13. Mitteldeutscher Immobilienkongress: Flüchtlingsstrom und Aussterben der Dörfer im Fokus

200 Führungskräfte der mitteldeutschen Immobilienwirtschaft diskutierten beim 13. Mitteldeutschen Immobilienkongress (MIK) die Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen sowie die aktuellen Probleme der Stadt-Land-Entwicklung. Im Ergebnis formulieren die Verbände klare Forderungen an die Politik

Hilfsbereitschaft braucht Mittel


Flüchtlinge aus Krisenregionen brauchen unsere Hilfe. Dazu bekennt sich die mitteldeutsche Immobilienwirtschaft auf dem 13. Mitteldeutschen Immobilienkongress in Leipzig. Doch die Hilfsbereitschaft braucht Mittel. Aktuell steht die Branche vor der Herausforderung, eine steigende Zahl an Flüchtlingen und Asylbewerbern menschenwürdig unterzubringen und gleichzeitig bestehende Nachbarschaftsstrukturen zu berücksichtigen. Quantitativ und qualitativ geht dies an die Grenzen der Leistungsfähigkeit der Wohnungsunternehmen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Die Zahlen


Sachsen vermittelte vergangenes Jahr 12.335 Asylbewerbern und Ausreisepflichtigen Wohnraum  – 2007 waren es noch 5.773 (Quelle: Sächsisches Staatsministerium des Innern). Durch das Land Sachsen-Anhalt wurden von Januar bis November 2014 insgesamt 8.224 Asylbewerber und Geduldete (Quelle: AZR) untergebracht (2007 insgesamt: 4.371). In Thüringen galt dies für 6.135 Betroffene. Auch die Zahl der Asylanträge stieg in diesem Zeitraum: In Thüringen verzehnfachte sich zwischen 2007 und 2014 die Zahl der Asylanträge von 517 auf 5.462 (Stand: 07.12.14). Gleiches gilt für Sachsen-Anhalt, wo die Anzahl der Asylerstantragsteller in diesem Zeitraum von 585 auf 6.618 anstieg. In Sachsen kletterte die Summe der Anträge von 1.475 auf 6.396 (Quellen: Innenministerien der Länder).


All diese Menschen benötigen Raum zum Leben. Die mitteldeutsche Wohnungswirtschaft will hier keine Lippenbekenntnisse mehr. Denn allein schafft sie es nicht, größere Gruppen von Asylbewerbern ohne hohe Reibungsverluste zu integrieren. Massenunterkünfte sind hier die schlechteste aller Lösungen. Klar muss dabei sein: Wenn Politik und Gesellschaft sich dazu bekennen, Flüchtlinge aufzunehmen, müssen auch passende Rahmenbedingungen für die Unternehmen geschaffen werden, die den Wohnraum stellen.

Die Verbände fordern deshalb:


- die bevorzugte Unterbringung in dezentralen Unterkünften. Dies fördert nicht nur für die Integration, sondern ist oftmals auch kostengünstiger, da bauliche Investitionen, verstärkte Sicherheitsmaßnahmen und Aufwendungen für die Betreibung von Massenunterkünften weitestgehend wegfallen.


- die Unterbringung in Einzelunterkünften sollte im Zweifelsfall Familien vorbehalten sein, um vor allem den Kindern gute Voraussetzungen für eine ungestörte Entwicklung zu bieten, sowie Personen, die eine Arbeit aufnehmen konnten.


- langfristige Konzepte für die soziale Betreuung der Betroffenen mit dem Ziel der Integration. Damit verbunden ist die Festlegung eines verlässlichen Schlüssels für die Anzahl der Flüchtlinge, die ein Sozialarbeiter betreut.


- die Klärung der Mietpreisgestaltung für Flüchtlingsunterkünfte in allen Kommunen. Wohnungsunternehmen, die Wohnungen zur Verfügung stellen, haben mindestens Anspruch auf die marktübliche Grundmiete sowie die tatsächlich angefallenen Betriebskosten. Dazu sind angemessene Betriebs- und Instandhaltungskostenvorauszahlungen zu leisten.


