Polarstern-Geschäftsführer: Mieterstrom wird bald quasi zur Pflicht
Ab 2021 müssen laut EU-Richtlinie alle Neubauten den Niedrigstenergiestandard erfüllen. Im Fokus steht die Gesamtenergieeffizienz eines Gebäudes. Das bedeutet, dass nur noch ein sehr geringer Energiebedarf zugelassen ist, der zu einem ganz wesentlichen Teil aus erneuerbaren Quellen stammen muss, die idealerweise vor Ort erzeugt werden.
Angestrebt ist eine möglichst hohe Energieautarkie. In Mehrparteiengebäuden ist das letztlich nur mit Mieterstrom möglich. „Aktuell können Gebäude mit Mieterstrom einen Autarkiegrad von bis zu 80 % erreichen. Wenn die Energieverluste durch eine verbesserte Gebäudehülle weiter sinken und Batteriespeicher preiswerter werden, dann kann das auch zum Standard werden“, sagt Florian Henle, Geschäftsführer des Ökoenergieversorgers und Mieterstrom-Dienstleisters Polarstern (www.polarstern-energie.de).
Schon heute sind Gebäude, die eine KfW 40 Plus-Förderung erhalten, energetisch betrachtet sehr ähnlich zu einem Niedrigstenergiehaus. Ein Förderkriterium ist hier die Installation eines Batteriespeichers. „Trotz aktuell hoher Kosten rechnet er sich durch die hohen KfW- und Passivhausförderungen und durch die Renditen des Mieterstromangebots“, erklärt Florian Henle. Und Michael Joachim vom Eco-Architekturbüro NEST ergänzt: „Wer da noch allein nach geltender EnEV baut, dessen Gebäude ist schon heute nicht mehr Stand der Technik.“
„Der logische letzte Schritt in die Energieeffizienz“
Michael Joachim sieht in Mieterstrom den logischen letzten Schritt auf dem Weg in die Energieeffizienz von Gebäuden. „Mieterstrom denkt die Energieeffizienz zu Ende“, sagt er. Im Zuge der sich seit Jahren verschärfenden Energieeffizienzanforderungen seien zunächst Maßnahmen zur Gebäudedämmung und zur eigenen Energieerzeugung gefördert worden, jetzt gelte es Lösungen zu entwickeln und umzusetzen, um die erzeugte Energie weitgehend im Gebäude zu nutzen.
Das ist auch wirtschaftlich immer interessanter, da die Einspeisevergütungen sinken und sich PV-Anlagen oder BHKWs deutlich langsamer amortisieren. Über Mieterstrom bietet sich die Chance, die erzeugte Energie zur Deckung des Strombedarfs der Mieter zu erfüllen, aber auch sektorenübergreifend den erzeugten Strom zu nutzen, etwa im Bereich der Elektromobilität.
Technisch und wirtschaftlich gesehen, sieht Michael Joachim keine Hürden. „Die notwendige Technik ist bekannt und es gibt diverse Förderungen, welche die Investitionshürden senken.“ Die größte Herausforderung liegt seiner Erfahrung nach vor allem in der Umsetzung von Mieterstrom. Hier gibt es nur wenige Dienstleister, die über Erfahrung und Energiemarkt-Know-how verfügen und den komplexen Prozess und die Steuerung der verschiedenen Akteure beherrschen. Das Architekturbüro NEST setzt derzeit mit Polarstern drei Mieterstromprojekte in bestehenden und neuen Wohngebäuden um.
Energieautarkie bei Sektorenkopplung
Insgesamt rechnet Florian Henle mit einem steigenden Strombedarf in privaten Wohngebäuden, schließlich würden in Neubauten immer mehr Wärmepumpen installiert und auch die Elektromobilität gewinne an Fahrt. Ihre Integration in das Energiekonzept macht Mieterstrom zunehmend komplex, aber verbessert auch die Gesamteffizienz der Gebäude. „Es kommt immer mehr auf ein perfektes Zusammenspiel von energieeffizienter Bauweise, leistungsstarken Energieerzeugern und Speichern und lokaler Energieversorgung an, um die strengen Effizienzkriterien zu erfüllen und dennoch wirtschaftliche Vorteile zu erzielen.“ Einen Schlüssel, um auch später in der Energieversorgung dieses Zusammenspiel optimal steuern zu können, sieht Florian Henle in Smart Metern. Sie sind bei Polarstern fester Bestandteil jedes Mieterstromprojekts.