„Zunächst braucht es nicht den absoluten Lösungsansatz“
Künstliche Intelligenz (KI) ist eine Schlüsseltechnologie der Zukunft. Sie hat das Potenzial, Services und Prozesse effizienter zu gestalten und Kosten zu senken. Ein konkreter Anwendungsfall für Wohnungsunternehmen liegt im Forderungsmanagement: KI-gestützte Lösungen können Zahlungs- und Mahnprozesse optimieren und die Rückzahlungsquote spürbar erhöhen. Im Gespräch mit dem BundesBauBlatt erklären Rebecca Junker (collect.AI) und Thomas Danz (Aareal Bank), wie die Technologien das Forderungsmanagement auf eine neue Stufe heben können.
Frau Junker, Herr Danz, Künstliche Intelligenz ist für Unternehmen mittlerweile mehr als ein Experimentierfeld. Was macht KI für Wohnungsunternehmen interessant?
Thomas Danz: Die Wohnungswirtschaft steht vor vielen Herausforderungen: steigende Betriebskosten, wirtschaftliche Unsicherheiten und höhere Erwartungen der Mieter an individuelle Lösungen. Parallel dazu ist zu beobachten, dass mit schwankenden Betriebskosten und vor dem Hintergrund der Inflation das Mahnwesen an Bedeutung gewinnt. Künstliche Intelligenz kann hier gezielt unterstützen – beispielsweise im Forderungsmanagement. Durch automatisierte Prozesse, intelligente Analysen und vorausschauende Mahnstrategien lassen sich Zahlungsausfälle reduzieren und Abläufe effizienter gestalten.
Rebecca Junker: Genau. Das konventionelle Forderungsmanagement ist oft kleinteilig und fehleranfällig – und stößt zunehmend an seine Grenzen. Verbraucher erwarten heute mehr Flexibilität, Individualität und Effizienz in der Interaktion mit Vermietern oder Versorgern.
Gemeinsam mit collect.AI bietet die Aareal Bank eine solche KI-basierte Lösung für das Forderungsmanagement an. Wie genau funktioniert die Technologie in diesem Prozess?
Rebecca Junker: Unsere KI-gestützten Smart Assistants nutzen Algorithmen, um anonymisierte Transaktionen, Stammdaten und Kundenfeedback zu analysieren. So gewinnen sie wertvolle Erkenntnisse und optimieren Prozesse effizient. Die KI analysiert das Zahlungsverhalten der Mieter und steuert Erinnerungen sowie Zahlungsaufforderungen individuell über die bevorzugten Kommunikationskanäle: per Post, als E-Mail oder SMS. Zudem bietet unsere Plattform moderne Zahlungsmethoden wie Kreditkarte, PayPal oder SEPA-Lastschrift an, wodurch sich die Zahlungsquote deutlich verbessert.
Für die Nutzerinnen und Nutzer klingt das vielversprechend, aber was hat das Wohnungsunternehmen davon?
Thomas Danz: Plattformlösungen wie diese können dabei helfen, Mahnprozesse zu optimieren, da Kunden zum passenden Zeitpunkt erreicht werden. Unsere Erfahrungen zeigen, dass sich durch den Einsatz von KI-basierter Mahnsoftware die Anzahl der Mahnungen um bis zu 75 Prozent reduzieren lässt. Gleichzeitig sinkt die durchschnittliche Zahlungsdauer um etwa 18 Tage. Diese Zahlen sprechen für sich: Unternehmen reduzieren ihre Gesamtbetriebskosten durch Automatisierung des Prozesses einschließlich moderner Zahlungsmethoden. So lassen sich nicht nur Kosten reduzieren und die Liquidität sichern, sondern auch die Mieterzufriedenheit erhöhen, da mithilfe von KI der Kundenfokus geschärft wird.
Das Forderungsmanagement ist ein recht spezieller Anwendungsfall in der Wohnungswirtschaft. Sollten Wohnungsunternehmen Prozessdigitalisierung nicht ganzheitlicher betrachten?
Rebecca Junker: Es kann sinnvoll sein, sich zunächst auf das Forderungsmanagement zu konzentrieren. Dieser Bereich ist überschaubar, und durch digitale Lösungen lassen sich schnell erste Verbesserungen erzielen. Ein weiterer entscheidender Punkt ist die strategische Nutzung der mittels KI gewonnenen Daten. Unternehmen können besser prognostizieren, welche Mieter möglicherweise Zahlungsschwierigkeiten haben, und frühzeitig Maßnahmen ergreifen. Die gewonnenen Erkenntnisse können dann die Grundlage sein, um angrenzende Prozesse im Zahlungsverkehr zu optimieren und nach und nach eine breitere Digitalisierung umzusetzen.
Thomas Danz: Aus unserer Sicht braucht es zu Beginn nicht den umfassenden Lösungsansatz. Die Wohnungswirtschaft kann sich innovativen Technologien langsam nähern und in bestehende Prozesse integrieren. Das macht KI-Anwendungen dieser Art auch attraktiv für kleinere Unternehmen, die oft die Investition in neue Technologien scheuen bzw. schnell messbare Ergebnisse erwarten.
Wie sehen Sie das Zukunftspotenzial von Künstlicher Intelligenz für die Wohnungswirtschaft?
Rebecca Junker: Das Zukunftspotenzial von KI für die Wohnungswirtschaft ist groß und die Technologie ermöglicht es Unternehmen, sich gezielt auf Kundenbedürfnisse auszurichten. Daher werden Standardprozesse zunehmend von individualisierten Prozessen abgelöst. In Zeiten, in denen Kundenzentrierung und ein ergänzendes Dienstleistungsgeschäft für Wohnungsunternehmen entscheidender für den Unternehmenserfolg werden, kann Künstliche Intelligenz ein klarer Wettbewerbsvorteil sein.
Thomas Danz: KI-gestützte Systeme können nicht nur dabei helfen, Mietprozesse effizienter zu gestalten, den Energieverbrauch zu optimieren und personalisierte Dienstleistungen für Mieter anzubieten. Eine Lösung im Forderungsmanagement kann die Weichen für weitere Prozessoptimierungen stellen, gerade auch im Umgang mit Geschäftskunden: Durch ein optimiertes, digitales Zählerdatenmanagement oder die Automatisierung der Rechnungsstellung lassen sich ganze Meter2Cash-Prozessketten aufbauen, die an der Schnittstelle zwischen Wohnungs- und Energieunternehmen signifikante Effizienzpotenziale bieten – mit Zeitersparnissen, die in einem herausfordernden Umfeld den Unterschied machen können.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Über collect.AI
collect.AI ist ein Hamburger Fintech-Unternehmen und bietet eine KI-gestützte SaaS-Lösung, die Prozesse im Forderungsmanagement automatisiert, personalisiert und effizient gestaltet. Mit der KI-basierten Software ist die 100-prozentige Tochter der Aareal Bank AG bereits heute stark in den Branchen Onlinehandel, Energieversorgungsunternehmen sowie Banken & Versicherungen vertreten und ergänzt das Leistungsspektrum der Bank im Geschäftssegment Banking & Digital Solutions.
Über die Aareal Bank
Die Aareal Bank mit Hauptsitz in Wiesbaden ist ein führender internationaler Immobilienspezialist. Sie umfasst die Geschäftssegmente Strukturierte Immobilienfinanzierungen und Banking & Digital Solutions. Im Geschäftssegment Banking & Digital Solutions bietet sie Unternehmen aus der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft sowie der Energiewirtschaft umfassende Beratungsservices und Produktlösungen an und bündelt diese mit klassischem Firmenkunden-Banking und Einlagengeschäft.