Wiederaufbau

Ein Schloss für die Kulturen der Welt

In der Mitte Berlins entsteht unter dem Namen Humboldt Forum ein Kulturprojekt von Weltrang.

Der Wiederaufbau des Berliner Schlosses – die Aufgabenstellung

Der Deutsche Bundestag hatte 2002 mit großer fraktionsübergreifender Mehrheit den Wiederaufbau des Berliner Schlosses mit drei seiner Außenfassaden und dem Schlüterhof beschlossen – und die Zielstellung 2007 nochmals präzisiert. Die Bundestagsabgeordneten ließen sich durch die Idee leiten, dass das prominenteste Grundstück in der Mitte der Hauptstadt für den kulturellen Austausch genutzt werden sollte.

Die Neubebauung des Berliner Schlossareals soll ein Zentrum der kulturellen Begegnung und des Dialogs zwischen den Kulturen der Welt und der Wissenschaft von nationaler und internationaler Bedeutung werden. Gleichzeitig ist die barocke Fassade ein würdiger „Schlussstein“ für den Boulevard „Unter den Linden“ und gibt dem Lustgartenareal seine städtebauliche Schönheit zurück.

Gebäudehülle und -Inhalt finden in einem „wunderbaren Widerspruch“ zusammen: Wo sich früher die feudale Macht präsentierte, steht jetzt Kultur und Forschung im Vordergrund. Das Humboldt Forum im Schloss wird zu einem der größten und modernsten Kulturhäuser Europas. Das Haus wird die außereuropäischen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz präsentieren, in einer Dauerausstellung die Geschichte des Ortes erläutern, Forschung und Lehre der Humboldt-Universität mit der Öffentlichkeit zusammenbringen und Berlin mit seiner Verflechtung in die Welt erklären. 

Mit der Festlegung über den Umzug der außereuropäischen Sammlungen des Ethnologischen Museums und des Museums für Asiatische Kunst aus Dahlem ins Humboldt Forum werden die weltbedeutenden Berliner Sammlungen außereuropäischer Kunst auch international in den Focus gerückt. Allein der über 500.000 Objekte zählende Bestand des Ethnologischen Museums, eine der größten völkerkundlichen Sammlungen der Welt, gilt es nutzbar und erlebbar zu machen.

Die Museumsinsel mit seinen berühmten Sammlungen (UNESCO-Weltkurerbe) wird komplettiert. Die Kulturen der Welt im zukünftigen Humboldt Forum treten durch den stadträumlichen Bezug zu den Zeugnissen europäischer Kunst- und Kulturgeschichte auf der Museumsinsel in einen erfahrbaren und bewussten Dialog.

Neben den Museen und Ausstellungen werden wissenschaftliche und künstlerische Veranstaltungen aller Art möglich sein. Von Konzerten und Aufführungen bis hin zu gehobenen internationalen Kongressen ist alles machbar. Das Haus bietet mit seinen Funktionen und der Architektur Möglichkeiten für ca. 1000 Veranstaltungen im Jahr.

Im Übrigen kehren wir mit dem Humboldt Forum zu den Quellen des Sammelns in Berlin zurück. Das Humboldt Forum wird an dem Ort entstehen, von dem aus die Berliner Museumsgeschichte ihren Anfang nahm. Das Berliner Schloss beheimatete u.a. einst die Kunstkammer, die den Ursprung der ab dem 19. Jahrhundert sukzessive entstehenden Berliner Museen bildete.

Die Architektur

Der italienische Architekt Franco Stella gewann 2008 in einem internationalen Wettbewerb den 1. Preis für die Realisierung des Projekts. Mit einer Fußgängerpassage (Schlossforum) quer durch das Gebäude und dem Schlüterhof macht er das Gebäude und seine Innenhöfe zu neuen öffentlichen Stadtplätzen. Diese Plätze werden der Öffentlichkeit rund um die Uhr an allen Tagen zur Verfügung stehen.

Mit den sechs Portalen wird das Gebäude nach allen Seiten optimal erschlossen. Das Erdgeschoss ist geprägt durch das großzügige Eingangsfoyer und durch viele, sehr unterschiedlich nutzbare Flächen. Große Sonderausstellungsflächen und Konferenz- bzw. Multifuktionssäle können im Erdgeschoss bespielt werden. Insgesamt stehen hier nochmals 10.000 m² zur Verfügung.

