren seinen Höchststand[3]. In den folgenden Jahrzehnten entspannte sich die Situation auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt und viele Unternehmen verkauften ihre Wohnungsbestände.

Mit steigenden Wohnungspreisen nimmt der Druck auf dem Wohnungsmarkt seit ca. 2011 zu. Insbesondere in Großstädten und Ballungsgebieten schlägt sich das in vergleichsweise hohen Wohnkosten sowie Schwierigkeiten bei der Suche nach geeignetem Wohnraum nieder. Gleichzeitig stellt der Fachkräftemangel viele Unternehmen zunehmend vor die Herausforderung geeignetes Personal zu akquirieren. Aufgrund des demographischen Wandels wird sich dieser Trend noch weiter verstärken, so dass Unternehmen bei der Fachkräftegewinnung kreativer werden und unterschiedliche Anreize bieten möchten.

Das Thema Wohnen für Mitarbeitende bildet einen Lösungsansatz und kann eine gemeinsame Antwort auf die drängenden Fragen zum Wohnungsangebot und zur Fachkräftegewinnung liefern. Um die Potenziale umfassend zu heben und alle Akteure entsprechend zu unterstützen, ist es wichtig zu erfassen, wie das Mitarbeiterwohnen in Deutschland heute ausgestaltet ist und welche Handlungsansätze möglich sind.

Forschungsprojekt liefert vertiefte Einblicke

Doch bisher gibt es nur sehr wenige Erkenntnisse darüber, wie viele Unternehmen sich aktuell mit dem Thema Wohnungsbau für Mitarbeitende beschäftigen. Darüber hinaus liegen nur begrenzte Informationen über die damit gesammelten Erfahrungen vor. Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) hat zur Analyse dieser Wissenslücken das Forschungsprojekt „Bestandsaufnahme des Wohnungsbaus für Mitarbeitende zur Fachkräftesicherung in der Bundesrepublik Deutschland“ initiiert und mit der Durchführung das Institut der deutschen Wirtschaft beauftragt, dessen Ergebnisse in den nachfolgenden Ausführungen dargestellt werden.

Da keine amtlichen Statistiken oder andere Datenquellen für das Wohnen für Mitarbeitende vorliegen, mussten die erforderlichen Informationen im Rahmen des Forschungsprojekts erhoben werden. Die Herausforderung dabei bestand darin, dass ex ante eine geringe Anzahl an aktiven Unternehmen zu erwarten war. Entsprechend hätte eine sehr große Anzahl an Unternehmen befragt werden müssen, um belastbare Ergebnisse zu erhalten. Daher wurde die Erhebung über zwei Befragungen durchgeführt. Zum einen wurde eine vergleichsweise große Anzahl an Erwerbspersonen gefragt, ob und wie sie von ihrem Arbeitgeber beim Wohnen unterstützt werden. Zum anderen wurde mit einem umfangreicheren Fragebogen Unternehmen angesprochen, um z. B. Informationen über den Umfang und die regionale Verteilung der Bestände des Unternehmens oder bestehende Anreize oder Hemmnisse zu erhalten.

Das Forschungsprojekt befindet sich derzeit in der Abschlussphase. Eine ausführliche Darstellung der Erhebungsmethodik wird in der vorgesehenen Veröffentlichung in der BBSR-Schriftenreihe „BBSR online Publikation“ zu finden sein, welche für Herbst 2024 geplant ist.

Jedes 20. Unternehmen unterstützt Mitarbeitende durch Wohnungsangebote

Als Grundlagenanalyse stellte sich bei der Bearbeitung des Forschungsprojekts zunächst die Frage, wie das Thema Wohnen für Mitarbeitende ein- und abgegrenzt werden soll. Das Mitarbeiterwohnen ist – gegenüber der klassischen Werkswohnung – heutzutage deutlich breiter gefasst. Bei der Werkswohnung war das Unternehmen Eigentümer der Wohnungen und errichtete diese möglichst in Werksnähe. Die moderne Interpretation geht darüber hinaus und kann als neue Version eine wichtige Säule bei der Wohnraumversorgung bilden. 

