„Containerstadt“ für Kreative
Wer entlang der Dachauer Straße in München am sogenannten „Lamento-Areal“ vorbeifährt, traut seinen Augen kaum. Innerhalb nur weniger Wochen sind hier unkonventionelle Häuserfassaden aus dem Boden gewachsen, so kreativ und fröhlich mit ihren kunterbunten Metallfassaden, dass man einfach wissen will, was dahintersteckt.
Das „Kreativlabor“ mitten im Herzen der Bayerischen Landeshauptstadt soll fit für die Zukunft gemacht werden. Und FAGSI ist mittendrin. Denn während hier eines der derzeit spannendsten Stadtentwicklungsprojekte Münchens vorangetrieben wird, sollen Künstler und Künstlerinnen aller Sparten das Gebäudeensemble des Containerspezialisten als kreative Atelier- und Ausstellungsfläche nutzen.
Wo früher die Münchner Luitpoldkaserne stand, haben sich inzwischen viele Interimsnutzungen angesiedelt. Nun soll auf der rund 20 Hektar umfassenden Innenstadtfläche – etwa auf halber Strecke zwischen Stachus und Olympiapark – ein urbanes Stadtquartier entstehen: Ein spannender Mix aus Wohnen, Arbeiten, Kunst, Kultur und Wissen. Mindestens 820 Wohnungen, eine Grundschule, ein Hochschul-Neubau, Bauten für Gewerbe und Einzelhandel sowie öffentliche Grünflächen sind hier geplant – mit den denkmalgeschützten Industriebauten Jutier- und Tonnenhalle als kulturellem Zentrum. Im nördlichen Teil des Areals hat sich eine lebendige Kunst- und Kulturszene etabliert, deren Potenzial zur Identitätsbildung des neuen Quartiers beitragen soll.
Auch das Kreativlabor gehört dazu. Seit geraumer Zeit wird es von der Münchner Gewerbehof- und Technologiezentrumsgesellschaft mbH (MGH) verwaltet. Das Unternehmen betreut hier als Beteiligungsgesellschaft der Landeshauptstadt kleine Firmen – vornehmlich aus der Kunst- und Kreativszene.
Mehrere bis zu 100 Jahre alte Gebäude mit zum Teil sehr hohem Sanierungsbedarf standen hier bislang Künstlern und Künstlerinnen als Arbeits- und Ausstellungsräume zur Verfügung. Während diese Bestandsbauten in den kommenden Jahren auf einen zeitgemäßen Stand gebracht werden und gleichzeitig die Planung für drei Neubauten auf dem Gelände startet, schafft eine kleine „Containerstadt“ aus FAGSI-Qualitätscontainern würdigen Ersatz.
Bürger mit Kreativszene zusammenbringen
Bauherrin der temporären Ateliers ist die MGH. „In Bezug auf die künftige Neubebauung der „Lamentofläche“ mit vorgeschaltetem Architektenwettbewerb und einer voraussichtlichen Planungs- und Ausschreibungsdauer von bis zu sechs Jahren, haben wir uns für eine „schnelle“ Ersatz-Bebauung entschieden, die nur mit einer Containeranlage zu realisieren war. Da die MGH eine öffentliche Auftraggeberin ist, kam es schließlich über eine europaweite öffentliche Ausschreibung zur Beauftragung der Firma FAGSI“, erläutert Sandra Einstädter, Leitung Kreativwirtschaft bei der MGH.
Der Entwurf des Ensembles stammt von Michael Beck vom Münchner Architekturbüro Beck. Er ist als Architekt auch bei einigen anderen Baumaßnahmen des Entwicklungsprojekts beratend tätig und brachte – im Gegensatz zu der Bauherrin – bereits Erfahrung im Modul- bzw. Containerbau mit.
„Unsere Idee bestand darin, mit vor- und zurückspringenden sowie auskragenden Elementen eine räumlich abwechslungsreiche Situation zwischen den Containerreihen zu schaffen und dabei auch Original- Hochseecontainer in das Ensemble zu integrieren“, erklärt er. „Die Modulreihen wurden mit Abstand und Durchgängen angeordnet, damit sich öffentliches Leben und Kreativszene vermischen und eine urbane, lebendige Atmosphäre entstehen kann.“
Die Anlage setzt sich aus 98 Qualitätscontainern der Baureihe FAGSI Energy zu vier Einzelgebäuden zusammen. Diese sind zweigeschossig aufgebaut und werden über außenliegende Treppen erschlossen – teilweise auch miteinander verbunden. Lediglich das Kopfgebäude an der Ecke Dachauer- /Schwere-Reiter-Straße besitzt drei Geschosse und somit eine gewisse Signalfunktion am Quartierseingang der Neubebauung.
2.500 Quadratmeter gebaute Individualität
Auf einer Bruttofläche von 2.500 Quadratmetern sind zwanzig Büro- bzw. Ateliereinheiten, neun Werkstätten sowie ein Künstler-Café untergebracht. Die zitronengelben Seecontainer dazwischen – so genannte High-Cubes in Überhöhe – werden als Lagerräume genutzt.
Alle Ateliers sind unterschiedlich groß und weisen einen eigenen individuellen Grundriss auf. Die Böden sind mit dunkelbeigen Belägen und grauen Sockelleisten versehen, während die Innenwände neutral in Weiß gehalten sind. Den künftigen Mietern bleibt viel Spielraum, ihre Räume nach eigenem Gusto zu gestalten.
