Bauen mit Kalksandstein

Wohnen, wo einst Bier gebraut wurde

Die Kitzinger Brauhöfe gelten in der nur 25 Autominuten von Würz­burg entfernt liegenden Stadt Kitzingen als Initialzündung für die Innenstadt­entwicklung. Unter Erhalt des Grundcharakters des teils denkmalgeschützten Gebäudeensembles entstanden auf dem 4.000 m² großen Areal inmitten der historischen Altstadt 49 Eigentums­wohnungen.

Bis 1998 war die Bürgerbräu Kitzingen die älteste Exportbierbrauerei in Bayern. Nach Einstellung der Bierfabrikation stand die Industrieanlage fast 20 Jahre leer. Obwohl es für den attraktiven Standort im Herzen von Kitzingen von der Einzelhandelsnutzung bis zum Museum verschiedene Umnutzungsideen gab, fand erst mit einem Seminar der TU München eine differenzierte Auseinandersetzung mit dem Ensemble statt. Die von Prof. Mark Michaeli gemeinsam mit Studierenden erarbeiteten Entwicklungs- und Nutzungskonzepte lieferten erste Impulse. Konkret wurden die Planungen dann 2015 mit einem Architektenwettbewerb, der in enger Abstimmung mit der Stadt und dem Landesamt für Denkmalschutz von der Kitzinger Brauhöfe GmbH veranstaltet wurde. Dem ehemaligen Eigentümer der Bürgerbräu Kitzingen, Jens Fiebig und seiner Familie, war es ein Anliegen, ein passendes Nutzungskonzept für das Brauereigelände zu finden. Gemeinsam mit der KEG Projektentwicklung AG aus Schwaig bei Nürnberg hatte er dafür 2014 die Kitzinger Brauhöfe GmbH gegründet.

Ziel des ausgeschriebenen Architektur-wettbewerbs war es, eine kleinteilige Anlage zu entwickeln, die sich unter Erhalt des Grundcharakters der Brauereigasse in den Stadtkern einfügt. Die Jury entschied sich für den Entwurf von Architekt Walter Sendelbach und seinem Team aus Urspringen bei Marktheidenfeld, dem es mit seinem Wettbewerbsbeitrag am besten gelungen war, die bestehenden Maßstäbe in die neuen Gebäude zu überführen.

Urbanes Wohnquartier mit Tradition

Walter Sendelbach geht mit seinem Architekturkonzept auf den Bestand und die Umgebung ein, ohne dabei anbiedernd oder gar historisierend zu wirken. Sowohl die ehemalige Malztenne als auch Teile eines großen Lagergebäudes werden weitergenutzt und bilden gemeinsam einen Eingang zum Gelände. Die Neubauten erstrecken sich, ausgehend vom Gang zwischen den beiden Gebäuden, in L-förmiger Anordnung, wobei die alte Schlosserei als ebenfalls erhaltungswürdiger Bau an einem Ende des Ensembles einen leicht versetzten Schlusspunkt bildet. Mit der Weiternutzung des Lagergebäudes ging Sendelbach weiter als von der Denkmalschutzbehörde gefordert. „Die Denkmalschutzbehörde hatte lediglich für den Erhalt der großen Giebelfassade plädiert. Mir war es aber wichtig, weitere Teile des noch erhaltenen Mauerwerks in meinem Entwurf zu integrieren“, erklärt der Architekt.

Städtebaulich greift Sendelbach mit der Positionierung der neuen Gebäude die ursprünglichen Strukturen des Brauereiensembles auf und folgt dabei dem Verlauf der Bierkeller. In den Bierkellern gelang es dem Architekten, eine Tiefgarage mit ausreichend Parkplätzen sowie Kellerräumen unterzubringen. Jeweils eigene Treppenhäuser verbinden die insgesamt sechs Gebäude mit der Tiefgarage, so dass das Areal selbst autofrei gestaltet werden konnte. Die Zufahrt befindet sich in einer kleinen Nebengasse, wodurch sie keine negativen Auswirkungen auf die engen Straßen der Altstadt hat.

Städtebaulich perfekt integriert sind auch die Höhenentwicklung und Giebelstellungen des neuen Wohnquartiers. Vereinzelt erscheinen Gebäudeteile wie eingeschoben und wirken dadurch wie ein nachtäglicher Lückenschluss. Zugleich sorgen die Neubauten durch ihre großzügigen Loggien und weit auskragenden Balkone für ein modernes Erscheinungsbild. Die Fassaden wurden mit weißem und grauem Putz bewusst minimalistisch gestaltet, um Alt und Neu gut erkennbar zu machen.

Gelungene Mischung aus massivem Kalksandstein-Mauerwerk und alten Backsteinen

Um die historischen Fassaden zu erhalten, wurden die drei über 100 Jahre alten, in charakteristischen, kleinformatigen Backsteinen errichteten Gebäude, zunächst vollständig entkernt. Anschließend erhielten die Außenwände eine Innendämmung. Der Innenraum wurde gemäß den Anforderungen an die Wohneinheiten mit Kalksandstein neu aufgebaut. Auch für die Rekonstruktion der Außenmauern des Lagerhauses, die aufgrund vorheriger Beschädigungen nicht mehr zu retten waren, sowie für die Neubauten kam Kalksandstein zum Einsatz. Mit dem großformatigen Bausystem KS-Quadro von KS-Original fiel die Entscheidung auf ein System, das wirtschaftliche Verarbeitung mit materialtypischen Stärken wie hohem Brand- und Schallschutz sowie Tragfähigkeit vereint. „Darüber hinaus ist es mir besonders wichtig, dass der Baustoff temperaturausgleichend wirkt“, so Walter Sendelbach. Aufgrund seiner hohen Rohdichte ist Kalksandstein im Sommer wie im Winter ein perfekter, natürlicher Wärmespeicher. Er entzieht der Raumluft überschüssige Wärme, speichert sie und gibt sie bei sinkenden Temperaturen wieder an den Raum ab. „Es ist meine Überzeugung, dass wir von einer Übertechnisierung in Wohngebäuden wegkommen müssen. Das richtige Material, verbunden mit einem vernünftigen Verhältnis von Fenster- zu Wandfläche und Möglichkeiten zur diagonalen Belüftung, kann viel Technik ersetzen, die teuer und wartungsintensiv ist“, so die Überzeugung des Architekten.

Modernes Wohnen mit Industriecharme

Insgesamt entstanden auf dem ehemaligen Brauereigelände in den bis zu fünfgeschossigen Gebäuden auf einer Bruttogrundfläche von 6.800 m2 49 Eigentumswohnungen, von denen 38 barrierefrei sind. Die Grundrisse wurden mit 65 bis 127 m2 auf verschiedene Zielgruppen zugeschnitten und durch eine Penthouse-Wohnung als Aufstockung der alten Schlosserei ergänzt.

Das Bauvorhaben Kitzinger Brauhöfe ist nicht nur durch die Reaktivierung historischer Strukturen und den Verzicht auf weitere Flächenversieglung nachhaltig – auch hinsichtlich der Belebung der Innenstadt wirkte das Projekt wie eine Initialzündung, wie vielfach berichtet wird. Attraktiver Wohnraum ist in der Boom-Region zwischen Würzburg und Nürnberg gefragt. Vor allem ältere Menschen profitieren davon, inmitten der Innenstadt barrierefrei wohnen zu können und Gesundheitsdienstleistungen wie Einkaufsmöglichkeiten direkt vor der Haustür zu haben.

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