Bodenpolitische Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl 2021 – ein Zwischenfazit

2020 hat sich das Bündnis Bodenwende konstituiert, ein überparteilicher Zusammenschluss von Akademien, Kammern, Verbänden und Stiftungen aus den Bereichen Architektur und Raumplanung, Umwelt und Naturschutz sowie Soziales und gesellschaftliche Teilhabe. Das Bündnis zielt darauf ab, in Politik und Gesellschaft das Bewusstsein für die zentrale Rolle einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik bei der Bewältigung der großen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte zu stärken.

Bodenpolitik ist ein Querschnittsthema, das zahlreiche Ressorts auf allen staatlichen Ebenen betrifft. Sozialer Zusammenhalt, angemessene Wohnraumversorgung, gleichwertige Lebensbedingungen in Stadt und Land, eine gerechtere Vermögensverteilung, wirksamer Klimaschutz und Klimaanpassung, Biodiversität, sichere und nachhaltige Nahrungsmittelproduktion und nicht zuletzt die Krisen-Resilienz von Städten und Gemeinden (z.B. bei Pandemien) hängen von der Verfügbarkeit von Boden für die Daseinsvorsorge ab.

Das Bündnis Bodenwende hat im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 Wahlprüfsteine erarbeitet und Politik und Öffentlichkeit zugeleitet. Zur Halbzeit der Legislaturperiode erscheint eine Zwischenbilanz angezeigt.

Entwicklung seit 2021

Die Wahlprogramme der späteren Koalitionspartner enthielten, wenn auch in unterschiedlicher Intensität, vielfältige bodenpolitische Ziele. SPD und Bündnis 90/Die Grünen bekannten sich direkt oder indirekt zu einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik und bekundeten u.a. die Absicht, die Bodenspekulation einzudämmen, das Vorkaufsrecht gemeinwohlorientiert zu erweitern, den schon seit langem diskutierten Planungswertausgleich endlich einzuführen (SPD) und den sogenannten Share Deals entgegenzuwirken. Letzteres fand sich ebenfalls im Wahlprogramm der FDP.

Bis auf dieses Vorhaben enthält der Koalitionsvertrag vom 7.Dezember 2021 (S. 69 ff.) ansonsten eher allgemeine Aussagen zur Bodenpolitik: „Wir werden das Baugesetzbuch (BauGB) mit dem Ziel novellieren, seine Instrumente noch effektiver und unkomplizierter anwenden zu können, Klimaschutz und -anpassung, Gemeinwohlorientierung und die Innenentwicklung zu stärken sowie zusätzliche Bauflächen zu mobilisieren und weitere Beschleunigungen der Planungs- und Genehmigungsverfahren vorzunehmen. …“ Als konkrete Punkte werden u.a. genannt:

• Erneute Prüfung der Einführung eines Innenentwicklungsmaßnahmegebietes (IEM), das bereits in der 18. Legislaturperiode als Konzept entwickelt und in der 19. Legislaturperiode mit einem bundesweiten Planspiel erfolgreich auf seine Anwendbarkeit geprüft worden war;

• Entfristung der Regelungen des Baulandmobilisierungsgesetzes mit Ausnahme von § 13b BauGB;
Bodenpolitische Wahlprüfsteine 2021 Zwischenfazit

• Prüfung gesetzgeberischen Handlungsbedarfs auf Grund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. November 2021 zum gemeindlichen Vorkaufsrecht in Gebieten einer Erhaltungssatzung (Milieuschutzsatzung).

Die vom Bündnis Bodenwende wegen des Querschnittscharakters der Bodenpolitik als sinnvoll erachtete und mehrmals nachdrücklich ins Gespräch gebrachte „Enquete-Kommission zur gemeinwohlorientierten Bodenpolitik“ fand dagegen keine Berücksichtigung.

