EU-Projekt POLIS
Das Projekt startete im September 2009 und hat zum Ziel, solare Potenziale in Europas Städten stärker nutzbar zu machen.
Immer mehr Menschen leben in Städten. In Europa sind es derzeit rund 80 % der Bevölkerung. Dies hat zur Folge, dass – vor dem Hintergrund der nationalen Klimaschutzbemühungen – die Betrachtung von Energieverbrauch und C02-Emissionen in den urbanen Zentren eine zentrale Rolle spielt. Damit werden zunehmend auch die Stadt- und Bauleitplanung Verantwortung in Hinblick auf die Optimierung der urbanen Strukturen für eine zukunftsfähige Energieversorgung übernehmen.
Neben den Energieeffizienztechnologien (Gebäudestandards) auf der Nachfrageseite eignet sich der städtische Raum auf der Angebotsseite (Energieerzeugung) besonders für den Einsatz von Solarenergie. „Gebäudeoberflächen bieten ein enormes Potenzial für die Gewinnung von Wärme, Kälte und Strom aus Sonnenenergie“, sagt Ramón Arndt, Polis-Projektpartner aus München. Hier setzt das von der Europäischen Union geförderte Kooperationsprojekt Polis an. Das Projekt startete im September 2009 und hat zum Ziel, solare Potenziale in Europas Städten stärker nutzbar zu machen, d.h. langfristig eine solare Stadtplanung zu etablieren. An Polis beteiligen sich sechs europäische Städte: Neben Lissabon gehören dazu Vitoria-Gasteiz, Malmö, die französischen Großstädte Paris und Lyon sowie München. Jede Stadt arbeitet mit einem technischen Partner zusammen. Für die Stadt München ist das Ecofys Deutschland. Das Kölner Beratungsunternehmen im Bereich Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und Klimawandel ist außerdem Gesamtkoordinator des EU-Projekts.
Einbindung Kommunaler Planungsbehörden
Zuständig für die städtische Entwicklung sind sie wichtige Akteure einer solaren Stadtplanung. Eine Zielsetzung des Projekts ist die Schaffung enger Netzwerke, die auf lokaler sowie europäischer Ebene kommunale Entscheidungsträger, Stadtplaner, Vertreter der lokalen Wirtschaft, Energieexperten sowie weitere Interessengruppen zusammenbringen.
Ein zentrales Element sind solare Aktionspläne, welche in jeder der beteiligten Städte erarbeitet wurden. „Jeder Aktionsplan umfasst strategische Ziele in Bezug auf den lokalen Einsatz von Solarenergie sowie konkrete Maßnahmen der Stadtplanung, um die Nutzung von Solarenergie zu steigern und langfristig zu verankern“, erklärt Estefanía Caamaño von der Technischen Universität Madrid. Zu den Aktionsplänen gehört deshalb auch die Vereinbarung, zunächst das solare Potenzial der Städte zu erfassen – soweit noch nicht geschehen wie in München und Lyon – und ebenso die nationalen Rahmenbedingungen sowie bereits laufende Projekte mit einzubeziehen. Da sich die sechs beteiligten Städte in Sachen Solarpotenzial, kommunalen Bauvorschriften, regionalen und nationalen Förderungen sowie politischen Zielsetzungen unterscheiden, fallen auch die Aktionspläne unterschiedlich aus.
Unterschiedliche Ziele
Im solaren Aktionsplan von Lyon ist eines von mehreren langfristigen Zielen, den Anteil passiver Solargewinne am Heizwärmebedarf in Neubaugebieten mit mehr als 100 Wohneinheiten auf mindestens 20 % festzulegen. Hier stehen Wohngebiete im Mittelpunkt der geplanten Maßnahmen; in Vitoria-Gasteiz dagegen umfasst die Aufgabe auch ein großes Industriegebiet: Bis 2015 sollen 10 % der Solarpotenziale in diesem Areal mobilisiert werden. Außerdem will die Stadtverwaltung in ihren Stadtentwicklungsplan, der 2015 beschlossen werden soll, Voraussetzungen für eine solare Stadtplanung integrieren.
Die Stadt Paris hat das Ziel, 200 000 m² Photovoltaik-Fläche bis 2014 auf Gebäuden um zu setzen. Die lokale Polis-Arbeitsgruppe untersucht zudem die Möglichkeiten einer Solarsatzung. In Lissabon soll das Potenzial der gesamten Stadt ermittelt werden und in Malmö werden konkrete Festsetzungen für Neubaugebiete erarbeitet. Schon früh war in München neben der Errichtung großer Photovoltaik-Anlagen auf Basis von Bürgerbeteiligungsmodellen auch die solare Stadtplanung ein politisch herausragendes Thema. Ende der neunziger Jahre wurde eine Siedlung auf den Weg gebracht, die über einen Großspeicher die solare Wärmeversorgung für 320 Wohnungen zu 50 % saisonal absichern sollte (Projekt Solare Nahwärme Am Ackermannbogen).
