Jahresgespräch: MWB-Vorstand sieht neue Chancen und Anforderungen an Mülheims Wohnungsmärkte
Demografische Prognosen, die Mülheim an der Ruhr langfristig abnehmende Bevölkerungszahlen vorausgesagt haben, erweisen sich inzwischen als korrekturbedürftig. Im Rahmen eines Jahrespressegesprächs berichtete der Vorstand der Mülheimer Wohnungsbau eG (MWB) über die erfolgreiche strategische Ausrichtung der Genossenschaft.
Schrumpfung oder Wachstum? Statistiker hatten dem Ruhrgebiet jahrelang abnehmende Bevölkerungszahlen prophezeit, doch in vielen Städten ist das so nicht eingetroffen: Auch in Mülheim an der Ruhr ist die Zahl der Einwohner in 2016 bereits zum dritten Mal in Folge wieder gestiegen, auf 172.593 Menschen. Nicht nur in Boomstädten wie Münster, Köln oder Düsseldorf gelten so die Wohnungsmärkte zunehmend als angespannt: Insgesamt müssten in Nordrhein-Westfalen nach Berechnungen des Bauministeriums und der NRW.Bank bis zum Jahr 2020 gut 400.000 Wohnungen errichtet werden.
Neubau und Zukäufe: Wohnungsbestand erneut gewachsen
Mülheims Wohnungsgenossenschaft jedenfalls hat ihren Bestand weiter vergrößert. Das geschah durch Erstbezug des „Ruhrquartiers“ und des Hauses Fünter Weg 23, außerdem kaufte MWB Häuser an der Löhstraße in Mülheim sowie an der Theresenstraße, Tannenbergstraße und an der Broicher Straße in Oberhausen. Ende 2016 bewirtschaftete die Genossenschaft damit 160 Wohnungen mehr als im Vorjahreszeitraum. Der gesamte MWB-Bestand belief sich somit auf 5.011 Wohnungen und 159 Gewerbeeinheiten in 858 Häusern sowie 984 Garagen und Einstellplätze in Tiefgaragen.
„Vielfalt auf Wohnungsmärkten ist Mülheims Trumpfkarte“
„Es gibt leider keine verlässlichen Voraussagen dazu, ob wir auch in den nächsten Jahren mit Bevölkerungswachstum rechnen können“, sagte Vorstandsvorsitzender Frank Esser. „In jedem Fall sehen wir aber ein vielfältiges Wohnungsangebot als Trumpfkarte für unsere Stadt.“ Die richtige Mischung aus Single, Senioren- und Familienwohnungen stelle sicher, dass Menschen mit verschiedensten Bedürfnissen in Mülheim heimisch werden können. Menschen mit geringem oder normalem Einkommen müssen hier genauso ein Zuhause finden, wie Besserverdiener auf der Suche nach der passenden Eigentumswohnung oder nach dem eigenen Haus.
Mehrgenerationen-Wohnen macht Schule
Um diese Vielfalt zu gewährleisten, setzt die Wohnungsgenossenschaft auch verstärkt auf Mehrgenerationen-Wohnprojekte: So etwa auf die „Gartenhöfe Saarn“ an der Brüsseler Allee, aber auch auf das denkmalgeschützte Haus Senfkorn an der Klosterstraße, das inzwischen von der Initiative „Leben in Nachbarschaft – ALTERNATIV e.V.“ (L.i.N.A.) bezogen wird. Zusammen mit dem „Wohnhof Fünte e.V.“ wird die Genossenschaft zudem ein Wohnprojekt auf dem Gelände der ehemaligen Schule am Fünter Weg realisieren. Für ein weiteres Mehrgenerationenwohnprojekt hat MWB 2015 einen Kooperationsvertrag mit dem Verein „AwiS Anders wohnen in Speldorf e.V.“ geschlossen. Auf einem noch städtischen Grundstück an der Friedhofstraße sollen 26 barrierearme Mietwohnungen, ein Gemeinschaftsraum und eine Gästewohnung gebaut werden.
