Städtebauliche Lösungen für lebenswerte Stadtquartiere

Stellvertretend für das breite Spektrum an Praxiserfahrungen in den Modellvorhaben, sowohl im Bezug auf städtebauliche Aspekte als auch auf Verfahren und Akteurskonstellationen, werden hier drei Lösungen im ExWoSt-Forschungsfeld exemplarisch beleuchtet.

Über den Zeitraum von drei Jahren wurden 27 Modellvorhaben im ExWoSt-Forschungsfeld „In­­novationen für familien- und altengerechte Stadtquartiere“ als „städtebauliche Labors“ in der Entwicklung und Umsetzung begleitet. Im Ergebnis konnte in den Bereichen Gemeinschaftseinrichtungen, urbane Freiräume und nachbarschaftsorientierte Wohnangebot eine Vielzahl innovativer Strategien und Lösungsansätze für die Entwicklung zukunftsfähiger Stadtquartiere aufgezeigt werden.

Multifunktionale Grundrisskonzepte in Gemeinschaftseinrichtungen
Um die Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzergruppen unter einem Dach zu vereinen, sind für generationenübergreifende Gemeinschaftseinrichtungen offene, multifunktionale Raumkonzepte gefragt, die die flexible Anpassung auch an sich langfristig verändernde Bedarfe erlauben.
Bei der Entwicklung eines Stadtteilzentrums in Sonneberg, das Stadt und Kirche in Kooperation betreiben, waren außergewöhnliche Ansprüche in Bezug auf Multifunktionalität zu erfüllen. Der Neubau gliedert sich in drei große Nutzungsbereiche: ein Begegnungszentrum, ein kirchliches Gemeindezentrum und eine Multifunktionshalle – das Herzstück. Sie ist für den Freizeit- und Breitensport konzipiert, verfügt über eine Büh­­ne, die kulturelle Veranstaltungen ermöglicht, und wird sogar für Gottesdienste genutzt.
Die sehr unterschiedlichen funktionalen und ästhetischen Ansprüche, die sich aus der Nutzung für Sport sowie für Gottesdienste ergeben, wurden durch mobile Ausstattungselemente – einfahrbare Sprossenwände, abdeckbare Altarwand etc. beantwortet. Auf potenzielle Nutzungskonflikte, resultierend aus unterschiedlichen Bedürfnissen der einzelnen Nutzungen in Bezug auf Ruhe und Bewegung, Intimität und Offenheit, wurde z.B. durch Sichtschutzelemente, akustisch geeignete Prallwände u.ä., reagiert.

Anspruchsvolle und bedarfsgerechte
Gestaltungslösungen für urbane Freiräume
Die „Kolonnaden Alte Salzstraße“ entstanden auf einer 3250 m² großen Rückbaufläche in Leipzig-Grünau (BundesBauBlatt 11/2009). Im offenen Dialog haben Bewohner, Woh­­nungsbaugenos-senschaft, Kommune und eine Landschaftsarchitektin eine für den Großsiedlungskontext maßstabsgerechte Gestaltungslösung entwickelt, die den vielfältigen Anforderungen eines Gemeinschaftsgartens entspricht.
Eine geschwungene Holzpergola bildet das Rückgrat der Kolonnaden, deren Ausstattung auf die Selbstorganisation ausgerichtet ist. Gerätespinde, ein Gartenzimmer, Wasser- und Stromanschluss erleichtern die Gartenpflege und die Durchführung von Veranstaltungen, Grundwasserbrunnen und Photovoltaikanlage sorgen für niedrige Bewirtschaftungskosten. Konstruktiv ermöglicht die Pergola zusätzliche Nutzungswünsche, wie Hängematten oder eine Begrünung und hält möglichem Vandalismus stand. Zur generationenübergreifenden Nutzung regen eine Wildwiese, ein Duftgarten, Hochbeete und Felder zur gärtnerischen Betätigung sowie ein Teich mit Bach und Brunnen an. Niedrige Hecken, Sichtschutzzäune und eine Trockenmauer fassen den Garten ein, ohne auszugrenzen.
Eine Gemeinschaft von Anwohnern hat sich über dieses Projekt kennen gelernt und die Pflege und Betreuung des Gartens übernommen. Für Viele sind die Kolonnaden zu einem „grünen Wohnzimmer“ vor der Haustür geworden.

Eine Genossenschaft ist offen für unterschiedliche Generationen und Nachfragegruppen – mit Erfolg
Der Vereinigten Wohnstätten 1889 eG ist es in Kassel gelungen, in einem Bestandsquartier und auf einer Konversionsfläche neue und bestehende Wohnangebote nachfragegerecht (um-) zu strukturieren: Neben einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt wurden 15 barrierefreie Wohnungen und zwei Wohnungen für ambulant betreute Pflegewohngruppen realisiert.
Die Genossenschaft hat zudem gezeigt, wie man durch Bestandsveränderungen ein neues Image und jüngere Nachfrager gewinnen kann: In einer Häuserzeile mit 62 Wohneinheiten wurden 32 Wohnungen zu 16 Maisonettewohnungen zusammengelegt. Diese werden vor allem von Familien nachgefragt, da nicht nur der Schallschutz beim Leben über zwei Etagen Vorteile bringt, sondern auch die im Erdgeschoss zugeordneten privaten Gärten. Obwohl der Umbau je Wohnung rund 8000 € teurer ist als bei der Zu­­sammenlegung von zwei Wohnungen auf einer Ebene, rechnen sich die „Mehrkosten“, weil das Quartier eine aufwertende Mischung von Jung und Alt erreicht.
Die Genossenschaft hat auch Häuser entsprechend den Wünschen von Interessentengruppen, die gemeinschaftlich wohnen wollen, um­­gebaut. Der Erfolg der Quartierskonzepte ist die Kombination aus baulich anspruchsvollen Lö­­sungen, sozialen Projekten (z.B. Nachbarschaftsverein „Hand in Hand“), der Vernetzung von Akteuren im Stadtteil sowie der Offenheit des Unternehmens.

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