Variowohnen

Bezahlbarer Wohnraum für Studierende

 Klein, flexibel und bezahlbar: Das ist die Idee hinter dem Modellvorhaben „Variowohnen“, das das Bundesbauministerium im Rahmen der Forschungsinitiative Zukunft Bau förderte. Als erstes von insgesamt 20 Projekten in ganz Deutschland ist die Studierendenwohnanlage der Hochschule Bochum am Standort Velbert/Heiligenhaus in Betrieb gegangen. In nur einem Jahr Bauzeit errichteten Krampe Schmidt Architekten aus Bochum 24 Variowohnungen. Insgesamt 42 Studierende finden seit Beginn des Sommersemesters 2019 hier ein Zuhause.

Heiligenhaus, eine 26.000-Einwohner-Stadt im Städtedreieck zwischen Essen, Düsseldorf und Wuppertal, ist eine junge Hochschulstadt. Erst 2009 wurde der Campus Velbert/Heiligenhaus als neuer Außenstandort der Hochschule Bochum gegründet. Mit der neuen Wohnlage steht nun auch geeigneter Wohnraum für Studierende zur Verfügung. Umgeben ist das 2700 m2 große Gebäude von den Grünflächen des öffentlichen Hefelmannparks. Gleichzeitig liegt es nur einen Steinwurf entfernt von den Hochschulgebäuden. Wohnen am Park, Lernen am Campus und die besondere Lage mitten in der Innenstadt von Heiligenhaus gehen hier eine besondere Symbiose ein.

Im März 2019 zogen die ersten Studierenden ein und hatten die Wahl zwischen zwei Wohntypen. „Es gibt Wohngemeinschaften und Einzelappartements, alle barrierearm gestaltet und sehr individuell auf die Bedürfnisse der Studierenden abgestimmt“, erklärt Ulrich Krampe, Gesellschafter von Krampe Schmidt Architekten. Die Wohnungen sind mindestens 20 m2 groß – bei einer in den Förderkriterien festgelegten Warmmiete von 280 € bis 300 €. Dafür bekommen die jungen Bewohner voll möblierte Wohnungen mit Küchenzeile und einem Bad je zwei Zimmern. Im Untergeschoss stehen Fahrradstellplätze und eine Tiefgarage zur Verfügung. Toben und Spielen ausdrücklich erwünscht, heißt es im südlichen Teil des Erdgeschosses. Hier ist eine Kinder- und Großtagespflege eingezogen, in der maximal neun Kinder betreut werden. Sie profitieren von der grünen Lage des Gebäudes mitten im Park und einem direkten Zugang zu den großzügigen Spielflächen im Außenbereich des Hauses.

Wandelbares Gebäude

Mit den Modellvorhaben zum „Variowohnen“ will das betreuende Bundesinstitut für Bau-, Stadt-, und Raumforschung (BBSR) zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Während derzeit preiswerter Wohnraum für Studierende dringend benötigt wird, sind es in zehn Jahren wahrscheinlich mehr Wohnungen für Senioren. Projekte wie das in Heiligenhaus sollen dementsprechend für künftige Nutzungen flexibel bleiben. Gleichzeitig sollen besondere Lösungen zur Bauzeitverkürzung, Senkung der Betriebskosten, Bereitstellung und Qualität gemeinschaftlich nutzbarer Flächen und für das barrierefreie Wohnen erprobt werden. Rund 560.000 € von insgesamt 37 Mio. € aus dem Zukunftsinnovationsprogramm der Bundesregierung flossen dazu an den Bauherrn, das Akademische Förderungswerk Bochum (AKAFÖ).

Flexible Nachnutzungskonzepte

Die so entstandenen Wohnungen können zu einem späteren Zeitpunkt problemlos umgebaut werden – etwa für die Nutzung durch Senioren oder Familien. Großzügige Geschosshöhen im Erdgeschoss lassen zudem auch andere Nutzungen, beispielsweise als Co-Working-Space, zu. Die leicht veränderbaren Grundrisse sind bereits in der Tragstruktur angelegt: Die Geschossdecken des klar strukturierten Gebäudes sind mit weitspannenden Spannbeton-Hohldielen ausgeführt, wodurch neben den tragenden Außenwänden lediglich eine längslaufende tragende Wand nötig ist. Dadurch lassen sich die Wohnungen bei Bedarf zu größeren Einheiten zusammenschalten oder komplett verändern. Darüber hinaus können die derzeit eingeschossigen Teile aufgestockt werden und zusätzliche Nutzfläche bereitstellen.

