Bauen – möglichst viel, möglichst schnell: GdW-Präsident zu Gast bei der Frankfurter NH
Das Ambiente passte: Zum Auftakt seiner Sommertour war Axel Gedaschko, Präsident des Branchenverbandes GdW, bei der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt (NH, www.naheimst.de) im Frankfurter Schaumainkai zu Gast. In einer Talkrunde diskutierten fünf Experten mit Blick auf Baukräne und die Skyline aktuelle wohnungspolitische Fragen. Thema waren unter anderem neue Energiekonzepte, fehlende Grundstücke und die Mietpreisbremse. In einem waren sich alle einig: Neue Wohnungen müssen her – möglichst günstig und möglichst schnell. Nach der einstündigen Diskussion ging es an die frische Luft – zu einer Besichtigung der Adolf-Miersch-Siedlung in Niederrad.
„Es wird lange dauern, bis wir die Situation im Griff haben.“ Mit diesen Worten fasste GdW-Präsident Axel Gedaschko zu Beginn der Veranstaltung die prekäre Lage zusammen. Eine Million Wohnungen würden bundesweit fehlen. Um dem Dilemma zu entkommen, seien strukturelle Veränderungen dringend nötig, so Gedaschko. Gedaschko sprach sich für ein Bundesbauministerium aus. „Bauen muss wieder Chefsache werden, zumindest in den nächsten beiden Legislaturperioden.“
Außerdem forderte er eine stärkere Kooperation zwischen Stadt und Region sowie eine Vereinheitlichung der Landesbauordnungen in ihren Kernelementen. „16 Bundesländer haben unterschiedliche Bauordnungen“, kritisierte Gedaschko. Das und die steigende Zahl der Bauvorschriften mache das Investieren und das Bauen zusehends schwierig. Unter anderem aus diesem Grund forderte er von der Politik eine Investitionsförderung für Unternehmen.
Dr. Thomas Hain: „Müssen bei der Baulandvergabe umdenken“
Bauen will auch die Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt. Auf ihrem Weg, in den nächsten fünf Jahren rund 5000 Wohnungen zu realisieren, sieht man sich mit einem großen Problem konfrontiert. „Es gibt zu wenige baureife Grundstücke“, sagte der Leitende Geschäftsführer Dr. Thomas Hain auf die Frage von Moderatorin Heike D. Schmitt nach den höchsten Problemen beim Wohnungsbau im „Wohnungs-Notstandsgebiet“ Rhein-Main-Region. Schmitt hat in ihrer Begrüßung das Thema Wohnungsbau mit einem anstrengenden Hürdenlauf verglichen. „Dabei bräuchte es doch einen rekordverdächtigen Sprint, um in möglichst kurzer Zeit über die Ziellinie zu gelangen.“
Geschäftsführer Hain forderte ein Umdenken bei der Vergabe von Bauland hin zur sogenannten „Konzeptvergabe“. Bei dieser Variante könnten Kommunen die Anforderungen selbst definieren, so dass Faktoren wie der Preis beispielsweise zu einem kleineren Anteil einfließen und andere Faktoren wie die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum oder von Wohnraum für ältere Menschen eine deutlich größere Rolle spielen. „Das würde uns sehr helfen.“
Dr. Axel Tausendpfund, Direktor des Verbands der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft, pflichtete ihm bei. „Unsere Unternehmen konkurrieren oft mit Bauträgern, die vor allem hochpreisige Wohnungen bauen wollen.“ Selbst die Städte, die ein Interesse an bezahlbarem Wohnraum haben sollten, würden ihre Flächen meist an den Bieter verkaufen, der am meisten bezahlt. Das müsse sich ändern. „Mit privaten Investoren können wir einfach nicht mithalten“, bestätigte auch Dr. Thomas Hain. „Wenn die noch den letzten Euro drauflegen, fliegen wir raus.“
Jan Schneider, Leiter des Frankfurter Dezernats für Bau und Immobilien, gab zu bedenken, dass es auch für die Stadt schwierig sei, Flächen für die kommunale Nutzung zu bekommen, etwa für den Bau von Schulen. „In Frankfurt gibt es eben nicht die eine Lösung, den Königsweg, mit dem sich Wohnraum schaffen lässt“, sagte er. Auch die Mietpreisbremse habe in den vergangenen Monaten nichts bewirkt. „Dadurch ist keine einzige Wohnung mehr gebaut worden. Im Gegenteil. Vielleicht hat es manche Investoren sogar abgeschreckt.“ Für die Beibehaltung der Mietpreisbremse sprach sich dagegen Martina Feldmayer aus, Landtagsmitglied der Grünen und deren wohnungspolitische Sprecherin. „Wir werden es nicht nur durch Neubauten schaffen, die Menschen in bezahlbaren Wohnungen unterzubringen.“
Kommunen bürden Bauunternehmen zusätzliche Lasten auf
Hain zeigte sich zwar „froh darüber, dass die Politik der Wohnungswirtschaft wieder Aufmerksamkeit widmet“. In den Ämtern der Kommunen habe sich das aber noch nicht herumgesprochen. Er kritisierte, dass die Kommunen dazu neigen würden, den Wohnungsbauunternehmen zusätzliche Lasten aufzubürden. „Wir sollen kommunale Aufgaben wie den Bau von Kitas mit übernehmen. Das verzögert Projekte und macht das Bauen teurer.“
