Urteile: Räumung einer Wohnung, Härtefall, Suizidgefahr
Räumung einer Wohnung, Härtefall, Suizidgefahr
BGB § 574 Abs. 1 Satz 1, § 574a
Zu den Anforderungen an die gerichtliche Prüfung des Vorliegens einer nicht zu rechtfertigenden Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB bei der ernsthaften Gefahr eines Suizids des Mieters im Falle einer Verurteilung zur Räumung der Wohnung (im Anschluss an Senatsurteil vom 26. Oktober 2022 - VIII ZR 390/21).
BGH, Urteil vom 10. April 2024 - VIII ZR 114/22 – (LG Detmold)
Zum Sachverhalt:
[1] Der Beklagte zu 1 ist seit dem Jahr 1988 Mieter einer im Dachgeschoss gelegenen Zweizimmerwohnung des Klägers in L. . Er bewohnt diese gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin, der Beklagten zu 2.
[2] Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 24.10. 2019 die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31. Juli 2020 wegen Eigenbedarfs. Die Beklagten widersprachen der Kündigung fristgemäß. Zur Begründung führten sie unter anderem aus, die Kündigung stelle für sie eine besondere Härte dar, weil ein Umzug aufgrund ihrer gesundheitlichen sowie finanziellen Situation „schlicht unmöglich“ sei.
[3] Mit seiner Klage hat der Kläger die Beklagten auf Räumung und Herausgabe der Wohnung in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht nach Einholung eines schriftlichen psychiatrischen Sachverständigengutachtens und ergänzender Anhörung des Sachverständigen zurückgewiesen.
[4] Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Erwerb von Miteigentumsanteil Minderjähriger an nicht vermietetem Eigentumsanteil ohne Beteiligung Eltern
BGB §§ 107, 181, 748, 1629 Abs. 2 Satz 1, § 1809 Abs. 1, § 1824 Abs.1 Nr. 1, Abs. 2
a) Der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem nicht vermieteten oder verpachteten Grundstück durch einen Minderjährigen ist lediglich rechtlich vorteilhaft i.S.v. § 107 BGB.
b) Möchte ein Elternteil einen Miteigentumsanteil an einem ihm gehörenden weder vermieteten noch verpachteten - Grundstück auf sein minderjähriges Kind übertragen, muss die von den Eltern des Minderjährigen in dessen Namen erklärte Auflassung nicht durch einen Ergänzungspfleger genehmigt werden (Bestätigung von Senat, Beschluss vom 25. November 2004 V ZB 13/04, BGHZ 161, 170).
BGH, Beschluss vom 18. April 2024 - V ZB 51/23 – (KG)
Aus den Gründen:
[1] I. Der Beteiligte zu 1 ist Eigentümer des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundstücks. Die Beteiligten zu 3 und 4 sind die gemeinsamen minderjährigen Kinder des Beteiligten zu 1 und seiner Ehefrau, der Beteiligten zu 2. Mit notariell beurkundeter Vereinbarung vom 20.12.2022 übertrug der Beteiligte zu 1 das Grundstück schenkweise zu je hälftigem Miteigentum an die Kinder. Diese wurden durch die Beteiligten zu 1 und 2 vertreten, zu deren Gunsten zugleich die Eintragung eines lebenslangen Nießbrauchs bewilligt wurde. Der Notar reichte die Urkunde mit der Bitte um entsprechende Eintragungen bei dem Grundbuchamt ein.
[2] Das Grundbuchamt hat durch Zwischenverfügung vom 2.1.2023 die Eintragung der Rechtsänderung - soweit noch von Interesse - von der Genehmigung der Auflassung an die Beteiligten zu 3 und 4 durch einen für jedes Kind noch zu bestellenden Ergänzungspfleger abhängig gemacht. Das KG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten ihren Eintragungsantrag weiter.
Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks für Photovoltaik - Freiflächenanlage
GrdstVG § 9 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4
a) Auch bei einem freihändigen Verkauf eines landwirtschaftlichen Grundstücks ohne Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens ist in der Regel davon auszugehen, dass ein grobes Missverhältnis im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG vorliegt, wenn der vereinbarte Kaufpreis den Marktwert des Grundstücks um mehr als die Hälfte überschreitet (Fortentwicklung von Senat, Beschluss vom 27. April 2018 - BLw 3/17, NJW-RR 2018, 848 Rn. 11).
b) Der in § 9 Abs. 4 GrdstVG vorgesehene Ausschluss einer Versagung der Genehmigung nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 GrdstVG setzt voraus, dass der Erwerber imstande ist, das außerlandwirtschaftliche Vorhaben durchzuführen. Hierzu gehört, dass es nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften gegenwärtig oder wenigstens in Kürze zulässig ist (Bestätigung von Senat, Beschluss vom 2. Juli 1968 - V BLw 9/68, NJW 1968, 2057, 2058).