Schneller Bauen

Bei den Variowohnungen sollte es vor allem schnell gehen. „Deutlich unter 18 Monaten“ lautet eines der Förderkriterien. Krampe Schmidt Architekten genügten lediglich 12 Monate. „Ziel war es, eine wettergeschützte Gebäudehülle möglichst früh herzustellen um den Ausbau im Inneren ohne Zeitverlust vorantreiben zu können“, weiß Projektarchitekt Tobias Hollender. Fast die gesamte Außenwandkonstruktion wurde aus großen Kalksandstein-Plansteinen und Fertigstürzen errichtet. Direkt nach dem Verlegen der Spannbeton-Deckenelemente konnten die Trockenbauarbeiten und die In­stallation der Haustechnik beginnen. Identische Grundrisse und Details erleichterten den Handwerkern die Arbeit. Parallel dazu blieb genügend Zeit, die Fassade aus hellem Backstein herzustellen.

Gemeinsam Leben ohne Barrieren

Im Erdgeschoss befinden sich ein großzügiger Gemeinschaftsbereich und ein offenes, helles Foyer, das den Studierenden als Treffpunkt dient. Projektarchitekt Tobias Hollender ergänzt: „Besonderer Clou ist die Dachterrasse des Gebäudes mit ihrem Lounge-Charakter, die allen Bewohnern offensteht.“

Wichtiges Förderkriterium und essenziell für das gemeinsame Zusammenleben ist die barrierearme Ausstattung: Das BBSR orientierte sich dabei am „ready“-Standard. Bei der Studierendenwohnanlage Velbert/Heiligenhaus wird der gehobene Standard „ready-Plus“ im Erdgeschoss vollständig erfüllt. Hier befinden sich barrierefreie Einzelappartements. Auf der übrigen Wohnfläche wird zunächst nur der etwas geringere Standard „ready“ erfüllt, insbesondere da ein Aufzug nicht realisiert, aber zu einem späteren Zeitpunkt nachgerüstet werden kann.

Energie und Betriebskosten sparen

Ein nachhaltiges Gebäude zu gestalten, war erklärtes Ziel der Bochumer Architekten. „Unser Wohnheim erfüllt den Passivhausstandard“, betont Konrad Dölger, bauleitender Projektarchitekt. Damit ist es sogar höherwertiger ausgeführt, als der in den Förderkriterien verlangte KfW-55-Standard. Um einen ausgewogenen Energiehaushalt zu gewährleisten, sind die Flachdächer mit einer extensiven Dachbegrünung versehen. Sowohl im Sommer als auch im Winter schafft die hochwärmegedämmte Lochfassade eine wirksame Energiebilanz. Die Wohneinheiten verfügen über dezentrale Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung, deren An- und Absaugung von außen verdeckt in die charakteristischen schrägverlaufenden Fensterpaneele integriert ist. Aufwendige Wartungsarbeiten, wie sie im Falle einer zentralen Lüftungsanlage anfielen, sollen so eingespart werden. Die nötige Wärmeenergie liefert ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk im Untergeschoss. Zur Senkung der Betriebskosten tragen technische Verbrauchsbegrenzer an den haustechnischen Anlagen bei.

Fazit

Bis Ende 2019 will das BBSR die Erfahrungen der 20 Modellvorhaben zusammentragen und wissenschaftlich auswerten, um Erkenntnisse für ähnliche Vorhaben in der Zukunft zu gewinnen. In Heiligenhaus zeigt sich bereits jetzt, dass hochwertige und zukunftsfähige Gebäude bezahlbar sein können. Statt der geforderten Lebenszykluskosten von 2000 €/m2 BGF netto werden die tatsächlichen Kosten deutlich darunter liegen.

Mit „Variowohnen“ werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Während derzeit preiswerter Wohnraum für Studierende dringend benötigt wird, sind es in zehn Jahren wahrscheinlich mehr Wohnungen für Senioren.

Bei den Variowohnungen sollte es vor allem schnell gehen.
„Deutlich unter 18 Monaten“ lautet eines der Förderkriterien.

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