Klimaschutz

Energieeffizienz im Bestand

Ausreichende Dämmung, klimafreundliche Wärmeerzeugung, Nutzung nachhaltiger Energien – die Anforderungen an Neubauten sind heutzutage hoch. Aber wie steht es mit dem Bestand? Die Münchner CalCon-Gruppe hat den Status-quo für Wohngebäude analysiert.

Die Zahlen des Umweltbundesamts (UBA) zeigen, dass der CO2-Ausstoß in Deutschland während der letzten Jahre kaum gesunken ist [1]. Diese Entwicklung macht ein Erreichen der Klimaziele für 2020 immer unwahrscheinlicher. Dass das Wohnen über die Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser einen beträchtlichen Anteil an diesen Treibhausemissionen hat, ist hinreichend bekannt. Die Wohnungswirtschaft ist allerdings auch bereits aktiv geworden: Der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e. V. geht in seiner Stellungnahme zum Klimaschutzplan 2050 davon aus, dass zwischen 1990 und 2005 eine CO2-Reduktion von etwa 50 % realisiert worden ist [2]. Aber wie sieht es im durchschnittlichen deutschen Bestand ganz konkret hinsichtlich Dämmung und Wärmeerzeugung aus?

Die CalCon-Gruppe, eine Ausgründung des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik (IBP), verfügt über eine umfangreiche Datengrundlage: Seit 1999 wurden mehr als 180 Mio. m² BGF und über 1,2 Mio. Wohneinheiten nach einem standardisierten Verfahren einheitlich bewertet. Die folgende Analyse basiert auf Daten zu Bestandsgebäuden mit insgesamt circa 31 Mio. m² BGF. Diese umfassen Mehrfamilien- und Hochhäuser, die bis 2011 erbaut und innerhalb der letzten fünf Jahre beurteilt wurden.

Originalverpackt?

Die Wärmedämmung ist sicherlich das Thema im Bereich Wohnen, das in der Debatte um die Klimapolitik die höchsten Wellen schlägt – und somit in der öffentlichen Wahrnehmung sehr präsent ist. Unabhängig von der Frage nach der Sinnhaftigkeit und/oder Wirtschaftlichkeit, stellt sie die relevanteste Option zur Reduktion des Heizwärmebedarfs von Bestandsgebäuden dar. Im Fokus steht hier wiederum die Fassadendämmung, die nicht nur mit den höchsten Kosten einhergeht, sondern bei Altbauten zudem die größten Herausforderungen bei der Umsetzung mit sich bringt.

Betrachtet man die erfassten Wohngebäude, so verfügen 48 % über eine ausreichende [3] und zugleich unbeschädigte Fassadendämmung. Eine Analyse der Daten nach Baualtersklassen liefert das zu erwartende Bild: Während Gebäude, die zwischen 1995 und 2011 erbaut wurden, zu über 90 % ausreichend gedämmt sind, liegt dieser Anteil insbesondere in der Baualtersklasse bis 1918, die deutlich mehr denkmalgeschützte Immobilien umfasst, mit 26 % klar niedriger (wobei die ausreichende Dämmung eines guten Teils dieser Gebäude wahrscheinlich im eher dicken Mauerwerk begründet liegt). Bei den wohl teilweise bereits in die Sanierung gekommenen Beständen von 1949 bis 1978 ist das Verhältnis hingegen mehr oder weniger ausgeglichen.

Warme Jacke, kalte Füße?

Ein regionaler Vergleich zwischen West- und Ostdeutschland zeigt deutliche Unterschiede. Während sich die Dämmungsquote der betrachteten Gebäude im Westen bei knapp über 40 % befindet, beträgt sie im Osten mehr als 70 %. Dieses Ergebnis stimmt mit der Einschätzung des GdW überein, wonach der Stand der energetischen Modernisierung in den neuen Ländern besonders hoch sei [4]. (Man geht von 86,7 % energetisch voll- oder teilsanierter Gebäude in den Beständen ostdeutscher Wohnungsunternehmen – im Gegensatz zu einer Quote von 50 % bei westdeutschen Beständen – aus.)

Angesichts der Diskussionen über die Fassadendämmung sollten jedoch das Dach und der Keller nicht vergessen werden: Bis zu 10 % der Heizwärme gehen etwa durch einen nicht gedämmten Keller verloren. Die Werte bei den untersuchten Gebäuden liegen tatsächlich nicht allzu weit auseinander: 46 % verfügen über ein ausreichend gedämmtes Dach (mit mindestens 12 cm Dachbodendämmung oder 14 cm Zwischensparrendämmung) und 38 % über eine ausreichende Kellerdämmung (von mindestens 6 cm).

