Baudenkmäler

Energetische Sanierung
und Denkmalschutz – ein Widerspruch?

Die energetische Sanierung eines denkmalgeschützten Gebäudes stellt auch mit Blick auf das städtebauliche Umfeld eine besondere Herausforderung dar. Moderne Materialien und Technologien sowie die Zusammenarbeit aller Beteiligten ermöglichen ansprechende und dauerhafte Lösungen.

Energetische Sanierung und Denkmalschutz - ein Widerspruch? Das ist doch bei bei der Sanierung von Fasssaden nicht zu vereinbaren – so die weit verbreitete Meinung. Dieses Thema ist so widersprüchlich wie vielfältig. Es stellt alle Beteiligten vor besondere Herausforderungen. Und es bedarf den Blick ins Detail: sowohl auf die speziellen denkmalpflegerischen Anforderungen als auch auf das Gebäude und dessen bisherige und zukünftige Nutzung.

Alle Maßnahmen an einem Gebäude aus dem Bestand – unabhängig davon, ob denkmalgeschützt oder nicht – sollten mit dem Ziel geplant und umgesetzt werden, das historische Bauwerk für zukünftige Generationen zu bewahren.

Unter diesen Gesichtspunkten muss bei der Restaurierung, Renovierung und Rekonstruktion von Baudenkmälern sowie der Sanierung besonders erhaltenswerter historischer Objekte dem aktuellen Zustand des Bauwerkes und den zukünftigen Nutzungsanforderungen Rechnung getragen werden. Die vorhandene Salz- und Feuchtebelastung sowie Schädigung durch Alterungs-, Umwelt- und Nutzungseinflüsse sind zu beachten und erfordern bei der Neukonzipierung ausreichend Berücksichtigung.

Daher sind vor Beginn der Arbeiten am Objekt mit allen Beteiligten gemeinsam, die wesentlichen Aspekte und die Zielstellung der Sanierungsarbeiten zu klären. Beginnend damit, welche Maßnahmen neben der Beherrschung der bauwerksbedingten Schäden für eine thermische Ertüchtigung notwendig und zulässig sind. Darf eine außenseitige Wärmedämmung angebracht werden? Welche Baustoffe und Materialien dürfen zur Anwendung kommen? Kann man mit der außenseitigen Wärmedämmung die gestalterischen Anforderungen an die Fassadengestaltung umsetzten? Ist es nach genauer bauphysikalischer Betrachtung möglich, eine innenseitige Wärmedämmung anzubringen?

Neben Maßnahmen zur Verbesserung der Wärmedämmwirkung der Wandflächen sollte stets eine ganzheitliche energetische Betrachtung des Gebäudes erfolgen. So ist es nicht ausgeschlossen, dass in Einzelfällen auf eine zusätzliche Wärmedämmung der Wände verzichten werden kann. Individuelle Lösungen zeigen die nachfolgend vorgestellten Bauwerke.

Bildungscampus forum thomanum, Leipzig

Alle Bauten des Campus forum thomanum gruppieren sich um die Lutherkirche, die als Zentrum des entstandenen Campus zugleich als Gottesdienststätte, Schulaula, Konzert-, Theater- und Aufnahmeraum genutzt wird. Im Dezember 2014 wurde mit der Sanierung und Umbau des bis dahin jahrelang ungenutzten Gemeindehauses zum Hort forum thomanum begonnen. 2015 entstand direkt daneben der Neubau der Grundschule forum thomanum auf dem Bildungscampus im Bachviertel. Die neuen Komponenten fügen sich selbstbewusst, doch zurückhaltend mit reduzierten Details in die gewachsene Umgebung ein.

Ein Blick auf die Bilder vor der Sanierung zeigt erhebliche Schäden durch Feuchtigkeit und bauschädliche Salze, die Berücksichtigung finden müssen. Da das Gebäude lange ungenutzt war, hat sich auch die Natur einen Teil zurückerobert. Der oftmals als dekorativ und schmückend wirkende Bewuchs von Fassaden mit Weinranken, Efeu oder ähnlichem zeigt hier deutlich die zerstörende Kraft von Wurzelwerk, wenn die Pflanzen ungehemmt und unkontrolliert wachsen können.

Das denkmalgeschützte Hortgebäude wurde, ohne zusätzliche Dämm-Maßnahmen an den Wandflächen, putztechnisch im alten Stil des ehemaligen Gemeindehauses der Lutherkirche mit Kratzputzflächen gestaltet, wobei ein Teil des alten Pfarrhauses als eine den Schulhof begrenzende Mauer erhalten wurde. Putzflächen, die eine besondere Optik zeigten, wurden mit speziell nachgestellten Putzmörteln ergänzt und verputzt.

Mehrfamilienhaus Hahnemannstraße 7, Leipzig

Um die Jahrhundertwende 19. / 20 Jh. wurde in Leipzig infolge des explosiven Bevölkerungswachstums eine Vielzahl neuer Wohnquartiere und Wohnhäuser erbaut. In dieser Zeit entstand auch das Gebäude der Hahnemannstraße 7, welches 1909 fertig gestellt wurde. Stillistisch zeigt das Objekt mit dekorativ geschwungenen Linien und flächenhaften floralen Ornamenten typische Elemente des späteren Jugendstils. Gleichzeitig sind ebenfalls Merkmale des Refomstils, welcher sich parallel zum Jugendstil entwickelte, durch reduzierte Formen und rustizierte Oberflächen erkennbar. Beide Stilrichtungen vereint die Abkehr von den bisher historischen Bauformen.