Das Mitarbeiterwohnen kann dann einen wertvollen Beitrag zur Ausweitung des Wohnungsbestands leisten, wenn Neubauprojekte umgesetzt werden. Dabei kann das Unternehmen als Bauherr auftreten und dies gegebenenfalls über ein Tochterunternehmen organisieren oder auch Wohnungen durch Projektentwickler neu errichten lassen. Möglicherweise können auch Flächenpotenziale gehoben werden, die für den üblichen Wohnungsbau sonst nicht in Betracht kommen – wie nicht mehr genutzte Gewerbeflächen auf Unternehmensgrundstücken.

Die Ausgestaltungsmöglichkeiten gehen jedoch über den Wohnungsneubau hinaus und es gibt vielfältige Umsetzungsmodelle sowohl im Neubau als auch im Bestand. So sind die Anmietungen von Wohnungen über die Kooperation mit örtlichen Wohnungsunternehmen oder der Ankauf von Belegungsrechten weitere Alternativen. Auch indirekte Maßnahmen wie die Nutzung von „Schwarzen Brettern“ oder die Unterstützung bei der Wohnungssuche durch Maklerinnen und Makler können einen wichtigen Beitrag leisten.

Eine zentrale Frage des Forschungsprojektes ist, wie viele Unternehmen heute aktiv sind. Auf Grundlage der Befragungen konnte repräsentativ hochgerechnet werden, dass derzeit 5,2 Prozent der Unternehmen ihre Mitarbeitenden direkt durch konkrete Wohnungsangebote unterstützen. Dies entspricht rund 675.000 Wohnungen und rund 46.000 weiteren Wohnheimplätzen für (junge) Mitarbeitende. Dabei sollte beachtet werden, dass diese Bestandshochrechnungen nicht mit der Anzahl der Werkswohnungen aus der Vergangenheit vergleichbar sind. Denn das Wohnen für Mitarbeitende umfasst – wie oberhalb beschrieben – auch Maßnahmen wie die An- und Weitervermietung, bei der die Unternehmen selbst kein Eigentum erwerben und somit weitaus mehr Optionen haben als das klassische Werkswohnen. So müssen die Unternehmen beispielsweise nicht Eigentümer der Wohnung sein. Weitere 11,6 Prozent der Unternehmen unterstützen ihre Mitarbeitenden durch indirekte Maßnahmen wie Tauschbörsen.

Die Praxis spiegelt die Vielfältigkeit der Unterstützungsmaßnahmen wider. Denn 44 Prozent der aktiven Unternehmen geben an, dass sie Wohnungen an- und weitervermieten. Ebenso viele Unternehmen kaufen Wohnungen und vermieten diese an ihre Mitarbeitenden. Mit 17 Prozent liegt der Neubau von Wohnungen deutlich niedriger, ebenso der Erwerb von Belegrechten mit 8 Prozent. Dabei muss beachtet werden, dass Unternehmen sich nicht zwangsläufig auf eine Handlungsstrategie festlegen und sich die verschiedenen Möglichkeiten ergänzen können.

Im Austausch mit (noch) nicht aktiven Unternehmen stellt sich oft die Frage nach der Ausgestaltung des Mietverhältnisses und insbesondere wie damit umgegangen werden kann, wenn Mitarbeitende das Unternehmen verlassen. Bereits aktive Unternehmen berichten, dass auch hier zahlreiche Umsetzungsmöglichkeiten existieren und in der Regel für beide Seiten bedarfsgerechte Lösungen gefunden werden. In der Befragung zeigte sich, dass rund die Hälfte der aktiven Unternehmen ein unbefristetes Mietverhältnis anbieten. Die weiteren Unternehmen setzen z. B. zweckbefristete oder zeitlich befristete Mietverhältnisse um.

