Denkmalschutz

Putzmörtel nach historischem Vorbild

Die Bewahrung historischer Bauwerke sollte unser aller Ziel sein. Denn diese Gebäude halten unsere Geschichte lebendig. Weisen sie zudem besondere Merkmale auf oder repräsentieren als kulturhistorisches Gut eine bestimmte Epoche, werden viele dieser Bauwerke und Gebäude als Baudenkmal ausgewiesen und verlangen bei der Sanierung auch in der materialtechnischen Auswahl besondere Beachtung.

Die Sanierung historischer Bausubstanz mit nachgestellten Putzmörteln ist untrennbar mit der baugeschichtlichen Entwicklung verbunden. Den verschiedenen Epochen kann man daher verschiedene Merkmale der Putzmörtel – angefangen von Funktion, über Zusammensetzung, bis hin zur Handwerkstechnik – zuordnen.

Da man in der Vergangenheit überwiegend auf örtlich verfügbare Rohstoffe zurückgegriffen hat, sind die Putzmörtel in ihrer Zusammensetzung und auch den damit in Verbindung stehenden Gestaltungstechniken sehr stark regional geprägt. Dennoch finden sich viele verbindende Elemente, die heute bei Analyse und Nachstellung hilfreich sind. So erkennt man mit jeder Probenentnahme und Untersuchung für die vorgefundenen Putzaufbauten und Strukturen vergleichbare Schichtaufbauten und in der Analyse dann ähnliche Bindemittel-Zuschlag-Verhältnisse, bestimmte Sieblinien oder die Verwendung von Zusätzen wie Tierhaaren.

Die Anforderungen und Zielstellungen der Denkmalpflege berücksichtigen für die Materialauswahl und die Gestaltung bei der Restaurierung, Renovierung und Rekonstruktion von Baudenkmälern sowie der Sanierung besonders erhaltenswerter historischer Objekte sowohl die Aspekte der Geschichte des Gebäudes, als auch typischen regionalen Merkmale von den Rohstoffen bis hin zur Handwerkstechnik.

Auf der Basis dieser sehr speziellen Anforderungen sind Produkte mit angepassten Korn- und Bindemittel-Zusammensetzungen zu konzipieren. Gleichzeitig muss dem Zustand des Bauwerkes und den Nutzungsanforderungen Rechnung getragen werden. Die vorhandene Salz- und Feuchtebelastung sowie die Schädigung durch Alterungs-, Umwelt- und Nutzungseinflüsse sind zu beachten und erfordern bei der Neukonzipierung ausreichend Berücksichtigung.

Selbst mit den heutigen fortschrittlichen Methoden ist die Ermittlung der ursprünglichen Eigenschaften historischer Putze und deren Zusammensetzung nur bedingt möglich und wirtschaftlich sinnvoll. Die eingesetzten Bindemittel und Zuschläge wurden im Regelfall vor Ort gewonnen, hergestellt und eingesetzt. Die vom Handwerksmeister damals verwendeten Mörtelzusätze sind heute nur schwer nachweisbar. Bei gut erhaltenen alten Mörteln kann aber vom Einsatz solcher Zusätze ausgegangen werden. Auch verändert sich die ursprüngliche Zusammensetzung des Altputzbestandes im Laufe von Jahrzehnten als Folge von Witterungs- und Umwelteinflüssen. Bei der Erhärtung kann das Bindemittel allein oder auch in Verbindung mit dem örtlichen Zuschlag reagieren. Gerade diese Reaktionen sind heute im Detail nicht mehr oder nur eingeschränkt nachvollziehbar. Die Mörteleigenschaften, die wir heute feststellen können, sind somit nicht mehr identisch mit den Eigenschaften des Mörtels in der Zeit seiner Herstellung. Daher können die gemessenen Laborergebnisse in einem gewissen Rahmen durchaus vom später konzipierten Mörtel abweichen.

