Virtueller Summenzähler

Technologie für nachhaltige Wohnungsunternehmen

Die Energiewende ist auch eine gesellschaftliche Transformation, die viele Branchen verändert. Für Wohnungsunternehmen bedeutet sie eine Neubewertung ihrer Geschäftsmodelle, bei der Nachhaltigkeit, Wirtschaftlichkeit und soziale Verantwortung zusammengedacht werden müssen – eine überaus komplexe Aufgabe.

In diesem Spannungsfeld hat sich die lokale PV-Stromvermarktung in Form von Mieterstrom oder der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung mittlerweile zu einer attraktiven Lösung entwickelt, die Wohnungsunternehmen bei Dekarbonisierungsthemen spürbar unterstützen kann.

Denn: Der Dekarbonisierungspfad erfordert massive Investitionen in klimafreundliche Infrastrukturen. Gleichzeitig müssen strenge ESG-Kriterien erfüllt und der Werterhalt der Immobilien sichergestellt werden. Der reine Fokus auf die Rolle des Vermieters reicht nicht länger aus und der Druck wächst, innovative und nachhaltige Lösungen zu entwickeln. Hier bietet das Mieterstrommodell einen Lösungsansatz, der weit über das Angebot eines günstigen Stromtarifs hinausgeht. Es verbindet ökonomische Interessen der Immobilienunternehmen mit den Bedürfnissen von Mietern und den Zielen der Energiewende.

Innovatives Praxisbeispiel: ALVA Energie als Vorreiter

Wie das aussehen kann, demonstriert ein Projekt in der Leipziger Hoferstraße: Der Mieterstrom-Anbieter ALVA Energie hat dort in Zusammenarbeit mit dem Abrechnungsspezialisten Solarize und Netz Leipzig ein wegweisendes Mieterstromkonzept für die Wohnanlage mit 120 Parteien implementiert. ALVA Energie bietet mit ihrer eigenen Energieversorger-Marke „Karlssonn – Dein Strom vom Dach“ eine ganzheitliche Lösung, die mithilfe des virtuellen Summenzählers eine digitale, transparente und kostengünstige Stromverteilung für Mieterinnen und Mieter ermöglicht.

Das Konzept des virtuellen Summenzählers vereinfacht die Stromverteilung massiv in Mehrparteienhäusern. Klassischerweise erfolgt die Messung über einen physischen Summenzähler, der meist im Rahmen der Installation der PV-Anlage nachgerüstet wird. Virtuelle Summenzähler übernehmen die gleiche Funktion, kommen aber ohne kostenintensive Umbauten aus.

Mieterstrommodelle und die gemeinschaftliche Gebäudeversorgung können so auch in Bestandsbauten und im Geschosswohnungsbau skalierbar und massentauglich umgesetzt werden. Die Vorteile liegen auf der Hand: Neben Kosteneinsparungen durch den Verzicht auf separate Hardware ermöglichen virtuelle Summenzähler auch effizientere Wechselprozesse. Der Wechsel in und aus dem Mieterstrommodell bedeutet dann lediglich eine rechnerische Anpassung der Berechnungsformel, ganz ohne Umbauten oder Zählerwechsel vor Ort.

Durch den Einsatz von Mieterstrom ergeben sich für Immobilienbesitzer gleich mehrere Vorteile: Ökonomisch eröffnen sich neue Einnahmequellen mit einem Renditepotenzial von bis zu 20 %. Durch attraktive Fördermechanismen werden die Investitionen zusätzlich entlohnt. Ökologisch leisten Unternehmen einen direkten Beitrag zur CO2-Reduktion, denn die lokale Stromproduktion ersetzt fossile Energieträger für die Stromproduktion. Sozial steigert Mieterstrom die Attraktivität von Wohnungen: Günstigere Strompreise und das Gefühl, Teil einer nachhaltigen Gemeinschaft zu sein, können Leerstände reduzieren und die Mieterzufriedenheit erhöhen. Ein weiterer Vorteil: So lassen sich ESG-Kriterien und weitere gesetzliche Vorgaben einfacher erfüllen.

Moderne Mieterstromprojekte sind zudem mehr als reine Energieversorgung – sie können auch Katalysatoren für innovative Wohnkonzepte sein. Das Leipziger Projekt zeigt dies exemplarisch durch innovative Services wie digitale Mieterportale, elektronische Informationstafeln, papierlose Onboarding-Prozesse und automatisierte Wechselservices.

Betreibermodelle im Detail

Grundsätzlich bedeutet die lokale Stromvermarktung, dass Strom aus einer Photovoltaikanlage vor Ort direkt an die Mieterinnen und Mieter verkauft wird. Entscheidend für den wirtschaftlichen Erfolg ist eine hohe Direktverbrauchsquote, also der Anteil des erzeugten Stroms, der auch direkt vor Ort verbraucht werden kann. Für die Umsetzung stehen interessierten Unternehmen verschiedene Betreibermodelle zur Auswahl.

Eigenbetrieb: Hierbei investiert das Wohnungsunternehmen (ggf. mit einer eigenen Betreibergesellschaft) selbst in eine Photovoltaikanlage und verantwortet den Anlagenbetrieb und Stromverkauf. Die wirtschaftlichen Parameter sind dabei besonders attraktiv: Der Verkauf von Photovoltaik-Strom kann zu 20–25 Cent pro Kilowattstunde erfolgen – bei Gestehungskosten von nur ca. 10 Cent. Zusätzliche Einnahmequellen wie Mieterstromzuschlag und mögliche Grundgebühren pro Mietpartei machen dieses Modell wirtschaftlich hochinteressant.

Pachtmodell: Für Unternehmen mit geringer Kapazität und Risikobereitschaft bietet sich ein Pachtmodell an. Hierbei werden die Dachfläche oder die PV-Anlage an externe Dienstleister wie ALVA verpachtet, die dann – je nach Modell – Investition, Betrieb und Stromvertrieb übernehmen.

Lieferkettenmodell: Hierbei tritt der Eigentümer als Anlagenbesitzer und -betreiber auf. Der Dienstleister kauft den Strom der PV-Anlage vom Immobilieneigentümer ab und übernimmt die komplette Abwicklung des Mieterstromprozesses als Dienstleistung.

Fazit: Eine Investition in die Zukunft

Die Partnerschaft zwischen ALVA Energie und Solarize unterstreicht das enorme Potenzial von Mieterstrommodellen. Bis Jahresende 2024 wurden weitere neun Projekte umgesetzt, bis zu 80 weitere sollen im Jahresverlauf 2025 folgen. Das Konzept erweist sich als hochskalierbar und adaptionsfähig für verschiedene städtische und ländliche Kontexte. Damit zeigt sich: Mieterstrom ist weit mehr als eine Nischenlösung. Es repräsentiert einen ganzheitlichen Ansatz nachhaltiger Wohnungswirtschaft, der ökonomische, ökologische und soziale Aspekte intelligent verbindet. Wohnungsunternehmen, die diesen Weg beschreiten, positionieren sich nicht nur zukunftsorientiert. Sie werden zu aktiven Gestaltern einer systemischen Energiewende und schaffen gleichzeitig echte Mehrwerte für ihre Mieterinnen und Mieter.

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