In der Gesamtschau kann das Wohnen für Mitarbeitende differenziert und an die jeweiligen Bedürfnisse und Voraussetzungen der Unternehmen umgesetzt werden. Dies bietet v. a. auch für kleine und mittlere Unternehmen bzw. allgemein für Unternehmen, die bei der Umsetzung noch zurückhaltend sind, die Möglichkeit in dem Thema aktiv zu werden. Denn nicht immer muss oder kann eine eigene Abteilung und entsprechende Personalkapazitäten bereitgestellt werden. So kann bspw. über Anmietung von Wohnungen oder den Ankauf von Belegungsrechten die Bewirtschaftung der Immobilien weitestgehend ausgelagert und dennoch ein attraktives Angebot für die Mitarbeitenden geschaffen werden.

Mit Blick auf die Ausweitung des Wohnungsangebotes sind die Neubauaktivitäten (eigener Wohnungsbau oder Erwerb von Neubauten) der Unternehmen ausschlaggebend. Die Befragung zeigt, dass jede vierte Wohnung zur Bestandserweiterung beiträgt. Bezieht man diese Aussage auf die Hochrechnung der Mitarbeiterwohnungen, ist davon auszugehen, dass in den letzten zehn Jahren etwa 161.000 Wohnungen durch Unternehmen für ihre Mitarbeitenden neu errichtet wurden.

Neue Mitarbeitende aus dem Ausland sind besonders im Fokus

Die vielfältigen Möglichkeiten zur Ausgestaltung der Unterstützung spiegeln sich auch in den Zielgruppen wider. So wenden sich aktive Unternehmen an unterschiedliche Zielgruppen. In der Praxis zeigt sich, dass Unterstützung beim Wohnen v. a. bei der internationalen Fachkräftegewinnung eine wichtige Maßnahme ist. So richten etwa 54 Prozent der direkt aktiven Unternehmen ihre Angebote gezielt an neue Mitarbeitende aus dem Ausland. Auch neue Mitarbeitende aus dem Inland (40 Prozent) sind eine wichtige Zielgruppe. Grundsätzlich erscheint die Fokussierung auf neue Mitarbeitende sinnhaft, da sich diese oftmals neu auf dem Wohnungsmarkt orientieren müssen. Insbesondere für ausländische Fachkräfte stellt dies eine Hürde dar.

Aus der Vielfältigkeit der Unterstützungsangebote in Kombination mit den unterschiedlichen Zielgruppen folgt, dass jedes Unternehmen, unabhängig von der Größe oder Branchenzugehörigkeit geeignete Lösungen und Angebote finden kann, um die eigenen Mitarbeitenden beim Thema Wohnen zu unterstützen. Die Vielfältigkeit der Zielgruppen verdeutlicht, dass das Wohnen für Mitarbeitende ein wichtiges Instrument zur Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden ist. Darüber hinaus bewerten aktive Unternehmen die Auswirkungen der Angebote auf die Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden als ausgesprochen wirksam. So geben 50,1 Prozent der Unternehmen an, dass die Gewinnung und Bindung von jungen Mitarbeitenden (Auszubildende und dual Studierende) durch Wohnungsangebote (deutlich) einfacher ist. Bei den sonstigen Mitarbeitenden ist der Effekt nur unwesentlich geringer (45,7 Prozent).