Im Rahmen der Sanierung des Objektes wurden an der Straßenfassade mit den oben beschriebenen Merkmalen des Jugend- und Reformstils wieder hergestellt. Florale Elemente und Stuckaturen wurden ebenso erneuert wie die Putzflächen. Im Sockelbereich erstellte man die Steinputzflächen sowie die Strukturenflächen an der Fassade mit überlieferten Handwerkstechniken und mit nachgestellten Putzmörteln entsprechend vorheriger Befunduntersuchung und Bemusterung.

Im Innenbereich wurden die Wände straßenseitig mit einem Dämmputz versehen. Gerade die Anwendung einer innenseitigen Dämmung bedarf besonderer bauphysikalischer Aufmerksamkeit in Bezug auf die bestehende Bausubstanz, verwendete Materialien, Anschlüsse an Decken und einbindende Bauteile sowie der späteren Nutzung. Die Hoffassaden der um 1900 errichteten Gebäuden waren alle relativ schlicht und zeigten nur selten dekorative Elemente. Daher erhielt diese Fassadenseite ein klassisches WDVS in Anlehnung an die geometisch einfache und reduzierte Gestaltungsform.

Mehrfamilienhaus Friedrich-Bosse-Straße 56, Leipzig

Das denkmalgeschützte Mietshaus entstand ebenfalls um die Jahrhundertwende, in den Jahren 1899/1900. In seiner Struktur zeigt das Gebäude die Merkmale der Gründerzeit. Besonderes Augenmerk liegt auf der Gestaltung der Treppenaufgänge.

Die Fassade der Straßenseite weist über dem typischen Natursteinsockel eine regelmäßige Putzgliederung auf. Stuckgesimse, Fensterbekörnungen und der Segmentgiebel verleihen dem Gebäude einen besonderen Reiz.

So wurden die Fassade der Straßenseite putztechnisch erneuert und die Merkmale der Gründerzeit in handwerklicher Tätigkeit wieder hergestellt.

Die Hofseite erhielt auch hier aufgrund der baulichen Schlichtheit ein klassisches Wärmedämmverbundsystem (WDVS). Aufgrund des energetischen Gesamtkonzeptes kann das Gebäude als KfW-Effizienzhaus Denkmal eingestuft werden.

Fazit

Eine denkmalgerechte Instandsetzung – unter besonderer Berücksichtung energetischer Aspekte – ist nur gemeinsam mit Architekten, Planern, dem Ausführenden und den Denkmalämtern sowie dem Materialhersteller zielführend durchzuführen. Ausgehend von einer restauratorischen Vorgabe, den bauphysikalischen Betrachtungen bis zur Nachstellung von historischen Putzstrukturen und der Anwendung althergebrachten Verarbeitungstechniken, lassen sich Baudenkmäler und erhaltenswerte Bausubstanz im Interesse des Bauherren erhalten und weiterhin nutzen.

Bei der Restaurierung, Renovierung und Rekonstruktion von
Baudenkmälern ist auch den zukünftigen Nutzungsanforderungen
Rechnung zu tragen.

Neben Maßnahmen zur Verbesserung der Wärmedämmung sollte stets eine ganzheitliche energetische Betrachtung des Gebäudes erfolgen.

Bautafel

Bildungscampus forum thomanum Leipzig
Bauherr: forum thomanum Schulen GmbH, Leipzig
Planung: W&V Architekten GmbH, Leipzig
Fachhandwerker: DPS Denkmalpflege Putz & Stuck GmbH, Leipzig; K & W BAU GmbH, Landsberg
Verwendete Baumit-Produkte: Klima Kalkputze RK 38 und RK 39, KratzPutz KRP Jura farbig mit Glimmer; SanierVorspritz SV 61, Sanierputz Grob SP 64 G, Historische Putze
Mehrfamilienhaus Hahnemannstraße 7, Leipzig
Bauherr: Helmut und Cornelia Rader, Heppenheim
Planung: Planungsgesellschaft ABA, Leipzig
Fachhandwerker: Bauunternehmen Forßbohm & Söhne, Markkleeberg
Verwendete Baumit-Produkte: Historische Putze, Stuckmörtelsystem Stuccoco Mono SM 86, Stuccoc Grobzug FG 89 und Feinzug FF 89, LuftporenPutz LL 66, DämmPutz DP 85, multiContact MC 55 W, WDVS EPS
Mehrfamilienhaus Friedrich-Bosse-Straße 56, Leipzig
Bauherr: EBV Grundbesitz GmbH, Leipzig
Planung: EBV Grundbesitz GmbH, Leipzig
Fachhandwerker: HBS Kaliski, Leipzig
Verwendete Baumit-Produkte: LuftporenPutz LL 66, multiContact MC 55 W, WDVS EPS
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