GrdstVG § 9 Abs. 6
a) Ebenso wie die Energiegewinnung durch Windenergie gehört auch die Energiegewinnung durch Photovoltaik zum Ausbau einer die Umwelt schonenden Energieversorgung und damit zu den im Sinne des § 9 Abs. 6 GrdstVG zu berücksichtigenden allgemeinen volkwirtschaftlichen Belangen (Fortführung von Senat, Beschluss vom 15. April 2011 - BLw 12/10, NJW-RR 2011, 1522 Rn. 16).
b) Ein dem Bau und dem Betrieb einer genehmigungspflichtigen Photovoltaik-Freiflächenanlage dienender Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundstücks entspricht nur dann volkswirtschaftlichen Belangen im Sinne von § 9 Abs. 6 GrdstVG, wenn die Anlage nach den einschlägigen Vorschriften auch errichtet werden darf. Dazu bedarf es einer Prognose über die Erteilung der Anlagegenehmigung (Fortführung von Senat, Beschluss vom 15. April 2011 - BLw 12/10, NJW-RR 2011, 1522 Rn. 21).
BGH, Beschluss vom 12. April 2024 - BLw 2/22 - (OLG Frankfurt am Main)
Bildung von Wohnungseigentum in Gebieten mit angespannten Wohnungsmärkten, fehlende Genehmigung bei Eintragungsantrag
BGB § 878; WEG § 8; BauGB § 250; GBO § 71 Abs. 1, § 74
§ 878 BGB ist auf die sich aus dem Genehmigungserfordernis auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 250 Abs. 1 Satz 1, 3 BauGB ergebende Verfügungsbeschränkung des teilenden Grundstückseigentümers entsprechend anwendbar.
War die Zurückweisung des Eintragungsantrags rechtsfehlerfrei und wird der zurückweisende Beschluss lediglich aufgrund neuer Tatsachen aufgehoben, ist die nicht fristgebundene Grundbuchbeschwerde wie ein neuer Antrag zu behandeln. Infolgedessen ist eine nach Stellung des Antrags auf Vollzug einer Teilungserklärung in Kraft getretene Umwandlungsverordnung im Sinne von § 250 Abs. 1 Satz 1, 3 BauGB zu beachten, wenn eine Beschwerde gegen die Zurückweisung des Antrags nur deshalb erfolgreich ist, weil die Abgeschlossenheitsbescheinigung erstmals im Beschwerdeverfahren beigebracht wird. Das Grundbuchamt darf dann gemäß § 250 Abs. 5 Satz 1 BauGB die Eintragung nur bei Nachweis einer Genehmigung vornehmen.
BGH, Beschluss vom 21. März 2024 - V ZB 10/23 – (KG)
Aus den Gründen:
[1] A Die Beteiligte ist Eigentümerin des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten bebauten Grundstückes, dessen Teilung gemäß § 8 WEG sie betreibt. Das Grundstück befindet sich in dem Geltungsbereich der auf der Grundlage von § 250 Abs. 1 Satz 3 BauGB erlassenen Berliner Umwandlungsverordnung vom 21.9.2021 (GVBl. 2021 S. 1175), die am 7.10.2021 in Kraft getreten ist.
[2] Im September 2020 beantragte die Beteiligte bei dem Bezirksamt die Erteilung einer Abgeschlossenheitsbescheinigung. Im Januar 2021 beanstandete das Bezirksamt Unstimmigkeiten der Aufteilungspläne. Am 29.6.2021 erklärte die Beteiligte die Teilung in Wohnungseigentum und beantragte mit am 6.7. 2021 eingegangenem Schreiben des bevollmächtigten Notars den Vollzug der Teilung im Grundbuch. Mit Zwischenverfügung vom 7.7.2021 wies das Grundbuchamt auf das Fehlen der Abgeschlossenheitsbescheinigung hin und setzte eine Frist von zwei Monaten. Mit Schreiben vom 13. 9.2021 beantragte die Beteiligte unter Hinweis auf erhebliche Verzögerungen bei dem Bezirksamt und für sie unvorhergesehene Beanstandungen erfolglos eine Verlängerung dieser Frist.
[3] Mit Beschluss vom 13.10.2021 hat das Grundbuchamt den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Auf die am 30.11.2022 unter Vorlage der im September 2022 erteilten Abgeschlossenheitsbescheinigung eingelegte Beschwerde der Beteiligten hat das Kammergericht den Zurückweisungsbeschluss aufgehoben und das Grundbuchamt angewiesen, im Wege der Zwischenverfügung eine Genehmigung nach § 250 BauGB anzufordern. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte ihren Antrag auf Vollzug der Teilungserklärung durch Eintragung in das Grundbuch weiter.
