Mikrowohnen auf 27 qm minimum: Ausstellung im Berliner stilwerk zeigte neue Wohnformen
Sinkende Pro-Kopf-Wohnfläche, steigender Quadratmeterpreis – vor dieser Herausforderung steht Berlin ebenso wie die Zentren wachsender Städte weltweit. Welche Auswirkungen hat dieser Veränderungsprozess auf das urbane Wohnen? Reduziert sich Wohnen zukünftig auf Kernfunktionen, die als kleinräumige Zellen in eine komplexe Netzwerkstruktur aus „Dritten Orten“ wie Co-Working-Spaces, Community-Lounges oder Urban-Gardening-Projekte eingebettet sind? Die Ausstellung „Mikrowohnen auf 27 qm“ widmete sich der Frage, wie das Wohnen auf kleinstem Raum funktionieren kann, wenn das Leben als „small world network“ organisiert ist. Auf Initiative des Berliner Einrichtungsplaners und -händlers minimum entwickelten 14 Berliner Architekturbüros Entwürfe, die eine Diskussionsgrundlage zu der Thematik bilden.
Mit der Initiative „for better living“ riefen minimum und die Berliner Kommunikationsagentur TPA bereits 2014 eine interdisziplinäre Plattform ins Leben, die sich mit urbanen Veränderungsprozessen und ihren Auswirkungen auf das Wohnen beschäftigt. Als Think-Tank verbindet die Initiative Architekten, Projektentwickler und Designer mit dem Ziel, gesellschaftliche Trends so aufzuschlüsseln, dass sie für zukunftsweisende Wohn- und Einrichtungskonzepte verwertbar sind. Die Ausstellung „Mikrowohnen auf 27 qm“ war das Ergebnis eines geladenen Wettbewerbs: minimum lud 14 Berliner Architekturbüros ein, Ideen zum Wohnen auf minimaler Fläche zu entwickeln – ein Trend, der auch in Berlin vor dem Hintergrund wachsender Bevölkerungszahlen und -dichte an Relevanz gewinnt. Wettbewerb und Ausstellung sind als dialogorientiertes Format gedacht, das einen Beitrag zum Diskurs über die Zukunft des innerstädtischen Wohnens leistet.
Die Stadt als Netzwerk-Wohnform
Im Rahmen von Workshops, Fachvorträgen und Publikationen identifizierte die Initiative „for better living“ in den letzten zwei Jahren aktuelle Trends des urbanen Wohnens. Der Begriff „small world networks“ fasst die zentrale Erkenntnis zusammen, dass urbanes Wohnen neue Formen annimmt, die nicht mehr dem traditionellen Verständnis des Wohnens in den eigenen vier Wänden entsprechen: Mobilität, Flexibilität und Digitalisierung prägen den Städter des 21. Jahrhunderts.
Das Arbeiten im Co-Working-Space, der Feierabend mit Kollegen im Wasch-Café oder das Abendessen mit Freunden im mietbaren Koch-Haus skizzieren typische Stationen, die neue Lebensstile in der Stadtlandschaft hervorbringen. „Man könnte die Stadt auch als kommunikative Netzwerk-Wohnform begreifen, die ‚Dritte Orte‘ als aktive Bestandteile des Wohnens einbezieht. In der Konsequenz bedeutet das, dass Wohnqualität nicht mehr an Quadratmetern bemessen wird, sondern am Vernetzungspotenzial. Mit dieser These möchten wir die Diskussion zum Thema Mikrowohnen eröffnen“, so minimum Geschäftsführer Wilfried Lembert.
Minimale Fläche, maximaler Komfort?
Mit ausgestreckten Armen einen Schritt nach links, einen Schritt vorwärts, einen Schritt rückwärts – soviel Raum braucht der Mensch als biologisch-funktionelles Minimum zum Leben. Das postulierte zumindest Le Corbusier in den 1940er Jahren mit dem an menschlichen Maßen orientierten architektonischen Proportionssystem „Modulor“, das in Wohngebäuden wie etwa der Unité d’Habitation in Marseille zum Einsatz kam.
Die minimum-Ausstellung „Mikrowohnen auf 27 qm“ stellte nun die Frage zur Disposition, ob das Wohnen auf kleinstem Raum einerseits mehr Wohnraum in den Innenstädten schaffen kann und andererseits ein sinnvolles Modell ist, das die kommunikative Vernetzung ihrer Bewohner belebt. Dazu gilt es an erster Stelle zu klären, mit welchen Innenraum- und Möblierungskonzepten das Mikrowohnen neue Qualitäten und Komfort bieten kann. Die in der Ausstellung präsentierten 14 Entwürfe und Modelle im Maßstab 1:20 eröffnen eine Bandbreite von modularen, multifunktionalen und wandelbaren Innenraumkonzepten, die vielfältige Perspektiven zum Thema Mikrowohnen aufzeigen.
Eine Fachjury aus Architekten, Projektentwicklern und Designern bewertet die präsentierten Entwürfe. Aus den Favoriten soll anschließend ein Entwurf ausgewählt und im Rahmen der Berliner Designmeile im Herbst 2016 im Maßstab 1:1 ausgestellt werden.