Digitalisierung birgt großes Potenzial für Kommunen
Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran und wirkt sich auch auf die Behördenwelt nachhaltig aus. Ämter und Ratsstuben können nur mit der Veränderung Schritt halten, wenn sie effizient und bürgernah agieren. In einem Interview mit BBB-Chefredakteur Achim Roggendorf erläutert Aareon-Vorstandschef Dr. Manfred Alflen, welche Chancen die digitale Transformation den öffentlichen Verwaltungen bietet und wie wichtig es ist, diese jetzt „anzupacken“.
Auf dem jüngsten Aareon Kongress haben Sie gesagt, dass die öffentlichen Verwaltungen bei der Digitalisierung noch Potenzial haben.
Alflen: Öffentliche Verwaltungen sind zwar offener für Innovationen als viele vermuten. Die Chancen der Digitalisierung wurden aber bislang eher vernachlässigt.
Ein gutes Beispiel sind die Meldebescheinigungen von Wohnungsunternehmen/Vermietern an Verwaltung/Einwohnermeldeamt. In Absprache mit den IT-Anbietern der Wohnungsunternehmen und den Herstellern kommunaler Software ließe sich dieses Verfahren problemlos digitalisieren.
Die Wirklichkeit sieht jedoch oft noch anders aus. Wir drucken die Bescheinigungen für unsere Kunden, die Wohnungsunternehmen, aus und schicken sie dann per Post zu den Meldebehörden. Das Problem ist: In großen Städten sind das so viele Formulare, dass die Sachbearbeiter kaum nachkommen, die Daten einzugeben. Die Folge: Die Bescheinigungen stapeln sich auf ihren Tischen.
Leider wird in den öffentlichen Verwaltungen oft noch zu analog gedacht und geplant. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW hat das häufig noch fehlende digitale Bewusstsein schon mehrfach über den Städtetag adressiert – allerdings hat sich dadurch bisher nicht viel verändert.
Ich hätte nicht gedacht, dass die Behörden in Deutschland nur lückenhaft digitalisiert sind. Schließlich treibt die Bundesregierung mit dem Programm „Digitale Verwaltung 2020“ das Thema schon länger voran.
Alflen: Ja, leider häufen sich in vielen Ämtern und Ratsstuben immer noch Papierberge an. Wenn ein Bürger heute in Deutschland sein Anliegen digital abwickeln möchte, ist das nur bei wenigen Angelegenheiten möglich und das auch nur in bestimmten Bereichen – und ohnehin nur in einer Stadt oder Kommune, die entsprechende IT-Anwendungen schon eingeführt hat.
Nicht ohne Grund liegt Deutschland bei internationalen E-Government-Studien auf den hinteren Plätzen. Während man in unseren Ämtern noch mit längeren Wartezeiten rechnen muss, funktioniert beispielsweise in Estland alles online – vor allem auch die Behördengänge.
Woran liegt es denn, dass in deutschen Behörden der Servicegrad online noch stark ausbaufähig ist?
Alflen: Das ist eine gute Frage. Eigentlich müssten die Kommunen den Weg der Digitalisierung mit Begeisterung gehen. Eine elektronische Unterstützung der Prozesse würde den Mitarbeitern das Tagesgeschäft erleichtern. Und auch Bürger und Unternehmen schätzen heute eine nutzerfreundlichere Abwicklung.
Die deutsche Verwaltungsstruktur zeichnet sich jedoch nicht immer durch Disruption, also die Verdrängung bestehender Technologien, Produkte oder Dienstleistungen durch Innovationen, Start-up-Mentalität und schnellen Wandel aus. Eine wichtige Rolle spielt auf jeden Fall die Entwicklung einer digitalen Strategie, die auch eventuelle Neuausrichtungen von internen Prozessen und Strukturen berücksichtigt.
Was trägt noch zur digitalen Transformation öffentlicher Verwaltungen bei?
Alflen: Idealerweise definiert die Kommune einen digital affinen Verantwortlichen, beispielsweise einen E-Government-Beauftragten, der die Transformation initiiert und engagiert vorantreibt.
Allgemein betrachtet ist der Druck der Behörden, das digitale Serviceangebot auszubauen, derzeit noch recht gering. Bürger und Unternehmen sind trotz der digitalen Services, die sie bereits von anderen Stellen gewöhnt sind, hier noch recht geduldig. Der digitale Wandel müsste von allen Seiten stärker in den Ämtern eingefordert werden.
Wie sieht denn die tägliche Arbeit der Aareon-Mitarbeiter mit den Behörden aus?
Alflen: In unserer Schnittstellenfunktion können wir das Thema natürlich nicht allein lösen. Gemeinsam mit den Wohnungsunternehmen gehen wir hier aber auf die Kommunen zu. Getreu dem Motto: „Können wir diesen Prozess nicht für alle Seiten gewinnbringend verbessern?“ Im Idealfall setzen wir uns dann zusammen – und entwickeln gemeinsam passende und wertschöpfende digitale Lösungen.
Ist der Sprung ins digitale Zeitalter für Städte und Gemeinden denn so schwer?
Alflen: Eigentlich nicht, denn die Digitalisierung der Verwaltungsprozesse ist in vielen Fällen schnell umsetzbar. Gerade wenn es um Standardvorgänge wie kommunale Bescheide geht. In Deutschland gibt es dazu schon sehr viele und gute Insellösungen. Diese müssen nur weiter ausgebaut und vernetzt werden.
Neugier, Kundenfokus und die Bereitschaft zu investieren reichen also schon aus, um sicher in der digitalen Welt anzukommen?
Alflen: So ist es. Das gilt übrigens auch für unsere Kunden, die Wohnungsunternehmen. In ihren Geschäftsbeziehungen mit den Behörden wünschen sich viele eine vollständige Digitalisierung von Briefpost und Papierdokumenten. Leider scheitert dies bisher oftmals an den analogen Prozessen der öffentlichen Verwaltungen.
Herzlichen Dank für das Gespräch.