Baustoffindustrie leidet unter Krise: „Auf absehbare Zeit erst einmal auf Sicht fahren“

Die aktuelle Baukrise hat die gesamte Wertschöpfungskette Bau fest im Griff. Dies war auch ein zentrales Thema auf der diesjährigen Mitgliederversammlung des Bundesverbands Baustoffe – Steine und Erden (bbs, www.baustoffindustrie.de). Trotz der höchsten Rückgangsraten der Baukonjunktur seit der Wiedervereinigung betonte die Branche, an der Einhaltung der Transformationspfade festzuhalten.

„Angefangen von der Rohstoffsicherung zieht sich die Krise heute über die gesamte Wertschöpfungskette Bau hinweg“, sagt bbs-Präsident Dr. Dominik von Achten. „Teilweise deutliche Produktionsrückgänge und Kurzarbeit sind in unserer Branche angekommen. Die Zahlen sind eindeutig: Auf absehbare Zeit müssen wir erst einmal auf Sicht fahren.“ Das Statistische Bundesamt meldete für das erste Quartal 2023 gegenüber dem Vorjahreszeitraum Produktionsrückgänge in der Baustoff-Steine-Erden-Industrie von -11,4 %. Die für April veröffentlichten Zahlen haben sich mit einem Rückgang von -15,1 % gegenüber dem Vorjahr nochmals verschlechtert. Einzelne Teilbranchen verzeichnen sogar Rückgänge von über 30 %.

Die Rezession lässt sich laut Baustoffbranche nicht mehr verhindern, dennoch gäbe es zahlreiche Maßnahmen zur Abschwächung. „Wir brauchen ein Moratorium bei der ständigen Verschärfung der Baustandards, um die aktuelle Verunsicherung abzubauen“, so von Achten. „Durch den Heizungsstreit ist viel Vertrauen bei der Gebäudesanierung verspielt worden. Umso wichtiger ist es daher, jetzt gleichermaßen in die Gebäudehülle und den Einsatz von erneuerbarer Wärme zu investieren. Bei der Verkehrsinfrastruktur muss das versprochene neue Deutschland-Tempo angesichts maroder Brücken, Schleusen und Schienenwege schnell umgesetzt werden – einschließlich entsprechender Planungskapazitäten und finanzieller Mittel.“

Transformationsfortschritte trotz Krise

Die Mitgliederversammlung markierte in diesem Jahr außerdem das 75-jährige Verbandsjubiläum des bbs. Präsident von Achten versicherte mit Blick auf die Zukunft, dass trotz Krise die Transformation das oberste Ziel bleibt: „Wir sind optimistisch: Zum 100-jährigen Verbandsjubiläum werden wir klimaneutral sein.“ Die Branche unterstütze das Vorhaben der Bundesregierung, den Rechtsrahmen für CO2-Abscheidung und -nutzung (CCU/S) neu zu definieren. Generell wünscht sich von Achten von politischer Seite noch mehr Mut für Forschung und Entwicklung: „Wenn wir, besonders in der aktuellen Situation, wieder stärker auf Fortschritt und Innovationen setzen, dann gestalten wir die globale Transformation nicht nur tatkräftig mit, sondern sichern die lokale industrielle Wertschöpfung auf Jahrzehnte.“ Das vom Wirtschaftsministerium ins Spiel gebrachte Konzept für einen Industriestrompreis für energieintensive Industrien kann hier für den Übergang einen wichtigen Beitrag leisten. Entscheidend seien nun im nächsten Schritt die detaillierte Ausgestaltung von Höhe, Bedingungen und Adressatenkreis.

Von Achten appellierte zudem an die Bundesregierung, zentrale Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag zügig umzusetzen, darunter das Abfallende für qualitätsgeprüfte Sekundärbaustoffe sowie beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren: „Die Fahrpläne für bessere Kreisläufe und die bedarfsgerechte Gewinnung von Rohstoffen für die Transformation liegen seit mehreren Jahren auf dem Elfmeterpunkt.“ Als politische Gäste nahmen an der Mitgliederversammlung die Bundesvorsitzende von Bündnis 90 / Die Grünen Ricarda Lang sowie der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU Deutschlands Andreas Jung teil.

Thematisch passende Artikel:

Baustoffindustrie besorgt: Sinkender Baukonjunktur jetzt aktiv entgegentreten

Die Stimmung in der Bauwirtschaft hat sich im Laufe des Jahres 2022 massiv verschlechtert. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die wirtschaftliche Unsicherheit deutlich erhöht, Energie...

mehr

Kalksandsteinindustrie sieht wirtschaftliche Situation mit großer Sorge

Jan Dietrich Radmacher, Geschäftsführer der Kalksandsteinwerk Wendeburg Radmacher, ist von der Mitgliederversammlung erneut einstimmig zum Vorstandsvorsitzenden des Bundesverbands...

mehr
Baustoffindustrie plädiert für Verlässlichkeit und Planungssicherheit in der Politik

Keine gebrochenen Versprechen mehr

Die Baustoff-Steine-Erden-Industrie blickt mit großer Unsicherheit auf das Jahr 2024. Die Zinswende, hohe Baukosten, verschlechterte Wohnungsbau-Förderbedingungen und die enorme Unsicherheit für...

mehr

Trübe Aussichten: Baustoffindustrie rechnet 2023 mit realen Produktionsrückgängen von 4 Prozent

Die rückläufige Baukonjunktur erfasst mittlerweile die gesamte Wertschöpfungskette Bau, inklusive die Hersteller von mineralischen Baustoffen. Nachdem die Produktion in der...

mehr

Heimische Rohstoffe als Schlüssel für bezahlbares Bauen und Wohnen: Bauindustrie und Baustoffindustrie plädieren für mehr Rohstoffsicherung und Ressourceneffizienz

Spätestens seit der Corona-Pandemie und dem Angriff Russlands auf die Ukraine sind Deutschlands Lieferketten auf dem Prüfstand. In einem gemeinsamen Positionspapier zeigen der Hauptverband der...

mehr