Barrierefreies Bauen

Das Barrierefrei-Konzept – als neue Bauvorlage!

In ihren neuen Landesbauordnungen haben Hessen und Nordrhein-Westfalen neue Vorschriften zur Barrierefreiheit festgelegt. Danach müssen Planer ergänzend zu den bisherigen Bauvorlagen ein Barrierefrei-Konzept einreichen.

Mit der neuen Hessischen Landesbauordnung (HBO), die seit Juli 2018 gilt, gibt es nach § 54 neue Anforderungen an die Barrierefreiheit. Für diverse Gebäudearten und Nutzungen sind zusätzliche Nachweise im Baugenehmigungsverfahren gemäß Bauvorlagenerlass (BVErl) zu erbringen. Für öffentlich zugängliche Gebäude (nach § 54 Abs. 2) und für Wohngebäude (nach § 54 Abs. 1) ist ein „Planungskonzept Barrierefreies Bauen“ in zeichnerischer und textlicher Form im Rahmen des Genehmigungsverfahrens vorzulegen. Bezogen auf das individuelle Bauvorhaben müssen alle Maßnahmen der Barrierefreiheit gekennzeichnet und beschrieben sowie spezielle Vordrucke ausgefüllt werden. Bei Sonderbauten ist eine Kennzeichnung rollstuhlgeeigneter Rettungswege gefordert.

Seit Januar 2019 gilt die neue Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NRW). Darin gibt es ebenfalls geänderte Anforderungen an die Barrierefreiheit nach § 50. Für große Sonderbauten ist dem Bauantrag laut Verordnung über bautechnische Prüfungen (BauPrüfVO) vom 10.12.2018 nach § 9a (verbindlich ab 1.1.2020) ein „Barrierefrei Konzept“ beizulegen. Einige Kommunen fordern das Barrierefrei Konzept seit 2016.

Für beide Bundesländer gleich ist die Forderung nach einer zeichnerischen und textlichen Vorlage. In der Regel werden in den Bauantragsplänen M 1:100 die noch nachfolgend aufgeführten Angaben (siehe „Barrierefrei-Konzept nach § 9a“) mit farbigen Flächen und Piktogrammen (siehe Bild 1 + 2) gekennzeichnet. Der textliche Teil erläutert die Anforderungen und beschreibt Lösungsvorschläge und bei Umbauten / Sanierungen auch die entsprechenden Abweichungen mit Begründung.

Große Sonderbauten nach BauO NRW § 50

(1) An Anlagen und Räume besonderer Art oder Nutzung (Sonderbauten) können im Einzelfall zur Verwirklichung der allgemeinen Anforderungen nach § 3 Absatz 1 besondere Anforderungen gestellt werden. Erleichterungen können gestattet werden, soweit es der Einhaltung von Vorschriften wegen der besonderen Art oder Nutzung baulicher Anlagen oder Räume oder wegen besonderer Anforderungen nicht bedarf. Die Anforderungen und Erleichterungen nach den Sätzen 1 und 2 können sich insbesondere erstrecken auf […] 16. die barrierefreie Nutzbarkeit, […].

(2) Große Sonderbauten sind

1. Hochhäuser (Gebäude mit einer Höhe nach § 2 Absatz 3 Satz 2 von mehr als 22 m),

2. bauliche Anlagen mit einer Höhe von mehr als 30 m,

3. Gebäude mit mehr als 1600 m² Grundfläche des Geschosses mit der größten Ausdehnung; ausgenommen Gewächshäuser ohne Verkaufsstätten, die einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb oder einem Betrieb der gartenbaulichen Erzeugung dienen sowie Wohngebäude,

4. Verkaufsstätten, deren Verkaufsräume und Ladenstraßen eine Grundfläche von insgesamt mehr als 2000 m² haben,

5.    Büro- und Verwaltungsgebäude mit mehr als 3000 m² Geschossfläche,

6.    Versammlungsstätten

a) mit Versammlungsräumen, die insgesamt mehr als 200 Besucherinnen und Besucher fassen, wenn diese Versammlungsräume gemeinsame Rettungswege haben,

b) im Freien mit Szenenflächen oder Freisportanlagen mit Tribünen, die keine Fliegenden Bauten sind, und insgesamt mehr als 1000 Besucherinnen und Besucher fassen,

7. Schank- und Speisegaststätten mit mehr als 200 Gastplätzen in Gebäuden oder mehr als 1000 Gastplätzen im Freien, Beherbergungsstätten mit mehr als 30 Betten und Vergnügungsstätten,

8. Krankenhäuser,

9. Wohnheime,

10. Tageseinrichtungen für Kinder, Menschen mit Behinderung und alte Menschen, sonstige Einrichtungen zur Unterbringung und Pflege von Personen, ausgenommen Tageseinrichtungen einschließlich der Tagespflege für nicht mehr als zehn Kinder, § 47 Absatz 5 gilt entsprechend,

11. Schulen, Hochschulen und ähnliche Einrichtungen,

12. Justizvollzugsanstalten und bauliche Anlagen für den Maßregelvollzug,

13. Camping- und Wochenendplätze,

14.  Freizeit- und Vergnügungsparks,

15. Fliegende Bauten, soweit sie einer Ausführungsgenehmigung bedürfen,

16. Regallager mit einer Oberkante Lagerguthöhe von mehr als 9 m,

17. bauliche Anlagen, deren Nutzung durch Umgang oder Lagerung von Stoffen mit Explosions- oder erhöhter Brandgefahr verbunden ist,

18. Garagen mit mehr als 1000 m² Nutzfläche.

Barrierefrei-Konzept nach § 9a gemäß BauO NRW

(1) Den Bauvorlagen für neu zu errichtende öffentlich-zugängliche Gebäude gemäß § 49 Absatz 2 BauO NRW 2018 und für große Sonderbauten gemäß § 50 Absatz 2 BauO NRW 2018 – mit Ausnahme von Gebäuden im Zuständigkeitsbereich von Polizei und Justiz – ist ein Barrierefrei-Konzept beizufügen.

