GdW-Präsident: Nicht nur Dichten und Dämmen

Axel Gedaschko stellte sich auf seiner NRW-Sommertour den Fragen des BundesBauBlatt-Teams: Das Thema Energie steht diesmal im Mittelpunkt. Warum?

Gedaschko: Energiewende ist das Thema der Stunde. Deshalb interessiert es mich natürlich sehr, wie unsere Mitglieder darüber denken. Ich sehe mir Best-Practice-Beispiele an und spreche mit allen Beteiligten. Ihre Ideen und Anregungen lasse ich dann in meine tägliche Arbeit einfließen.

Warum besuchen Sie gerade die ­Essener Klimaschutzsiedlung ­Dilldorfer Höhe der Allbau AG Essen?

Gedaschko: Die Klimaschutzsiedlung ist ein gutes Beispiel dafür, wie man sich den Themen Klimaschutz, Energieeffizienz und -erzeugung nähern kann. Leider wird in Deutschland noch zu oft allein auf das dämmen von Gebäuden gesetzt, um Energie zu sparen.

Eine CO2-arme Produktion von Strom und Wärme hat klimatisch häufig einen viel größeren Effekt und kann im Ergebnis für den Verbraucher auch noch deutlich preiswerter sein als der Versuch, die gleiche CO2-Einsparung durch Dämmung zu erreichen.

Das energetische Konzept der Siedlung kann sich sehen lassen: Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, die Nutzung von Erdwärme zur Beheizung und Warmwasserbereitung, solarthermische Anlagen und Gas-Brennwertgeräte mit solarthermischer Unterstützung.

Gedaschko: So ein Mix der Energieerzeugung ist noch nicht selbstverständlich. Solche Investitionen macht man aber auch nicht einfach mal so aus dem hohlen Bauch heraus. Sondern man verfolgt eine klare Zielstellung und es muss sich auch rechnen.

Gibt es eine Standard-Lösung?

Gedaschko: Natürlich könnte man Standards festlegen. Die Wirklichkeit sieht jedoch in jedem Keller anders aus. Es gibt regionale Vorschriften, manchmal werden Häuser und Siedlungen  zwangsweise ans Fernwärmenetz angeschlossen. Und die Frage, ob ich mit Hilfe der Solarthermie Warmwasser aufbereiten kann, hängt auch von der jeweiligen Verschattung eines Gebäudes ab. Insofern gibt es nicht die eine Lösung.

Sie machen sich dafür stark, dass ­Wohnungsunternehmen in Zukunft ihren Strom selbst produzieren und an die ­eigenen Mieter verkaufen.

Gedaschko: Mit Dichten und Dämmen allein werden wir die CO2-Ziele der Bundesregierung nicht erreichen. Im Prinzip müssten wir beispielsweise alle Gebäude aus den 1990er-Jahren noch einmal dämmen, wenn wir die geforderte Energie einsparen wollen. Das ist aber nicht zu finanzieren.

Gleichzeitig haben wir das Problem, dass die Warmmieten und Strompreise steigen. Wenn die Mieten bezahlbar bleiben sollen, müssen wir die klimapolitischen Vorgaben anders erreichen, etwa durch eine dezentrale Versorgung mit Energie.

Die Energiekonzerne werden über diese Konkurrenz nicht gerade begeistert sein.

Gedaschko: Der RWE-Vorstand hat sich seltsamerweise noch nicht bei mir gemeldet. Aber Spaß beiseite. Erstmal müssen wir überhaupt anfangen. Es gibt bereits Wohnungsunternehmen, die in diesem Bereich aktiv sind.

Die spannende Frage ist indes: Wie groß ist die Bereitschaft der Mieter, diesen Strom und diese Wärme abzunehmen? Und die Erfahrung der von uns besuchten Unternehmen zeigt: 92 bis 98 % der Mieter nehmen ihrem Wohnungsunternehmen den selbstproduzierten Strom ab, da er günstiger ist als der Tarif des jeweiligen örtlichen Hauptanbieters.

Die Mieter freuen sich natürlich, keine Frage, aber – noch einmal – was ist mit den Energiekonzernen?

Gedaschko: Ich glaube, die Konzerne haben uns noch nicht wirklich auf der Rechnung, weil wir mit dem Angebot noch nicht ernsthaft in Erscheinung getreten sind. Wir gehen jetzt zunächst mit unseren Überlegungen und Konzepten auf die Politik zu.

Im Übrigen: Wir werden die bisherigen Anbieter künftig weniger brauchen als bislang. Im Gegensatz zu den Energieriesen, geht es uns nicht um den Gewinn. Das, was wir auf diese Weise erwirtschaften, wollen wir dafür einsetzen, die Warmmiete zu begrenzen – und das ist nun mal ein ganz anderes Geschäftsmodell, als es große Energieversorger haben.

Natürlich werden dadurch manche bisher große Stücke des Kuchens künftig kleiner. Wir hoffen aber, dass sich so ein Wettbewerb entwickelt, der zu begrenzten Kosten für das Heizen, Warmwasser und auch Strom führt.