Einen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis hat auch die Probenentnahme. Meist kann man nur an Bereichen des Gebäudes Proben entnehmen, die schon eine gewisse Schädigung aufweisen. Intakte Flächen werden oftmals belassen und dürfen nicht für die Probenentnahme genutzt werden. Infolge dessen ist damit zu rechnen, dass die ermittelbare Sieblinie nicht den noch gut erhaltenen Flächen entspricht.

Grundsätzlich lassen aber die Mörtelanalyse, die bauzeitliche Einordnung der Mörtelproben und der Zustand des Altmörtels unter Berücksichtigung seiner Lage am Objekt Rückschlüsse auf seine ursprüngliche Zusammensetzung zu.

Die Nachstellung – unabhängig davon, ob es sich um Mauer-, Fugen- oder Putzmörtel handelt – muss sowohl den denkmalpflegerischen und den technischen Anforderungen am Objekt sowie den wirtschaftlichen Aspekten innerhalb der Sanierungsmaßnahme gerecht werden.

Folgende Anforderungen sind grundsätzlich zu berücksichtigen und können objektspezifisch gewichtet werden.

1. Der nachgestellte Mauer-, Fugen- oder Putzmörtel muss im Ergebnis das gleiche optische Erscheinungsbild bieten, wie der bauzeitliche Befund.

2. Die Zusammensetzung und technischen Parameter, wie z.B. Festigkeit oder Wasseraufnahmefähigkeit, müssen weitestgehend dem Befund entsprechen.

3. Es sollten möglichst vergleichbare, örtlich verfügbare oder ähnliche Rohstoffe verwendet werden.

4. Beim Einsatz von Ersatzmörteln, dürfen diese nur soweit vom Befund abweichen, wie es zur Beherrschung der Bauwerksschäden unbedingt erforderlich ist. Auch eine „historische Sanierung“ muss weitgehend dauerhaft sein.

5. Die Verarbeitung des nachgestellten Ersatzmörtels sollte unter Anwendung traditioneller Handwerkstechniken erfolgen.

6. Der vorgegebene Kostenrahmen darf nicht überschritten werden.

Diese Anforderungen lassen bereits erkennen, dass eine Vielzahl von unterschiedlichen Interessen in Einklang gebracht werden müssen. Aus denkmalpflegerischer Sicht soll der neue Putzmörtel möglichst dem bauzeitlichen Befund entsprechen. Für den Materialhersteller muss die Produktion in den Mischanlagen möglich sein. Aus planerischer Sicht sind sowohl die vorhandenen Bauwerksschäden zu beheben als auch die gültigen normativen Vorgaben einzuhalten. Dem Handwerker ist es wichtig, dass die Verarbeitung auch unter Einsatz moderner Technik möglich ist. Und zuletzt wünscht sich der Bauherr, dass der zur Verfügung stehende Kostenrahmen nicht überschritten wird und die Maßnahme entsprechend dauerhaft ist.

Daher sind vor Beginn der Nachstellung und Mörtelentwicklung mit allen Beteiligten gemeinsam die folgenden Fragenstellungen zu klären.

– Welche Putzstruktur (z.B. bei unterschiedlichen Befunden) soll erzielt werden? Mit welcher Handwerkstechnik wurde diese spezielle Struktur erstellt?

– Sind die festgestellten bzw. damals verwendeten Bindemittel im neuen Produkt einsetzbar? Sind Änderungen erforderlich und zulässig?

­– Sind die festgestellten Mörtelzusätze im neuen Produkt einsetzbar? Wie aufwendig ist deren Beschaffung? Kann dieser Mörtelzusatz in den Produktionsanlagen eingesetzt werden? Besteht die Möglichkeit und die Erlaubnis ersatzweise moderne Mörtelzusätze einzusetzen? 

– Darf bei mehrlagigen Putzsystemen aus wirtschaftlichen Gründen der Unterputz maschinell aufgetragen werden? Finden sich geeignete Produkte aus den Standardprogrammen der Hersteller?

– Darf zur Beherrschung von bauwerksbedingten Schäden der Unterputz spezielle Funktionen erfüllen? Darf z.B. ein Sanierputzsystem-WTA zur Anwendung kommen?

– Kommen Anstrichsysteme zu Anwendung? Wenn ja, welche?