Wärmeerzeuger-Fossilien?

In Zusammenhang mit dem Heizwärmebedarf ist aber natürlich auch die Frage von Interesse, wie diese benötigte Wärme überhaupt erzeugt wird. Dies spielt schließlich für die Klimaschutzziele ebenfalls eine entscheidende Rolle. Die Studie „Wärmewende 2030“ kommt zu dem Schluss, dass ab 2025 keine rein fossil befeuerten Gas- und Ölkessel mehr in Betrieb genommen werden dürften, wolle man eine CO2-Reduktion von 95 % erreichen. Vielmehr sei ein „Ölausstieg“ vonnöten, denn ein klimagerechter Gebäudewärmemix enthalte im Jahr 2030 nur noch 8 % Heizwärme aus Öl. Hingegen sollten vermehrt Wärmepumpen eingesetzt werden [5]. Bei den analysierten Gebäuden liegt der Schwerpunkt der Wärmeerzeugung auf Öl und Gas, gefolgt von Fernwärme. Sehr gering fallen indes die Zahlen für erdgasbetriebene Blockheizkraftwerke, Pellets- beziehungsweise Hackschnitzelkessel und eben oben genannte Wärmepumpen aus: Sie haben in den untersuchten Beständen selbst zusammengenommen nur einen Anteil von etwa 1 %. Innerhalb dieser Gruppe befinden sich dann die Blockheizkraftwerke klar vorne. In Sachen Wärmeerzeugung besteht hinsichtlich des untersuchten Bestands also noch umfassender Handlungsbedarf.

Dies wird noch deutlicher, wirft man einen Blick auf Bauelemente wie Photovoltaik- oder Regenwassernutzungsanlagen, die für eine eher nachhaltige Gebäudeausstattung stehen. Diese Elemente haben am untersuchten Gesamtbestand einen verschwindend geringen Anteil. Allerdings muss angemerkt werden, dass sie nur erfasst wurden, wenn sie dem Hauseigentümer und nicht einem externen Unternehmen gehören, so dass zumindest die Zahl der vorhandenen Photovoltaikanlagen weitaus höher sein könnte.

Die hier analysierten Gebäude befinden sich in den Beständen der Wohnungswirtschaft. Nicht vergessen werden darf jedoch, dass es sich bei der Mehrzahl der Wohnimmobilien in Deutschland um vorwiegend privat genutzte Ein- und Zweifamilienhäuser handelt – bei denen die Sanierungsrate zu niedrig ist [6]. Um die Klimaziele zu erreichen, wird es allerdings unumgänglich sein, die breite Masse der Bestandsgebäude energetisch zu verbessern. Anstelle einzelner Vorzeigeprojekte mit hohem Standard bedarf es hierzu effizienter und zugleich minimal-invasiver Lösungen, die flächendeckend eingesetzt werden können und wirtschaftlich sind.

Quelle[1] http://www.umweltbundesamt.de/themen/klima-energie/ treibhausgas-emissionen (07.08.2017)[2] http://web.gdw.de/pressecenter/stellungnahmen/3338- gdw-stellungnahme-zum-klimschutzplan-2050 (07.08.2017)[3] Das hier angewandte epiqr®-Verfahren betrachtet eine Wärmedämmung im Bereich der Fassade für Altbauten dann als ausreichend, wenn eine Dämmstoffdicke von mindestens 8 cm vorliegt, eine Wandstärke von mehr als 50 cm messbar ist, oder das Gebäude nicht vor 1995 errichtet wurde und somit den Erfordernissen der Wärmeschutzverordnung von 1995 entspricht.[4] http://web.gdw.de/pressecenter/pressearchiv/presse archiv-2015/2666-gdw-ostdeutschland-ist-vorreiter-bei- der-energetischen-gebaeudesanierung (07.08.2017)[5] Fraunhofer IWES/IBP (2017): Wärmewende 2030. Schlüsseltechnologien zur Erreichung der mittel- und langfristigen Klimaschutzziele im Gebäudesektor. Studie im Auftrag von Agora Energiewende[6] Renz, Ina/Hacke, Ulrike (2016): Einflussfaktoren auf die Sanierung im deutschen Wohngebäudebestand. Ergebnisse einer qualitativen Studie zu Sanierungs­-
anreizen und -hemmnissen privater und institutioneller Eigentümer. Darmstadt: IWU.

Die Dämmungsquote liegt im Westen bei knapp über 40 %,
im Osten beträgt sie mehr als 70 %.

In Sachen Wärmeerzeugung besteht hinsichtlich des untersuchten Bestands  noch umfassender Handlungsbedarf.

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