Beim Stromverkauf an die eigenen ­Mieter gibt es auch steuerliche und rechtliche Stolperfallen.

Gedaschko: Ja, es gibt vor allem ein steuerliches Problem, das gelöst werden muss. Vermietungsgesellschaften dürfen eigentlich keine artfremden Einnahmen haben. Will ein Unternehmen selbst Strom verkaufen, könnte das Vermietungsgeschäft gewerbesteuerpflichtig werden. Für die Unternehmen wäre es unter diesen Umständen nicht mehr interessant, als Stromanbieter aufzutreten. Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, müssen die Unternehmen deshalb das Geschäft mit dem Strom in eine eigene Gesellschaft ausgliedern. Dieser Weg ist übrigens völlig legal, auch wenn er – zugegebenermaßen – umständlich ist.

Welche Weichen muss die Politik stellen, um den Wohnungsunternehmen den Einstieg in die Stromproduktion zu erleichtern?

Gedaschko: Die Politik müsste für Planungssicherheit sorgen. Entweder durch eine Anweisung oder, noch besser, durch eine gesetzliche Regelung.

Was tut der GdW dafür?

Gedaschko: Wir führen Gespräche – und zwar mit Politikern aller Fraktionen. Doch das Bundesfinanzministerium lehnt unseren Vorschlag bislang ab.

Reflexartig wird unterstellt, dass es uns um einen Steuervorteil geht. Doch das ist nicht der Fall. Wir wollen lediglich verhindern, dass wir durch das Geschäft mit Strom und Wärme einen steuerlichen Nachteil im Vermietungsgeschäft haben. Einkünfte aus Strom und Wärme würden ganz normal versteuert.

Wohnungsunternehmen als Kraftwerksbetreiber, daran muss man sich erst einmal gewöhnen.

Gedaschko: Kraftwerk ist ein großes Wort. Wir wollen ja keine 500 MW-Anlagen in den Wohnquartieren errichten. Minikraftwerk oder MiniKWK passt da schon eher. Es geht uns aber nicht nur um die Stromproduktion, sondern auch um das Speichern von Energie. Es wird Zeiten geben, in denen wir Photovoltaikanlagen und Windkrafträder abregeln müssten, da es ein Überangebot an Strom gibt. Diese überschüssige Energie zu speichern und dann wieder abzugeben, wenn sie gebraucht wird, ist die zentrale Herausforderung der Energiewende. Hierfür benötigen wir in Deutschland dringend Lösungen, die in unsere Gebäude integriert werden können.

Wenn Ihre Mitglieder künftig mehr ­Energie erzeugen sollen, dürfen Sie doch nichts dagegen haben, einen höheren Anteil Erneuerbarer Energien vorzuschreiben – im Neubau und im Bestand.

Gedaschko: Nein, so ist das nicht. Es ist ein Unterschied, ob einem etwas vorgeschrieben wird oder ob es einem selbst überlassen ist, wie er die Energiesparziele erreicht.

Zwang löst bei Menschen immer eine Abwehrreaktion aus. Die Unternehmen engagieren sich schon heute und tun das, was wirtschaftlich möglich ist. Wir müssen aufpassen, dass wir uns  durch gesetzgeberische Vorschriften nicht alle günstigen Wohnbestände wegsanieren. Auch wird der Entscheidungsspielraum durch allgemeine Zwangsmaßnahmen oft derart eingeschränkt, dass nicht die für das konkrete Objekt beste Alternative realisiert werden kann. 

Weshalb ist eine freiwillige, aber wissenschaftlich kontrollierte Klimaschutzvereinbarung besser als Ordnungsrecht?

Gedaschko: Klimaschutzvereinbarungen sind schon in vielen Regionen gelebte Realität. Die Politiker sind gut beraten, dieses Instrument zu stärken. Überall da, wo es eine solche Vereinbarung gibt, wurden die Klimaschutzziele nachweislich überschritten.

Im Gegensatz dazu ist beispielsweise in Baden-Württemberg wegen des Zwangs zur Nutzung Erneuerbarer Energien die Erneuerungsrate bei Anlagen zur Wärmeerzeugung nach der Einführung einer entsprechenden gesetzlichen Vorschrift zunächst drastisch zurückgegangen.

Wir haben von der Energieerzeugung gesprochen. Kommen wir zu einem anderen wichtigen Thema, der energetischen Gebäudesanierung. Schlecht gedämmte Häuser sind Energiefresser und bieten ein riesiges Einsparpotenzial. Die Bundesregierung will deshalb die energetische Sanierung zu einem ­Eckpfeiler der Energiewende machen. Bis 2050 soll der Energieverbrauch in Gebäuden um 80 % sinken. Doch das ­Projekt kommt kaum voran.

Gedaschko: Weil nicht mit Augenmaß vorgegangen wird. Die Kostenschraube ist in vielen Märkten bereits überdreht. Wenn man nicht einmal 70 Cent auf die Kaltmiete aufschlagen kann, läuft irgendetwas schief. Dann lassen sich Wohnungen auch nicht mehr sanieren.