Bau- und Liegenschaftsdezernent Jan Schneider jedoch will an der bisherigen Praxis festhalten. „Wir sind verstärkt darauf angewiesen, dass sich private Investoren an den Kosten der Infrastruktur wie zum Beispiel Schulen beteiligen“, betonte er. Schulen könnten allerdings günstiger errichtet werden, wenn die Modulbauweise aus vorgefertigten Teilen mit fünf oder sechs Stockwerken möglich wäre. Das sei in mehreren Bundesländern problemlos machbar, in Hessen jedoch nicht. Auch Tausendpfund setzte sich dafür ein, dass in der Hessischen Bauordnung das serielle Bauen wie in Nordrhein-Westfalen vereinfacht wird. „Ich verstehe nicht, wieso das nicht in der Bauordnung verankert ist, das würde uns das Bauen deutlich erleichtern.“
Klimaschutz beim Bau: Gedaschko ruft zum Umdenken auf
Gedaschko lenkte den Fokus auch auf das Thema Niedrigstenergiehäuser. Ihnen gehört seiner Ansicht nach die Zukunft. Der GdW-Präsident warnte davor, das Augenmerk zu sehr auf die Dämmung der Gebäudehülle zu legen. Wichtig sei es auch, verstärkt auf die Nutzung erneuerbarer Energien zu setzen, etwa über Solarzellen auf dem Dach. „Da müssen wir umdenken“, forderte Gedaschko. Technisch sei das durchaus möglich, doch gebe es rechtliche Probleme: Hauseigentümer, die ihren Mietern vergünstigten Strom verkaufen, tappten in eine Steuerfalle, warnte Gedaschko. Um preisgünstigen und klimafreundlichen Wohnungsbau zu fördern, muss seiner Ansicht nach diese Hürde durch neue Regeln auf Bundesebene beseitigt werden.
Mit Blick auf die durchschnittliche Miete von 5,50 Euro pro m2, die Mieter der Nassauischen Heimstätte zahlen, machte der GdW-Präsident auf eine weitere Herausforderung aufmerksam: Den Bestand nahezu CO2-neutral zu gestalten und die Mieter nicht rauszusanieren, „das ist das eigentliche Kunststück“. Grünen-Politikerin Feldmayer pflichtete ihm bei, dass der Aspekt Ökologie noch stärker berücksichtigt werden muss. „Wir müssen die Folgen der Klimaanpassung abmildern, indem wir bei Neubauten Frischluftschneisen frei halten und darauf achten, dass genug urbanes Grün da ist.“ Wie Gedaschko plädierte sie dafür, dass der ländliche Raum mit bedacht werden müsse. Dort zu wohnen und zu arbeiten, müsse attraktiver werden. Sie verwies dabei auf die Bemühungen ihrer Partei in der Landesregierung bei den Themen Baulandoffensive und Jobticket.
Adolf-Miersch-Siedlung: Besucher von der Vielfalt beeindruckt
Im Anschluss besichtigten Gedaschko, Tausendpfund, Feldmayer und Schneider die Adolf-Miersch-Siedlung in Frankfurt-Niederrad. Sandra Gesper, Leiterin des dortigen Service-Centers der Nassauischen Heimstätte, zeigte den Besuchern den modernisierten Bestand, außerdem die Gebäude, an denen derzeit gearbeitet wird sowie die neu gebauten Wohnungen im Passivhaus-Standard. Der Besuchergruppe gefiel vor allem die Vielfalt im Quartier. Schließlich gibt es dort nicht nur die „Essbare Siedlung“, in der Mieter Kräuter, Beeren und andere Gewächse anpflanzen sowie später ernten und verwerten können, sondern mit der Anthony-Yeboah-Fassade auch ein weithin sichtbares Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit, ein Car-Sharing-Angebot sowie einen Mieter-Service vor allem für ältere Bewohner.
Am Ende des Rundgangs stellte Marion Schmitz-Stadtfeld, Leiterin des Fachbereichs Integrierte Stadtentwicklung bei der NH ProjektStadt, den „Cubity“ vor, ein innovatives Wohnkonzept von Studenten für Studenten. Eine Studentin schilderte den Gästen, wie es ist, in dem Wohnwürfel zu leben. Das 250 m2 große Gebäude aus nachwachsenden Rohstoffen und einer Polycarbonat-Fassade ist nach dem Haus-im-Haus-Prinzip konstruiert. In einer großen Halle sind zwölf 8 m2 große Wohn-Würfel (Cubes) angeordnet. In jedem befinden sich ein Bett, Tisch, Stuhl, Schrank sowie zusätzlicher Stauraum und ein Bad. Dazu gibt es einen großzügigen Gemeinschaftsbereich mit Küche, Marktplatz, Galerie und Terrasse.
Als Plus-Energie-Haus erzeugt der „Cubity“ mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach mehr Energie als er verbrauchen kann. Heizung und Kühlung regelt eine Luft-Wasser-Wärmepumpe. Ein Heizwasser-Wärmespeicher regelt die Warmwasserversorgung. Die Studentin fühlt sich sehr wohl in dem 16 mal 16 Meter großen Bau in Holzständerbauweise, der als Beispiel für preiswertes und energiesparendes Bauen gilt. Der „Cubity“ ist im Boden verschraubt, damit er innerhalb kurzer Zeit ab- und woanders wieder aufgebaut werden kann. Nur zwei bis drei Wochen würde das dauern.