- die Klärung von Rechtsfragen wie zum Beispiel „Steigt der Versicherungsschutz der Wohngebäude bei einer Flüchtlingsunterbringung?“, „Wer unterschreibt den Mietvertrag?“ oder „Wer übernimmt die Kosten für einen erhöhten Instandsetzungs-/Instandhaltungsbedarf nach häufig wechselnder Bewohnerschaft?“


- eine verbesserte Kommunikation mit allen Beteiligten – der Kommune, den Wohlfahrtsverbänden, den Anwohnern und den Flüchtlingen selbst – um individuelle Lösungen zu finden.

Sind Schwarmstädte und sterbende Dörfer unsere Zukunft?


Politik und Wohnungswirtschaft müssen zusammenarbeiten, um Probleme in Städten und Gemeinden zu lösen – dies ist das Fazit des zweiten Schwerpunktes auf dem 13. Mitteldeutschen Immobilienkongress.


Mitteldeutschland befindet sich in einer Periode, in der einige wenige Schwarmstädte wie Dresden, Jena und Leipzig ein rasantes Wachstum durch Zuwanderung und steigende Geburtenraten erleben. Leerstände nehmen dort aktuell ab. Im Gegenzug aber kämpfen weite Regionen im Umland von Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit Überalterung und Schrumpfung – und wieder ansteigenden Leerständen.

Die zweite Leerstandswelle steht bevor


So verringert sich in einigen Regionen Thüringens die Einwohnerzahl in den nächsten 10 bis 15 Jahren um bis zum 30 %. In Sachsen geht die Bevölkerungszahl um 15,5 % zurück, in Sachsen-Anhalt um rund 19 %. Im gleichen Zeitraum klettert das Durchschnittsalter der Bevölkerung. Prognosen zufolge soll 2025 fast jeder zehnte Einwohner in Sachsen 80 Jahre und älter sein (Quelle: demografie.sachsen.de). 


Aufgrund dieser Entwicklung erwarten die Immobilienverbände bis 2020 eine zweite Leerstandswelle in vielen Landkreisen, die nur durch Zuwanderung und Abriss behoben werden kann. Die Folgen des demografischen Wandels benötigen zudem entsprechende Maßnahmen wie z. B. neue Wohnformen für Menschen mit Pflegebedürftigkeit und Behinderungen entsprechend dem Grundsatz „Ambulant vor Stationär“, um ein Leben so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Die Gewährleistung selbstbestimmten, altersgerechten Wohnens ist ein wesentlicher Beitrag zur Stabilisierung der demografischen Entwicklung im ländlichen Raum.

Politik behindert Wohnungsbau


Der Boom in den großen Kommunen führt zur Devise: Bauen, Bauen, Bauen. Doch die Politik greift mit einer Vielzahl von Auflagen beim Bau und Betrieb von Immobilien ein und schraubt so die Kosten immer mehr in die Höhe. Eine Refinanzierung über die Mieten wird mit der sogenannten „Mietpreisbremse“ erschwert. Dieser entsteht nur durch bezahlbaren Neubau und sinnvolle Anreize für Modernisierung und Sanierung im Bestand. Eine Mietpreisbremse bringt außer viel Rechtsunsicherheit und Bürokratie gerade in Wachstumsmetropolen nur wenig Nutzen. Dazu kommt: Hohe Gesamtmieten, wie sie die Mietpreisbremse verhindern soll, kommen selten durch die Nettokaltmiete, sondern immer häufiger durch steigende Energiepreise zustande. Hier fordern wir deshalb statt einer Mietpreisbremse eine Energiepreisbremse.


Unter den sich abzeichnenden Veränderungen können Wohnungsunternehmen kaum noch wirtschaftlich arbeiten, heißt es. Wenn alles bleibt wie bisher, haben sie keine Chance, dauerhaft günstige Mieten bei hohen Wohnstandards anzubieten – ohne die Stadt- und Regionalentwicklung zu gefährden.

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