Warum tritt die Wohnungswirtschaft hier auf der Stelle? Ziel ist eine Sanierungsrate von 2 %. Die Unternehmen des VdW Rheinland Westfalen stehen bei 1,15 %, der GdW liegt insgesamt bei 1 %.

Gedaschko: Zunächst einmal liegt die Wohnungswirtschaft hier an der Spitze der Entwicklung. Die Vollsanierungsrate unserer Unternehmen liegt mit 1 % deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Der allgemeine Durchschnitt liegt bei nur 0,19 %. Hinzu kommt noch die Teilsanierungsrate von 1,9 % bei GdW-Unternehmen. Problematisch ist natürlich, dass die Wirtschaftlichkeit vieler Maßnahmen einfach nicht mehr gegeben ist. Bei der Fassadendämmung etwa stimmt das Verhältnis von Aufwand und Ertrag bei vielen Projekten nicht mehr. Hier ist der Gesetzgeber gefragt. Er könnte durch Förderprogramme Anreize schaffen, die im Ergebnis die Wirtschaftlichkeit wiederherstellen.

Der Staat soll also helfen. Welche ­Maßnahme könnte denn greifen?

Gedaschko: Beispielsweise die steuerliche Förderung der Gebäudesanierung. Gerade Privateigentümern könnte dies helfen. Doch der Bundesrat blockiert die Pläne. Einige Länder wollen sich schlicht nicht an den Kosten beteiligen.

Ist die Energiewende ohne Gebäude­sanierung überhaupt realistisch?

Gedaschko: Die Gebäudesanierung ist ein elementarer Teil der Energiewende. Man muss das aber in aller Deutlichkeit so sagen: Es geht hier nicht nur allein um Klimaschutz, sondern auch um knallharte Lobbypolitik, bei der es um die Vermengung mit ganz anderen Themen und Interessen geht, nicht aber um den vordergründig benannten Klimaschutz.

Aber dadurch geht doch viel Zeit ­verloren.

Gedaschko: Schlimmer noch: es tritt Attentismus ein. Alle warten erst einmal ab, was passiert. Eine Studie des Forschungsinstituts InWIS hat ergeben, dass die derzeitige Sanierungsrate in Deutschland in den Jahren 2005 bis 2010 jährlich bei 0,19 % der Wohneinheiten liegt, die energetisch komplett modernisiert wurden. Immerhin liegt die GdW-Quote um das Fünffache höher.

In der Bevölkerung wächst der Unmut über steigende Energiepreise wegen der Energiewende. Wie lange wird es dauern, bis die Diskussion auch über steigende Mieten in der Bevölkerung angekommen ist?

Gedaschko: Sie ist schon angekommen. Gleichwohl wird in diesem Zusammenhang vornehmlich über steigende Strompreise geredet. Dabei schlagen Öl und Gas kostenmäßig viel stärker zu Buche.

Die Strompreise sind durch die Energiewende hausgemacht. Teures Öl und Gas ist aber ein globales Problem. Damit die Wohnungsmieten hierzulande nicht aus dem Ruder laufen, wäre mein Vorschlag an die Bundesregierung: Bewahrt uns vor dem Dämm-Wahnsinn und fördert stattdessen auch stärker die dezentrale Erzeugung CO2-armer und preiswerter Energie in den Wohnquartieren.

Sie haben mehrfach vor einer Verschärfung der Anforderungen an die Sanierung oder den Neubau von Wohngebäuden gewarnt.

Gedaschko: Wenn bei der Energiewende im Gebäudebereich nicht die richtige Richtung eingeschlagen wird, landet sie direkt im Aus. Deshalb sehe ich die geplante Verschärfung der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2012 extrem kritisch. Technisch ist das zwar alles machbar. Doch verschärfte Vorschriften würden die Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen bedrohen und normale Wohnungen noch teurer machen.

Was gut fürs Klima ist, kann also vor allem für sozial schwache Mieter zur Katastrophe werden.

Gedaschko: Genauso ist es. Gerade Hartz IV-­Empfänger haben schon jetzt darunter zu leiden. Wird ihre Wohnung saniert, kann es passieren, dass die Wohnung zu teuer wird und das Jobcenter den Umzug fordert. Insbesondere Schwellenhaushalte werden heute schon vielfach vor kaum noch lösbare Probleme gestellt. So kann eine Energiewende auch nicht gelingen. 

Wie sieht ihr Kompass für die richtige CO2 -Vermeidungsstrategie in der ­Energiewende aus?

Gedaschko: Wir stehen zur CO2 -Vermeidungsstrategie. Aber wir sagen auch: Mit Dämmen allein ist es nicht getan. Denn durch eine dezen­trale Versorgung mit Energie würde beim bundesweiten Ausbau der Energienetze viel Geld gespart, was den Mietern zugute­käme.

Herr Gedaschko, wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

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