„Diese Projekte bringen mehr Aufwand mit sich, weil wir den Menschen, für die wir sie umsetzen viele Möglichkeiten zur Mitbestimmung einräumen“, so Esser. „Wir würden sie aber immer wieder durchführen, wenn sich dazu die Gelegenheit ergibt – denn wir meinen, dass wir dadurch das Versprechen vom lebenslangen Wohnrecht einlösen können, das ja ein ganz elementarer Bestandteil des genossenschaftlichen Selbstverständnisses ist.“
Mehr Investitionen in Bestandspflege und Modernisierung
Wirtschaftlich geht es MWB sehr gut: Die Wohnungsgenossenschaft hat das Geschäftsjahr 2016 mit einem Jahresüberschuss in Höhe von gut 3,1 Mio. € abgeschlossen. „Wir investieren einen guten Teil unserer Überschüsse in die Qualität unserer Wohnungsbestände oder in neue Projekte“, so MWB-Chef Esser. 4,92 Mio. € hat die Genossenschaft im Berichtsjahr 2016 für die Modernisierung des eigenen Wohnungsbestandes aufgewendet, insgesamt betragen die Investitionen sogar 6,82 Mio. €. Von 2012 bis 2016 hat MWB in Instandhaltung, Modernisierung und Neubau zusammengerechnet 72,6 Mio. € investiert. Im Jahr 2017 soll es noch einmal deutlich mehr sein, insbesondere aufgrund des hohen Kapitalaufwandes beim Großmodernisierungsprojekt Lerchenstraße. Dort investiert MWB bis zum Jahr 2020 rund 8 Mio. €.
„Wir wissen, dass sich unsere Genossenschaftsmitglieder mehr Modernisierungsmaßnahmen wünschen, an verschiedenen Orten in unseren Beständen“, sagt Frank Esser. „Aber obwohl unsere Genossenschaft wirtschaftlich auf einer sehr gesunden Grundlage steht, können wir diese Maßnahmen nur schrittweise umsetzen. Das liegt daran, dass wir uns bei der Planung an den Lebenszyklen unserer Immobilien orientieren.“ Dazu komme noch ein andere Herausforderung, so Esser: „Viele Handwerksfirmen sind offenbar in einem solchen Maß ausgelastet, dass wir nicht jeden Auftrag kurzfristig vergeben können. Zwar sind wir in Mülheim und Umgebung ein beliebter Auftraggeber, aber dennoch kommt es hier immer öfter zu Verzögerungen oder zu Mehraufwand, bis wir den passenden Partner auf Handwerkerseite gefunden haben.“
Das langfristige Bauunterhaltungs- und Modernisierungsprogramm hat MWB gerade erst bis zum Jahr 2022 fortgeschrieben.
Mieten deutlich unterhalb des Durchschnitts
Die durchschnittliche Kaltmiete für Wohnraum beträgt in Mülheim an der Ruhr aktuell 6,02 € je m², bei MWB liegt sie mit durchschnittlich 5,31 € je m² ein gutes Stück darunter. „Gemessen am neuen Mietspiegel, der in Mülheim seit dem 1. Januar gilt, sind unsere Mieten moderat“, betont Esser. Er verhehlt aber auch nicht, dass MWB erstmals seit drei Jahren eine Erhöhung der Mieten vorgenommen hat: „Auf Preissteigerungen, Inflation sowie steigende Bau- und Modernisierungskosten müssen auch wir reagieren.“ Maximal um 40 € je Wohnung hat die Wohnungsgenossenschaft in 2016 die Bestandsmieten angepasst.
Für Geringverdiener und Menschen mit geringen Renten sucht man individuell Lösungen: „Eine Wohnungsgenossenschaft ist eine Vorteilsgemeinschaft, und wir nehmen den Gedanken der Mitgliederförderung und des lebenslangen Wohnrechts sehr ernst“, so Esser.
Neue Geschäftsfelder zahlen sich aus
Dass MWB auch nach teilweise aufwendigen Modernisierungmaßnahmen weitgehend auf Mieterhöhungen verzichten kann, hat einen Grund: Die Wohnungsgenossenschaft hat sich in den vergangenen Jahren kontinuierlich weitere Geschäftsfelder erschlossen, auch jenseits der Stadtgrenzen von Mülheim an der Ruhr. Heute tragen die MWB-Immobilienverwaltung sowie eine Abteilung, die Immobilien plant und baut, merklich zum Unternehmenserfolg bei.
