ifs: Energieeffizienzpolitik für Wohngebäude - realistischere Zielvorgaben gefragt!

Die Bundesregierung will bis zum Jahr 2050 für einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand sorgen. Auf dem Weg dahin sind Erfolge zu verzeichnen. Trotzdem erscheint es mehr als fraglich, dass dieses ehrgeizige Ziel auch erreicht werden kann. Nach Auffassung des ifs Städtebauinstituts (www.ifs-staedtebauinstitut.de) wäre es schon ein großer Erfolg, wenn bis dahin der durchschnittliche Energieverbrauchswert auf den aktuellen Neubaustandard gesenkt werden könnte. Selbst dazu müsse jedoch der Anteil der erneuerbaren Energien an der Versorgung mit Wärme und Warmwasser deutlich ausgebaut und mit den Energieeffizienzmaßnahmen stärker, sowie für die Hauseigentümer transparenter verzahnt werden.

Heterogener Wohngebäudebestand

Der deutsche Wohngebäudebestand ist sehr heterogen. Er setzt sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Gebäudetypen, Baualtersklassen und Eigentümern zusammen. Der Bestand umfasst rund 18 Mio. Wohngebäude und 41 Mio. Wohnungen. Hinzu kommen jährlich etwa 200.000 Neubau-Wohnungen mit steigender Tendenz. Die aus energetischer und bauphysikalischer Sicht ungünstigste Baualtersklasse der 1950er bis 1970er Jahre macht rund 43 % des Bestandes aus. Knapp 18 Mio. Wohnungen befinden sich in Ein- und Zweifamilienhäusern inklusive Doppelhäusern und Reihenhäusern. Knapp 24 Mio. Wohnungen werden vermietet und über 17 Mio. Wohnungen vom Eigentümer selbst genutzt. Bei den Vermietern stehen 61 % private Kleinvermieter 39 % professionellen Anbietern gegenüber.

Energetischer Zustand der Wohngebäude

Der energetische Zustand des deutschen Wohngebäudebestandes ist durchweg befriedi-gend bis gut. Bei knapp der Hälfte der Gebäude sind die Außenwände neben der wärmedämmenden Eigenschaft des Baumaterials zusätzlich gedämmt. Mehr als vier Fünftel der Dach- oder Obergeschossdecken sind wärmegedämmt. Der weitaus größte Teil aller Wohn-gebäude verfügt über Fenster mit mindestens einer Zwei-Scheiben-Verglasung. Die Behei-zung von Wohngebäuden erfolgt zu 50 % durch Gas, 29 % durch Heizöl und nur zu 6 % aus erneuerbaren Energien.

Energiepolitisches Ziel der Bundesregierung

Die Bundesregierung verfolgt seit dem energiepolitischen Konzept vom September 2010 das Ziel, bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen. Die Gebäude sollen nur noch einen sehr geringen Energiebedarf aufweisen, der überwiegend aus erneu-erbaren Energien gedeckt werden soll. Dies bedingt eine erhebliche Steigerung der Energieeffizienz von Wohngebäuden und beim Einsatz erneuerbarer Energien bei der Versorgung privater Haushalte mit Wärme und Warmwasser.

Erfolge von 22 Jahren Energieeffizienzpolitik im Wohnungsbereich

Die vielfältigen Anstrengungen der Hauseigentümer haben zusammen mit verschiedenen staatlichen Förderungsmaßnahmen eine erhebliche energetische Verbesserung des Wohn-gebäudebestandes bewirkt. Der durchschnittliche temperaturbereinigte Wert für den Raumwärmeverbrauch pro m² Wohnfläche und Jahr verringerte sich 2012 gegenüber 1990 um knapp 30 %. Dabei nahm die Wohnfläche im Vergleichszeitraum sogar um 17 % zu. Mit 147 kWh liegt der Wert aber immer noch weit entfernt vom „Effizienzhaus 55“, dem höchsten KfW-Fördertatbestand für Bestandbauten, bei dem der ord-nungsrechtliche Wert für den Neubau nach der Energieeinsparverordnung (Effizienzhaus 100) um 45 % unterschritten wird.

Rückschlüsse der bisherigen Erfolge auf das langfristige Ziel

Ob ein solcher Standard, wie von der Bundesregierung angestrebt, als Durchschnittswert bis 2050 für alle Wohngebäude erreicht werden kann, ist angesichts der dispersen Eigentü-merstruktur, der hohen Investitionskosten und der sozialen Auswirkungen nach Umlage der Kosten auf die Mieten zweifelhaft. Ein großer Erfolg wäre es nach Auffassung des ifs-Städtebauinstituts bereits, wenn bis 2050 der Durchschnittswert von jetzt 147 kWh auf den augenblicklichen Neubaustandard von 100 kWh gesenkt werden könnte – bei voller Anrechnung für Raumwärme und Warmwasser eingesetzter erneuerbarer Energien. Der Zeitraum bis 2050 erscheint zwar aus heutiger Sicht lang, entspricht bei Wohngebäuden aber nur dem ein- bis eineinhalbfachen Modernisierungszyklus.

Erneuerbare Energien für Wärme und Warmwasser als zweites Standbein ausbauen

Aber auch ein solches reduziertes Ziel kann nach Auffassung des ifs-Städtebauinstituts nur erreicht werden, wenn das zweite Standbein der Energiepolitik für den Wohngebäudebereich – die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien an der Versorgung mit Wärme und Warmwasser – langfristig deutlich ausgebaut und mit den Effizienzmaßnahmen an den Einzelgebäuden stärker verzahnt wird. Ab dem ordnungsrechtlichen Effizienzstandard für Bestandsgebäude von 130 kWh sollte künftig der Grundsatz gelten, dass der Einsatz erneuerbarer Energien bei der Versorgung mit Wärme und Warmwasser auf darüber hinausgehende Anforderungen auf die Energieeffizienz voll angerechnet wird.

Der jeweilige Hauseigentümer kann dann eigenständig entscheiden, ob er sein Haus stärker dämmen oder mit Wärme aus erneuerbaren Energien beheizen will. Dieser bereits indirekt bei der Berechnung des Primärenergiebedarfs eines Gebäudes praktizierte Grundsatz sollte für die Hauseigentümer transparent gemacht werden, damit sie ihre Investitionsentscheidungen in die eine oder andere Richtung (verstärkte Dämmung oder erneuerbare Energien) frei treffen können. Vielfältigen Vorbehalten gegen eine zu starke Dämmung könnte so durch ein alternatives Konzept Rechnung getragen werden, ohne dass dies Auswirkungen auf energiepolitische Zielsetzungen hätte.

Quellennachweis: Die verwendeten Zahlen – nicht jedoch die Schlussfolgerungen – entstammen dem Bericht der Bundesregierung an die Kommission der EU vom 16. April 2014 über die langfristige Strategie zur Mobilisierung von Investitionen in die Renovierung des nationalen Gebäudebestandes.


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