Mit separaten Strom- und Heizkreisläufen wird jedes der vier Gebäudekomplexe autark betrieben. So können die Einheiten bei Bedarf auch partiell abgebaut und an anderer Stelle neu genutzt werden. Auch dahingehend erweist sich der Entwurf von Michael Beck als sehr vorausschauend und zukunftsweisend. „Die Containerweise bietet ein Maximum an Flexibilität“, bestätigt Sandra Einstädter. „Sie verabschiedet sich weg von der klassischen Immobilie hin zu mobilen Einheiten, die nebeneinander gestellt, gestapelt aber auch wieder auseinandergenommen und an anderer Stelle neu aufgebaut werden können. Diese bedarfsorientierte Anpassung spart Kosten für Instandhaltung und Versorgungsenergie wie Strom und Gas. Es entsteht ein ökologischer Vorteil, indem Ressourcen geschont werden. Das hat uns begeistert. Die FAGSI-Containerbauweise war genau das Richtige für uns.“
Dass die Gebäude den gewohnt kreativen Charme des Areals beibehalten und weiter transportieren sollen, war den Planungsverantwortlichen sehr wichtig. So sind die bei Containerbauten oftmals kritisierten Profilblechfassaden hier explizit erwünscht. Ein spezielles Farbkonzept sorgt an den Fassaden zur Straße hin für heitere Ausgelassenheit. Nach Innen sind sie hingegen in einheitlichem Mint-Grün gestaltet: Der „grüne“ Innenhof inmitten der Stadt wird hier einmal ganz anders interpretiert!
Der etwas raue, improvisiert wirkende „Industrial Style“ der Fassaden setzt sich im Gebäudeinnern konsequent fort, indem Heizungsrohre, Heizgeräte und Kabelkanäle bewusst sichtbar belassen und nicht etwa verkleidet, unter Putz verlegt oder hinter abgehängten Decken versteckt wurden. FAGSI ist bekannt für seine qualitätsvollen Interims-Anlagen vor allem im Bereich Schulbau oder im Kontext temporärer Wohnunterkünfte. Das Künstlerquartier in München aber sollte sich deutlich vom gewohnten Bild dieser Bauten abheben. „Deswegen haben wir eine gänzlich andere Architekturästhetik verfolgt, abweichende Container-Außenmaße sowie vom Standard abweichende “Tür- und Fenstermaße gewählt,“ erklärt der Architekt.
Kreative Impulse – auch bei FAGSI
„Architektonisch konnten wir bei dieser Baumaßnahme sehr vieles anders machen, als wir es bei unseren FAGSI-Gebäuden sonst gewohnt sind. Zu nennen sind hier beispielsweise die außergewöhnlichen Grundrisse, die außenliegenden Zugänge über die Terrassen oder die bodentief verglasten Fensterflächen, die für die besonders helle Innenraumatmosphäre in den Gebäuden verantwortlich sind und auch die zahlreichen Dachterrassen auf den Flachdächern, die den Mietern zusätzliche Arbeits- und Erholungsfläche im Freien bieten.
„Das hat durchaus Spaß gemacht!“, berichtet Resa Canli, verantwortlicher Bauleiter auf der Münchner Kreativ-Baustelle, der das Projekt gemeinsam mit Danijel Boric betreute.
Insgesamt wurde die gemeinsame Arbeit von allen Parteien als ein sehr fruchtbarer, kreativer Prozess empfunden: „FAGSI hat sich der Aufgabe gestellt, Gebäude auch einmal anders als gewohnt umzusetzen und hat unseren Entwurfsgedanken stets mitgetragen“, bestätigt Michael Beck. „Mit einer kompetenten und erfahrenen Bauleitung war gerade die Zusammenarbeit in der Ausführungsphase sehr professionell.“ Eine Aussage, die Sandra Einstädter bestätigen kann: „FAGSI hat auf der Baustelle eine sehr angenehme ‚Politik der offenen Tür’ betrieben. Stets war die Bauleitung vor Ort ansprechbar und kooperativ und unterstützte uns bei allen Entscheidungen im laufenden Baufortschritt.“
Am 2. Juni 2020 hat FAGSI mit dem Auf- und Ausbau der Container begonnen, am 31. August 2020 war die Anlage bereits übergabefertig. Inzwischen sind die meisten Mieter eingezogen und füllen die Räume mit Leben. Aufsehenerregend war das Ganze schon während der Bauphase: So fanden nicht nur Vertreter der Landeshauptstadt München ihren Weg auf die Baustelle, auch einige Architekten ließen sich blicken und bekundeten reges Interesse an der unkonventionellen Bauweise. Sogar aus dem fernen Hamburg kam man angereist. Und wer weiß? Vielleicht wird ein ähnliches Projekt ja bald am anderen Ende der Republik zu sehen sein.
Die Anlage setzt sich aus 98 Qualitätscontainern zu vier Einzelgebäuden zusammen.
„Die Containerweise bietet ein Maximum an Flexibilität.“
Dass die Gebäude den gewohnt kreativen Charme des Areals beibehalten und weiter transportieren sollen, war den Planungsverantwortlichen sehr wichtig.
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