Solarenergetische Optimierung
Im Jahr 2002 begann die Landeshauptstadt München damit erste Überlegungen einzuleiten, ihre städtebaulichen Wettbewerbe einer solarenergetischen Optimierung (SolEnOp) zu unterziehen. Als weitere Grundlagenarbeit wurden zudem verschiedene Solarpotenzialanalysen des gesamten Stadtgebietes durchgeführt. Seit 2009 findet sich im städtischen Webangebot ein flächendeckendes und gebäudescharfes GIS basiertes Solar-Dachflächenkataster. Die Stadtwerke München GmbH (SWM) haben sich verpflichtet, über 9 Mrd. € in Stromerzeugungsanlagen auf Basis erneuerbarer Energien zu investieren, sodass 2015 der gesamte Strombedarf der Münchner Haushalte über eigene regenerative Anlagen abgedeckt werden kann, bis 2025 soll dies für den Gesamtstrombedarf in München gelten. Diese Anlagen entstehen allerdings nicht im Hoheitsgebiet der Landeshauptstadt München: Die SWM beziehen unter anderem Solarstrom aus Andalusien. Eine, das Photovoltaik-Potenzial konkret in München adressierende Maßnahme, ist die von der Stadtspitze ins Leben gerufene Solarinitiative München (SIM). Sie wurde im Sommer 2010 als GmbH auf den Weg gebracht und soll die heimischen Dachbesitzer dazu bewegen, ihrer Dächer und Fassaden zunehmend mit Photovoltaik auszustatten.
Basierend auf dem geschätzten theoretisch mobilisierbaren Solar-Potenzial hat die Landeshauptstadt in ihrem Aktionsplan drei Zielsetzungen festgelegt:
– Der Anteil von Photovoltaik am Stromverbrauch soll bis 2030 auf 7 % ansteigen.
– Der Anteil von Solarthermie am Gesamtwärmebedarf in Bestand und Neubau soll bis 2030 3 % betragen.
– Ab 2012 soll bei Neubauprojekten, die größer als 100 Wohneinheiten sind, die passiven solaren Gewinne einen Anteil von 25 % am Heizwärmebedarf haben.
Um solare Anforderungen transparenter zu machen und auch andere Kommunen an gesammelten Erfahrungen teilhaben zu lassen, erarbeitet Ecofys im Rahmen von Polis einen Leitfaden zur solaren Stadtplanung für die Stadt München. Mit diesem Leitfaden werden inhaltliche Grundlagen und fachliche Lösungen aufgezeigt, wie sich stadtplanerische Vorgehensweisen mit den Anforderungen einer solarenergetischen Planung verbinden lassen.
Als weitere Maßnahme im Rahmen von Polis werden in den städtebaulichen Wettbewerb für das Gebiet der ehemaligen „Bayernkaserne“ Anforderungen einer solar optimierten Siedlung integriert, um so energieeffizientes Bauen und solare Nutzung zu gewährleisten.
In das im Rahmen des von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft im Programm „Intelligent Energy Europe“ geförderten Projekts Polis fließen auch europaweit gemachte Erfahrungen aus bereits durchgeführten Projekten der solaren Stadtplanung ein. Polis sammelt Best-Practice-Beispiele aus verschiedenen Städten und überprüft und bewertet diese in Bezug auf ihre Übertragbarkeit. Zum Beispiel das im Rahmen des EU Förderschwerpunkts Concerto geförderte Projekt Lyon Confluence, auf einem 150 ha großen Areal. Das Stadterneuerungsprojekt beinhaltet klare Auflagen, was die Energieverbrauchswerte der Gebäude sowie die Energieerzeugung aus regenerativen Quellen betrifft. Zu den Stärken des Projekts zählt auch, dass noch vor der Projektentwicklung die verschiedenen Experten, unter anderem aus dem Energiebereich, zusammengeführt wurden. Ziel von Polis ist es, zum Ende des Projektes im August 2012, klare Empfehlungen und Handlungsanleitungen für Stadtplaner in Europa bereit stellen zu können. Die PolisPartner entwickeln Leitfäden zur Umsetzung verschiedener Maßnahmen sowie Übersichten zu den Rahmenbedingungen in den einzelnen Ländern.
Toolbox online
Auf der Projektwebseite (www-polis-solar.eu) wird eine Toolbox mit Arbeitshilfen und Planungsinstrumenten zusammengestellt werden. So kann eine kohärente Planungsroutine entstehen, welche die solaren Aspekte europäischer Städte stärker berücksichtigt.