Das im Frühjahr 2022 konstituierte „Bündnis für bezahlbares Wohnen“ veröffentlichte im Oktober 2022 Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive, wobei bodenpolitische Instrumente ein Randthema bleiben. Zum „Themenfeld 3: Nachhaltige Bodenpolitik und Baulandmobilisierung“ enthalten die Unterabschnitte „Liegenschaftsmanagement der öffentlichen Hand“ und „Baulandmobilisierung und -entwicklung“ im Wesentlichen Empfehlungen an die Kommunen zur Anwendung bestehender Instrumente. Die schon im Koalitionsvertrag enthaltenen Prüfaufträge werden wiederholt und um den etwaigen Handlungsbedarf zur Abschöpfung von planungsbedingten Wertsteigerungen von Grund und Boden (Planungswertausgleich) sowie „umsetzbarer und wirksamer Instrumente zur Dämpfung des unverhältnismäßigen Anstiegs von Baulandpreisen unter Ausschluss von Umgehungstatbeständen“ ergänzt. Wenn nach mehrjähriger Diskussion über wirksamere bodenpolitische Instrumente erneut Prüfungs- oder lediglich weiterer Diskussionsbedarf festgestellt wird entsteht der Eindruck, dass eine Stärkung der Sozialbindung des Eigentums (Art.14 Abs. 2 GG) nicht wirklich gewollt ist.

Auf der kommunalen Ebene sind dagegen erfreulicherweise zunehmend Aktivitäten im Sinne einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik zu verzeichnen. Eine im Jahr 2021 vor Inkrafttreten des Baulandmobilisierungsgesetzes durchgeführte Untersuchung des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) zur Praxis der kommunalen Baulandmobilisierung und Bodenpolitik hat gezeigt, dass vor Ort die Notwendigkeit einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik zunehmend bewusst ist und vorhandene Instrumente verstärkt genutzt werden. Diese Untersuchung hat auch weiteren Ergänzungsbedarf des „Instrumentenkastens“ deutlich gemacht (z.B. beim Vorkaufsrecht und beim Baugebot), dem mit dem Baulandmobilisierungsgesetz 2021 nur zum Teil Rechnung getragen wurde.

Ausblick

Eine wirksame gemeinwohlorientierte Bodenpolitik ist unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg zentraler politischer Handlungsfelder. Sie dient nicht nur der Baulandbeschaffung. Das zeigen aktuell die Auswirkungen einer verstärkten Nutzungskonkurrenz zwischen Ernährungssicherung, Erzeugung erneuerbarer Energien, natürlichem Klimaschutz und Sicherung der Biodiversität auf den landwirtschaftlichen Bodenmarkt. Das Bewusstsein der Bedeutung gemeinwohlorientierter Bodenpolitik als Querschnittsaufgabe ist auf Bundes- und Länderebene gleichwohl nach wie vor nur schwach ausgeprägt.

Das Bündnis Bodenwende appelliert daher an den Bundesgesetzgeber, zur grundlegenden Aufbereitung des Handlungsfeldes „Gemeinwohlorientierte und nachhaltige Bodenpolitik“ spätestens in der 21. Legislaturperiode eine Enquete-Kommission einzurichten.

In den Expertengesprächen im Vorfeld des Gesetzgebungsverfahrens zur „großen BauGB-Novelle“ im Jahr 2023 spielten Fragestellungen einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik – soweit erkennbar – leider eher eine Nebenrolle. Aus dem Expertenkreis wurden allerdings durchaus konkrete Vorschläge etwa zur Weiterentwicklung des Vorkaufsrechts eingebracht. Aus Sicht des Bündnis Bodenwende sind die Rahmenbedingungen für eine aktive und gemeinwohlorientierte kommunale Bodenpolitik vor allem durch folgende Maßnahmen zu verbessern:

• Weiterentwicklung des Vorkaufsrechts (Bodenvorratspolitik, stärkere Preislimitierung);

• erleichterte Zugriffsmöglichkeiten auf unbebaute baureife Grundstücke und „Schrottimmobilien“ über die Regelungen des Baulandmobilisierungsgesetzes hinaus, z.B. durch ein kommunales Ankaufsrecht;

• erleichterte Anwendung des Baugebotes (u.a. Entfall der „Enkelregelung“) und Einführung des IEM als gebietsbezogenes Baugebot, sowie nicht zuletzt

• eine (zumindest überwiegende) Abschöpfung von ohne Leistungen der Eigentümer entstandenen Bodenwertsteigerungen (Planungswertausgleich) zur Refinanzierung einer aktiven kommunalen Bodenpolitik.

Das Bündnis Bodenwende appelliert daher an den Bundesgesetzgeber, eine Erweiterung des bodenpolitischen Handlungsspielraums für die Kommunen im Rahmen der laufenden „großen BauGB-Novelle“ zumindest in einem ersten Schritt umzusetzen.

Die 1971 vom damaligen Bundespräsidenten Gustav Heinemann gestellte Frage: „Wann endlich erfüllt der Gesetzgeber bei dem Bodenrecht … seine verfassungsmäßige Pflicht?“ Ist weiterhin aktuell.

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