Hier ist auch die Dauerausstellung zur Ge­­schichte des Ortes mit dem archäologischen Keller, dem sogen. Zeitraum und dem Skulpturensaal beheimatet. Darüber laden größere gastronomische und Handelsflächen ein zu verweilen. Das Humboldt Forum wird ein gastfreundliches und offenes Haus sein.

Anders als im Norden, Westen und Süden zeigt sich das Gebäude zur Spree als Neubau. Das Humboldt Forum ist ein Neubau mit hochmoderner Ausrüstung und fortschrittlichen Standards gerade hinsichtlich der Nachhaltigkeit und der Barrierefreiheit. Das gesamte Gebäude wurde etwa nach der Energieeinsparverordnung 2009 berechnet. Der Wert für den Primärenergiebedarf unterschreitet den zulässigen Wert um mehr als 30 %. Das Haus wird durch Fernwärme versorgt. Dabei wird das in der Nähe gelegene Kraftwerk Mitte genutzt, eines der modernsten GuD- Kraftwerke Europas. 

Zusätzlich zur Fernwärme ist die Nutzung der oberflächennahen Geothermie geplant. Das Gebäude hat hohe Anforderungen an das raumseitige Klima und deshalb insbesondere ein Kühl- und Lüftungsproblem. Entsprechende Untersuchungen zeigen, dass die geplante Bauteilaktivierung (Kühlung bzw. Wärme über die Oberfläche der Decken) mit Abluft über eine Schattenfuge in der Decke bei Zuluftzuführung über Bodeneinlässe die Anforderungen der Museen an das Innenraumklima erfüllen wird.

Mit einem Investitionsvolumen von 620 Mio. € ist das Projekt das größte zivile Bundesbauvorhaben und das größte europäische Kulturprojekt. Während der Bau an sich aus Mitteln des Bundes und des Landes Berlin getragen wird, soll die Rekonstruktion der historischen Fassaden und verschiedener historischer Elemente durch Spenden getragen werden.

Die stadträumliche Wirksamkeit der barocken Fassade auf einer Länge von 750 m war eine der größten Triebfedern für die Rekonstruktion. Alle umliegenden historischen Gebäude erhalten mit ihm wieder ihre städtebauliche Orientierung und ihre architektonische Maßstäblichkeit.

Die Fassade – Bewältigung vielfältiger Anforderungen

Die Fassadenrekonstruktion basiert auf Messbildfotografien vom Ende des 19. Jahrhunderts, Detailfotos einzelner Elemente sowie geborgenen und noch immer erhaltenen Fragmenten. Die Rekonstruktion der historischen Fassade mit ihren 2828 figürlichen Darstellungen und über 22.000 Sandsteinwerkstücken ist eine bautechnische, kulturelle und handwerkliche Meisterleistung. Die Fassaden vor der Betontragkonstruktion bestehen im Wesentlichen aus Ziegelmauerwerk, das eine massive, 60 cm dicke Außenmauer bildet, und diversen Sandsteinwerkstücken. Die Gesamttiefe der Fassade einschließlich Betontragwerk beträgt bis zu 1,30 m.   

Die Vorgehensweise bei der Wiederherstellung figürlicher Darstellungen benötigt nicht nur künstlerisches und handwerkliches Geschick. Es bedurfte auch wissenschaftlicher Analyse und eines Know-how-Transfers für alle Beteiligten. Dafür kann der Bauherr auf eine einzigartige Institution bei einem Bundesbauvorhaben zurückgreifen. Es geht um die Schlossbauhütte, in der nicht nur Fragmente restauriert, sondern auch die Modelle für die Rekonstruktionen hergestellt und die Steinbildhauerarbeiten für Portal 3 realisiert werden. Meist wird ein Tonmodell geformt um eine Silikonform herzustellen. Mit dieser Form werden dann 1:1 Gipsmodelle hergestellt, die dann von der jeweiligen Natursteinfirma in Sandstein übertragen werden. Der ganze Prozess wird vom Leiter der Schlossbauhütte und einer Expertenkommission begleitet.