Teilung in Wohnungseigentum, Erhaltungssatzung, Angemessenheit einer Frist zur Behebung eines Eintragungshindernisses
GBO § 18, § 71 Abs. 1, § 78; BauGB § 172 Abs. 1 Satz 1; WEG § 8
Eine Zwischenverfügung des Grundbuchamtes, mit der eine Fristverlängerung abgelehnt wird, kann mit der Beschwerde angegriffen werden. Folglich kann nach Zulassung auch Rechtsbeschwerde erhoben werden.
Die Angemessenheit einer Frist zur Hebung eines Eintragungshindernisses richtet sich nicht danach, ob nach Antragstellung der Verlust einer Rechtsposition wegen nachträglicher Verfügungsbeschränkungen droht, sondern danach, wie lange der Zeitraum zur Hebung des Hindernisses nach Grundbuchaktenlage unter Berücksichtigung des Erledigungsinteresses und der Aufgaben des Grundbuchamtes zu bemessen ist.
BGH, Beschluss vom 21. März 2024 - V ZB 17/23 – (KG)
Aus den Gründen:
[1] I. Die Beteiligte ist Eigentümerin des im Eingang dieses Beschlusses bezeichneten bebauten Grundstücks, dessen Teilung gemäß § 8 WEG sie betreibt. Das Grundstück befindet sich in dem Geltungsbereich der auf der Grundlage von § 172 Abs. 1 Satz 1 BauGB erlassenen Erhaltungssatzung „K. park“ vom 14.7.2016 und im Geltungsbereich der auf der Grundlage von § 250 Abs. 1 Satz 3 BauGB erlassenen Berliner Umwandlungsverordnung v. 21.9.2021 (GVBl. 2021, 1175), die am 7.10.2021 in Kraft getreten ist.
[2] Am 27.9.2021 erklärte die Beteiligte die Teilung in Wohnungseigentum und beantragte am 29.9.2021 Vollzug der Teilung im Grundbuch. Mit Zwischenverfügung vom 9. Dezember 2021 wies das Grundbuchamt unter Setzung einer Frist von einem Monat unter anderem auf das Fehlen einer Genehmigung nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB hin. Im Januar 2022 beantragte die Beteiligte bei dem Grundbuchamt die Verlängerung der gesetzten Frist um zwei Monate sowie bei dem Bezirksamt eine Genehmigung nach § 172 Abs. 1 Satz 4 BauGB. Nach im Februar 2022 erfolgter Zurückweisung dieses bei dem Bezirksamt gestellten Antrags und Einlegung eines Widerspruchs durch die Beteiligte verlängerte das Grundbuchamt die Frist antragsgemäß bis Mai 2022.
Gemeinschaftsordnung einer Mehrhausanlage, Vereinbarung über weitgehende Gleichstellung wie Eigentümer
WEG aF § 22 Abs. 1; BGB § 1004 Abs. 1; BauNVO § 10 Abs. 3 Satz 3
Ist in der Gemeinschaftsordnung einer Mehrhausanlage vereinbart, dass die Wohnungseigentümer weitgehend so gestellt werden sollen, als handelte es sich um real geteilte Grundstücke bzw. als wären sie Alleineigentümer, und ist den Wohnungseigentümern eine bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums gestattet, begründet im Zweifel nicht jeder Verstoß gegen eine öffentlich-rechtliche Norm einen Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB; vielmehr muss der Norm Drittschutz zukommen.
Die Festsetzung in einem Bebauungsplan über die Grundfläche der Wochenendhäuser in einem Wochenendhausgebiet ist Teil der Gebietsfestsetzung und hat drittschützenden Charakter.
BGH, Urteil vom 8. März 2024 - V ZR 119/23 – (LG Itzehoe)
Zum Sachverhalt:
[1] Die Klägerin ist eine Gemeinschaft der Wohnungseigentümer (GdWE). Bei der Wohnungseigentumsanlage handelt es sich um eine in Schleswig-Holstein belegene, ehemals städtische Wochenendhaussiedlung. Bei der Aufteilung des Grundstücks im Jahr 2003 durch die Stadt wurden jeweils Sondernutzungsrechte an den mit Wochenendhäusern bebauten Parzellen gebildet und die Miteigentumsanteile an dem Grundstück mit dem Sondereigentum an den Räumen der einzelnen Häuser verbunden. Der Beklagte zu 1 ist Sondereigentümer eines solchen Hauses. Die Teilungserklärung nimmt in der Vorbemerkung auf die Eintragung nicht näher beschriebener Nutzungs- und Bebauungsbeschränkungen Bezug und sieht vor, dass mit bauordnungsrechtlicher Genehmigung errichtete Gebäude Bestandsschutz genießen.