„Das Geld, welches wir mit Eigentumswohnungen und Eigenheimen verdienen, kommt den Genossenschaftsmitgliedern mit kleinerem Geldbeutel zugute“, erläutert Frank Esser. „Den positiven Effekt spüren unsere Mitglieder nämlich immer dann, wenn nach einer Modernisierungsmaßnahme keine oder nur minimale Mieterhöhungen nötig sind. Anders wäre das bei den heutigen Baukosten nicht möglich.“
Stark nachgefragt werden aktuell die Bauvorhaben Gartenhöfe Saarn 2 sowie der zweite Bauabschnitt am „Fünter Hof“, bei dem Doppelhaushälften in Mülheim-Heißen vermarktet werden. In 2018 wird MWB mit der Entwicklung der lange brachliegenden Fläche an der Scheffelstraße beginnen, wo 48 Häuser für junge Familien entstehen werden. „Die Nachfrage nach solchen Projekten ist sehr groß, und wir meinen auch, dass eine gesunde Mischung aus Mietwohnungen und Wohneigentum ein Vorteil für Mülheim ist“, so Frank Esser.
Gute Aussichten für Mülheims Innenstadt
Die Chancen für Mülheims innerstädtische Entwicklung bewertet MWB auch weiter positiv: „Das Ruhrquartier entwickelt sich sehr gut. Die Gewerbeflächen sind annähernd vollständig vermietet. Alle Eigentumswohnungen sind bekanntlich verkauft. Es gab hier auch sehr viel mehr Interessenten als zur Verfügung stehende Wohnungen“, so MWB-Vorstand Jürgen Steinmetz. „Die Anziehungskraft der Ruhrpromenade nimmt weiter zu, jetzt voraussichtlich auch noch einmal durch die Öffnung des nächsten Abschnitts des Radschnellwegs.“
Auch das StadtQuartier Schloßstraße (SQS) werde gut angenommen: „Das Interesse an den Wohnungen und Gewerbeflächen ist sehr groß. Wir selbst dokumentieren ja auch unser Engagement, indem wir bereits jetzt den Umzug unserer Geschäftsstelle in das neue Gebäude planen“, so Steinmetz. Da die Bauarbeiten bisher planmäßig verlaufen, ist die Fertigstellung des SQS auch weiterhin für Frühjahr 2019 geplant.
Sozialer Zusammenhalt bleibt zentrales Thema
Entscheidend für eine lebenswerte Stadt sind aus MWB-Sicht lebendige Nachbarschaften und ein guter sozialer Zusammenhalt in den Stadtvierteln. Dazu trägt der von MWB gegründete Mülheimer Nachbarschaftsverein erheblich bei, so Frank Esser: „Er macht zahlreiche Freizeitangebote, durch die in den Nachbarschaften neue Netzwerke entstehen. Er arbeitet eng mit sozialen Partnern zusammen, unterstützt Feste in den Wohnquartieren, nimmt wertvolle Anregungen der Genossenschaftsmitglieder auf und greift auch da ein, wo Not am Mann ist – beispielsweise wenn ältere Genossenschaftsmitglieder pflegebedürftig werden, oder wenn durch Schicksalsschläge eine Notlage entsteht.“
Gut 250 Mitglieder hat der Verein aktuell, eine Mitgliedschaft kann jeder Mülheimer beantragen. „Wir werden den Verein auch weiterhin nach Kräften unterstützen und setzen auf weiter wachsende Mitgliederzahlen“, sagt Esser.
Weichenstellungen für die kommenden Jahre
Aus der jüngsten MWB-Vertreterversammlung hat der Vorstand eine Reihe von Impulsen erhalten, die jetzt auch in die Unternehmensstrategie der kommenden Jahre einfließen sollen: „Bezahlbares Wohnen ist natürlich ein wichtiges Thema“, so Frank Esser. „Wenn die Förderbedingungen in Nordrhein-Westfalen so gut bleiben, wie sie es unter Rot-Grün waren, dann werden wir künftig wieder mehr öffentlich geförderte Wohnungen bauen können.“ Man prüfe ständig, wo sich dafür geeignete Grundstücke erwerben lassen könnten.
Die Modernisierung ihrer Bestände will die Genossenschaft weiter nach Kräften vorantreiben. Und auch der Personalstamm soll weiter wachsen: Im Moment stellt MWB neu ein, weil die Ablesung der Heizkostenzähler vom externen Fremdanbieter ins eigene Unternehmen geholt wird. „Dadurch können wir unserer Mitgliedern mehr Service und Verlässlichkeit bieten und zugleich neue Arbeitsplätze in Mülheim an der Ruhr verankern“, so Esser. Auch über die Schaffung eines kleinen Maler-Teams für die laufende Erneuerung der vielen MWB-Treppenhäuser denkt man an der Friedrich-Ebert-Straße nach.