(Noch) nicht aktive Unternehmen benennen organisatorischen und finanziellen Aufwand

Trotz dieser positiven Einschätzung der aktiven Unternehmen sehen sich Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden (noch) nicht unterstützen verschiedenen Hemmnissen gegenüber.  Dies kann eigenen Unterstützungsangeboten im Wege stehen. Dabei zeigt sich in der Praxis, dass die Furcht vor hohem organisatorischem und finanziellem Aufwand Unternehmen abschrecken. Mit Blick auf die im wohnungspolitischen Kontext diskutierten Themen wären eher Hemmnisse wie fehlendes Bauland, die Zinsentwicklung oder Unsicherheiten in der Förderlandschaft an erster Stelle zu erwarten gewesen. Es ist zu vermuten, dass die Unternehmen bei der ersten Hürde zur Klärung der Informationsbedarfe und organisatorischen Fragen „hängen bleiben“. Im nächsten Schritt bleibt die Frage nach der Finanzierbarkeit und des geeigneten Baulands bestehen. 

Informationen und Vernetzung sind gefragt

Zwar sind die Möglichkeiten die eigenen Mitarbeitenden beim Wohnen zu unterstützen ausgesprochen vielfältig und auch vergleichsweise praktikabel durch Kooperationen mit Partnern zu bewältigen. Dennoch sind diese Optionen vielen Unternehmen offenbar nicht bekannt bzw. bestehen Informationslücken. Hieraus leitet sich eine hoher Informationsbedarf zur Aufklärung und Sensibilisierung der Unternehmen ab. Dies umfasst zum einen die Möglichkeiten der konkreten Umsetzung – wie Kooperationsmodelle, Ausgestaltung der Mietverträge, steuerliche Rahmenbedingungen. Zum anderen sollte verstärkt über Fördermöglichkeiten aufgeklärt werden – wobei im Grundsatz gilt, dass Arbeitgebende alle gängigen Förderungen in Anspruch nehmen können, wie z. B. die soziale Wohnraumförderung oder KfW-Mittel.

Dennoch gaben Unternehmen auch an, dass sie sich mehr Förderung für eine (noch) aktivere Befassung mit dem Thema Wohnen für Mitarbeitende wünschen. Dies umfasst auch steuerliche Vorteile, was eine weitere Informationslücke deutlich macht. Denn dieses Ergebnis überrascht, da der Gesetzgeber 2020 die Unterstützungsmaßnahmen steuerlich bereits spürbar gestärkt hat. So ist der geldwerte Vorteil, der aus einer günstigen (Weiter-)Vermietung an die Mitarbeitenden resultiert, innerhalb bestimmter Grenzen, steuerfrei. Auch hieraus lässt sich ein hoher Informationsbedarf ableiten. Der geldwerte Vorteil gilt allerdings nicht für den Erwerb von Belegrechten. Eine entsprechende Änderung würde diese, gerade für kleinere und mittlere Unternehmen attraktive Option, stärken. Zeitgleich würden die kooperierenden Wohnungsunternehmen durch den Preis für die Belegrechte neues Eigenkapitel für weitere Investitionen erhalten.

In der Gesamtschau wird deutlich, dass die Unternehmen beim Thema Wohnen für Mitarbeitende stärker unterstützt werden sollten, um die Potentiale bei der Wohnraumversorgung zu realisieren. Es bedarf vor allem der Bereitstellung von Informationen und der Vernetzung verschiedener Akteure unter anderem aus Politik, Verbänden, Wohnungswirtschaft und Kommunen, um Unternehmen vorhandene Fördermöglichkeiten besser aufzuzeigen und für die Vielfältigkeit der Handlungsoptionen zu sensibilisieren. Dementsprechend geht es im Kern darum, wie Unternehmen motiviert, informiert und gestärkt werden können, um als Akteur auf dem Wohnungsmarkt noch stärker aktiv zu werden.

Quellenverzeichnis

[1] IZ 15/2024 vom 11. April 2024 https://www.iz.de/maerkte/news/-die-wohnung-wird-zum-koeder-2000024543

[2] News von Engel und Völkers: https://www.engelvoelkers.com/de-de/hannovercommercial/blog/comeback-der-mitarbeiterwohnung/

[3] Vgl. https://www.gdw.de/uploads/pdf/publikationen/Studie_Wirtschaft_macht_Wohnen_22042016.pdf

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