Einige wenige historische Fragmente werden wieder ihren historischen Platz einnehmen. Ihre sichtbaren Verletzungen erzählen dann ihre eigene Geschichte großer Kunst.

Auch die Fenster sind eine technische Herausforderung. Sollen sie doch nach außen das historische Fassadenbild zeigen, nach innen aber alle modernen Anforderungen an Klimatechnik, Tageslichteinfall usw. erfüllen. Dabei hat das Gebäude einerseits historische Fenster und moderne Fenster in den zeitgenössischen Fassaden.

Natürlich sind auch die rekonstruierten Fenster neue Fenster. Aber gerade ihre Konstruktion hatte viele Anforderungen zu erfüllen:

– gemäß der historischen Fenster war weiß beschichtetes Holz zu verwenden,
– Für Sonnenschutz und Lichtsteuerung sind neben der Verglasung vor allem zwei integrierte Behänge in den Kastenfenstern zuständig.
– die Zargen waren als Stahlzargen luftdicht in die Primärkonstruktion einzubauen,
– es ist eine hohe Dauergebrauchstauglichkeit und Wartungsfreundlichkeit zu erzielen und damit eine hohe Nachhaltigkeit,
– ein erhöhter Einbruchschutz ist sicherzustellen,
– sommerlicher und winterlicher Wärmeschutz sind umzusetzen,
– Luft-Dichtigkeit und Schlagregen-Dichtigkeit der Innenfassade sind sicherzustellen,
– Hohe Schallschutzanforderungen sind um­­zusetzen (differenziert nach Außenlärm – Exposition und Nutzungs-Zonen bis hin zu lokal sehr hohen Anforderungen)

Die eingebauten Kastenfensterkonstruktio­­nen mit 4 mm Restaurierungsglas auf Weißglasbasis außen und 24 mm Mehrscheibenisolierverglasung innen erreichen einen Wärmedurchgangskoeffizienten von Uw = 1,4 W/m²K und haben im belüfteten Luftzwischenraum Behänge für den Sonnenschutz und die Verdunklung. Die Fensterrahmen bestehen aus sehr langlebiger europäischer Weißeiche. Die schweren Innenflügel wiegen je nach Größe der Fenster von unter 90 kg bis zu einer viertel Tonne. Die notwendigen Beschläge wurden deshalb unter realen Randbedingen für bis zu 20.000 Zyklen getestet.

Status und Ziel

Im Juli 2017 waren alle historischen Fassaden weitgehend fertiggestellt. Die Arbeiten am Kuppeltambour sind in vollem Gange. Derzeit konzentrieren sich die Arbeiten auf den technischen Ausbau.

Bis Ende 2018 soll der Bau fertiggestellt und abgenommen sein. Ab Spätsommer 2018 erfolgen die Inbetriebnahme und das Einfahren der Anlagentechnik. Ab Januar 2019 soll das Gebäude betriebstechnisch in der Lage sein, die Exponate der Museen aufzunehmen. Die Großexponate wie die Südseeboote werden vorab bereits im Mai 2018 in speziell dafür vorgesehene Öffnungen in den Wänden zum Foyer eingebracht. Bis zum IV. Quartal 2019 erfolgt der Umzug der Museen und die Einrichtung des Hauses. Die Eröffnung ist für das IV. Quartal 2019 vorgesehen.

Insgesamt können bisher Kosten- und Zeitplan eingehalten werden. Wichtig ist auch, die Menschen für das Projekt zu begeistern und Spenden zu sammeln. Es werden 80 Mio. € für die Fassade und 25,5 Mio. € für die baulichen Optionen benötigt. Das heißt, man braucht insgesamt 105,5 Mio. €, die aus bürgerlichem Engagement zustande kommen müssen. 

Der Barspendenstand bei der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss betrug Ende Juni 2017 63 Mio. €. Vorausgesetzt, dass bis Ende 2019 der Spendeneingang weiter hoch gehalten werden kann, ist das Spendenziel zu erreichen. An den Tagen der offenen Baustelle vom 23. bis 25. Juni 2017 konnte die Stiftung Humboldt Forum ca. 40.000 begeisterte Besucher empfangen. Das sehen wir als Ansporn für die letzte Etappe bis zur Eröffnung.

 

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