(2) Das Barrierefrei-Konzept ist eine schutzzielorientierte, objektkonkrete Bewertung der baulichen, technischen und organisatorischen Anforderungen der Barrierefreiheit, die für die Prüfung im Genehmigungsverfahren relevant sind.

(3) Der Nachweis der Barrierefreiheit muss insbesondere folgende Angaben enthalten:

1. barrierefreie Erreichbarkeit der baulichen Anlage, barrierefreie Gebäudezugänge,

2.  Ausführung der PKW-Stellplätze und deren Abmessungen,

3. Flurbreiten,

4. Türbreiten, Türschwellen, Türanschläge, Türöffnungsmöglichkeiten,

5.  Aufzüge, Fahrtreppen,

6.  Treppen, Handläufe,

7. Rampen einschließlich Neigungen, Gefälle,

8. Anordnung von Bedienelementen,

9. barrierefreie Sanitärräume, barrierefreie Anordnung der Sanitärobjekte,

10.  Abmessungen der Bewegungsflächen,

11. Orientierungshilfen sowie

12. Ausführungen zu § 49 Absatz 3 BauO NRW 2018.

Die Angaben sind in einem schriftlichen Erläuterungsbericht zu formulieren und durch zeichnerische Darstellung der baulichen Anforderungen unter Angabe der technischen Anforderungen zu ergänzen.

Umsetzung der Anforderungen

Seit 2013 wird in NRW ein System von verschiedenen Schraffuren und Symbolen erprobt, das eine möglichst einheitliche Grundlage für die Angabe und nachvollziehbare Prüfung der geforderten Barrierefreiheit leisten soll (siehe Bild 1 + 2). Erleichtert wird eine optimale Planung nach den DIN 18040-Standards mit der Verwendung der in den Grundrissen gezeigten farbigen Bewegungsflächen (barrierefrei nach 18040-2 = orange, rollstuhlgerecht nach 18040-1, 2R = grün). Weiter werden Blindenleistsysteme in orange (Streifen- und Noppenmuster) im nutzerabhängigen Umfang eingezeichnet. Darüber hinaus gibt es Symbole für Türsysteme, Glasmarkierungen, Treppen, Handläufe, Aufzüge und sichere Wartebereiche, etc. Wenn diese im CAD-unterstützten Planungsprozess verwendet und die Geschosse übereinandergelegt werden, werden Abläufe transparent. Das jeweilige Verschieben von Flächen, Wänden und Möblierungen erfolgt sehr zielgerichtet und führt schnell zu fehlerfreien Ergebnissen sowie einem wirtschaftlichen Planungsergebnis.

Beispiele

Die Bilder 1 und 2 erläutern zwei Beispiele aus eingereichten Barrierefrei-Konzepten bzw. Baugenehmigungsplänen im M 1:100.

Bild 1 zeigt zwei Hotelzimmer. Das Doppelzimmer ist barrierefrei nach dem Standard DIN 18040-2 eingerichtet. Die Bewegungsflächen in orange müssen nach dem Wohnungsbaustandard (hauptsächlich 120 x 120 cm) nachgewiesen werden. Außerhalb der Zimmer gilt für das Gebäude ausschließlich der Standard nach DIN 18040-1. Beide Zimmer sind im Übrigen für höreingeschränkte Menschen durch Symbol inhaltlich gekennzeichnet. Für diese sind zum Beispiel Blitzleuchten für den Alarmierungsfall vorzusehen.

Bild 2 zeigt einen Grundrissausschnitt aus einem Umbau- bzw. einer Sanierung einer denkmalgeschützten Schule. Die Bewegungsflächen der Türen sind in grün eingetragen. Dazwischen ist ein Blindenleitsystem in orange mit Leitstreifen und Aufmerksamkeitsfeld (Noppenmuster 90 x 90cm). Weiterhin gibt es diverse Kennzeichnungen zu den Treppen mit einer Abweichung, die sich aus dem vorhandenen Treppenhaus aus dem Baujahr 1910 ergibt. Abweichungen von der Einhaltung der DIN 18040 müssen mit einer Begründung im Baugenehmigungsverfahren beantragt werden.

Fazit

Die frühzeitige Einbindung (LPH 2-3) der barrierefreien Planung in den Entwurfsprozess erbringt einen Mehrwert, der ärgerliche und aufwendige Planungsänderungen in der LPH 4 vermeidet. Die Nichteinhaltung der Barrierefreiheit kann zu einem nicht genehmigungsfähigen Bauantrag führen und damit zu einem Haftungsproblem für den ausführenden Entwurfsverfasser.

Für beide Bundesländer gleich ist die Forderung nach einer
zeichnerischen und textlichen Vorlage.

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