„Wir sind Sparringspartner“
Maike Homberg ist Senior-Expertin für Portfolioanalysen im Energiesprong-Team der dena. Sie erläutert, welche Vorteile das Sanierungsverfahren bietet, warum S3 das Match-Making zwischen Wohnungsunternehmen und Baupartnern verbessert und wie das EU-Projekt Giga Regio Factory die Skalierung vorantreibt.
Rund 30 % aller Mehrfamilienhäuser sind perfekt und 15 weitere prinzipiell für eine serielle Sanierung geeignet. Was sind die Vorteile des Verfahrens?
Maike Homberg: Mit herkömmlichen Verfahren ist diese Mammutaufgabe in so kurzer Zeit nicht zu schaffen. Gefragt sind innovative Lösungen, die die energetische Modernisierung im Bestand auf breiter Ebene schneller vorantreiben. Statt kleinteiliger Einzelleistungen unterschiedlichster Gewerke setzt die serielle Sanierung auf digitale Planung, industrielle Vorfertigung und standardisierte Prozesse. Fassaden-, Dach- und Technikmodule werden im Werk vorgefertigt und auf der Baustelle nur noch montiert.
Drei Viertel der 19 Millionen deutschen Wohngebäude sind entweder gar nicht oder nur unzureichend gedämmt, werden mit Gas oder Öl beheizt und verbrauchen bis zu fünfmal mehr Energie als heutzutage technisch möglich ist. Um die Klimaziele bis 2045 zu erreichen, müssen rein rechnerisch rund 2.400 Gebäude pro Tag energetisch modernisiert werden.
Das Energiesprong-Team der dena ist die erste Anlaufstelle rund um die serielle Sanierung. Welche Unterstützungsleistungen bieten Sie neben der Portfolioanalyse noch an?
Maike Homberg: Wir verstehen uns als Sparringspartner, der der Wohnungswirtschaft während des gesamten seriellen Sanierungsprozesses beratend zur Seite steht. Von der Portfolioanalyse und Baupartnersuche über die Business Case-Berechnung und Fördermittelbeantragung bis zum Monitoring und der Evaluierung. Dieser Service ist ebenso kostenlos wie unterschiedliche Veranstaltungen zum fachlichen und persönlichen Austausch.
Darüber hinaus setzt sich die dena gegenüber der Politik für den Abbau regulatorischer Hürden und Aufbau maßgeschneiderte Förderprogramme ein. Sowohl die Bundesförderung „Serielles Sanieren“ als auch der Bonus für serielles Sanieren im Rahmen der Bundesförderung effiziente Gebäude (BEG) gehen auf die Initiative der dena zurück.
Serielles Sanieren ist ein relativ neues Marktsegment. Wie finden Wohnungs-unternehmen kompetente Baupartner?
Maike Homberg: Einen ersten Überblick bietet die Anbieterdatenbank auf der Energiesprong-Website. Derzeit sind 37 Gesamtlösungsanbieter in der seriellen Sanierung tätig, hinzu kommen etwa 220 Anbieter von seriellen Sanierungskomponenten sowie 70 Architektur- und Planungsbüros. Unser Team unterstützt Wohnungsunternehmen gerne bei der Auswahl geeigneter Bauunternehmen, die bereits ähnliche Gebäudetypen erfolgreich saniert haben.
Es gibt verschiedene serielle Sanierungslösungen von unterschiedlichen Anbietern. Wie lassen sich diese vergleichen und wie finden Wohnungs-unternehmen die optimale Lösung für ihren Gebäudebestand?
Maike Homberg: Um Lösungs- sowie Angebotsvergleiche zu erleichtern und damit das Match-Making zwischen Wohnungs- und Bauwirtschaft zu verbessern, haben wir gemeinsam mit dem GdW und Eco2nomy das Innovationsprojekt Standortbestimmung Serielle Sanierung kurz S3 gestartet. Mit an Bord sind neun Wohnungsunternehmen, deren Gebäudeportfolios optimal für die serielle Sanierung geeignet sind. Dieses S3-Portfolio umfasst 228 Gebäude und 15 Quartiere mit insgesamt 1.147 Wohnungen. Auf der anderen Seite nehmen neun Bauunternehmen an dem Projekt teil.
In einem ersten Schritt haben wir uns einen Überblick verschafft, welche Lösungsvarianten aktuell angeboten werden und zu welchen Konditionen. In einem zweiten Schritt wurde untersucht, welche Lösungsvarianten für welchen Gebäudetyp besonders gut geeignet sind. Parallel dazu haben wir in Workshops mit den Anbietern Formatvorlagen erarbeitet, die einen systematischen Angebots- und Variantenvergleich ermöglichen.
Aus diesem Match-Making sind konkrete Projekte entstanden. Wohnungs- und Bauunternehmen, die Interesse am S3-Projekt haben, können sich gerne bei mir melden. Weitere Mitstreiter sind jederzeit herzlich willkommen.
Wie entwickelt sich der Markt für serielle Sanierungslösungen auf europäischer Ebene?
Maike Homberg: Unter dem Dach der Global Energiesprong Alliance wird das in den Niederlanden entwickelte Sanierungskonzept auf europäischer und internationaler Ebene von Partnerinstitutionen vorangetrieben. Anfang des Jahres wurde die Energiesprong-Initiative mit dem renommierten Gold World Habitat Award der Vereinten Nationen ausgezeichnet. Neben der Würdigung des bisher Erreichten ist der Preis Ansporn, serielles Sanieren weiter voranzutreiben.
Und genau das passiert derzeit auf europäischer Ebene. Im EU-Projekt Giga Regio Factory skalieren zwölf Partner aus Frankreich, Italien, Belgien und Deutschland serielle Sanierungslösungen. Im Rahmen des Projekts wird u. a. ein Open-Source-Tool zur einfachen Erkennung des Gebäudetyps unter Angabe der Adresse entwickelt.
Parallel dazu wird es eine Anbieterplattform geben, die den Wohnungsunternehmen aufzeigt, welche Fabriken Lösungen für das jeweilige Quartier anbieten. Dabei unterstützt das Projekt ebenfalls die wachsende Nachfrage beim Aufbau von regionalen Fabriken mit dem internationalen Energiesprong-Know-how, um Wissenstransfers länderübergreifend zugänglich zu machen.