So kann im Dialog mit allen Beteiligten, die für das entsprechende Objekt geeignetste Lösung gefunden werden. Gleichzeitig wird dabei sichtbar, dass es für alle Seiten Grenzen in der Umsetzbarkeit gibt. Nicht alle Anforderungen können erfüllt und gleichermaßen berücksichtigt werden.

Als Werktrockenmörtelhersteller machen wir uns zum Beispiel auf die Suche nach vertretbaren Lösungen, um im wirtschaftlichen Kostenrahmen zu bleiben. Es wird geprüft, ob es durch die Auswahl passender Bindemittel, moderner Zusatzstoffe sowie werksseitiger Produktion alternative Lösungen gibt, die trotzdem die Einhaltung der meisten Anforderungen sicherstellen und zusätzlich die maschinelle Verarbeitung des Produktes ermöglichen. Oftmals ist der Handwerker bereit, spezielle Zugaben - wie z.B. Tierhaare oder sehr grobe Körnungen - auf der Baustelle hinzuzufügen, weil deren Beimischung über Produktionsanlagen nicht möglich ist. Die dazu verwendeten Materialrezepturen können speziell auf diese Zugaben abgestimmt werden. So tragen das handwerkliche Geschick und die kreative Umsetzung durch den Fachhandwerker vor Ort, neben einer geeigneten Materialrezeptur, wesentlich zum Erfolg und zu einer gelungenen Struktur nach historischem Vorbild bei.

Eine weitere – heute umso aktuellere – Fragestellung wurde in den Ausführungen bisher nicht berücksichtigt: Sind am Objekt zusätzliche Maßnahmen zur energetischen Ertüchtigung notwendig?

Das Thema - Energetische Sanierung und Denkmalschutz - ist so widersprüchlich wie vielfältig. Es bedarf erneut den Blick ins Detail. Sowohl auf die speziellen denkmalpflegerischen Anforderungen als auch auf das Gebäude und dessen bisherige und zukünftige Nutzung.

Alle Maßnahmen an einem Gebäude aus dem Bestand – unabhängig davon, ob denkmalgeschützt oder nicht – sollten mit dem Ziel geplant und umgesetzt werden, das historische Bauwerk für unsere künftigen Generationen zu bewahren.

Es ist daher heute oftmals nicht mehr ausreichend  „nur“ den bauzeitlichen Befund zu ermitteln und unter Berückichtgung der Schäden an der Bausubstanz im Rahmen einer Putzerneuerung zu behandeln, sondern zusätzliche Maßnahmen vorzuzusehen.

Neben den Fragestellungen, die für die Nachstellung und Mörtelentwicklung notwendig sind, sollten die Aspekte für die energetische Ertüchtigung geklärt werden.

– Darf eine außenseitige Wärmedämmung angebracht werden?

– Welche Baustoffe und Materialien dürfen zur Anwendung kommen?

– Kann man mit der außenseitigen Wärmedämmung die gestalterischen Anforderungen an die Fassadengestaltung umsetzten?

– Ist es nach genauer bauphysikalischer Betrachtung unter Berücksichtigung sowie evtl. vorhandener Schädigungen der Bausbstanz möglich eine innenseitige Wärmedämmung anzubringen?

Neben Maßnahmen zur Verbesserung der Wärmedämmwirkung der Wandflächen, sollte immer eine ganzheitliche energetische Betrachtung des Gebäudes erfolgen. So ist es nicht ausgeschlossen, dass man in Einzelfällen auf eine zusätzliche Wärmedämmung der Wände verzichten kann, wenn andere energetisch wirksame Maßnahmen möglich sind.

Gelungene Objekt zeigen wie man diese Herausforderungen meistern kann.

Altes Rathaus Haunstetten

Das Alte Rathaus wird auch als Tattenbach-Palais oder Käß-Palias bezeichnet. Wann das Gebäude erbaut wurde, ist allerdings nicht bekannt. Der Gebäudeursprung geht auf eine Nutzung als „Getreidekasten“ - ein Kastenhaus zur Aufbewahrung von Getreide - zurück. Ab 1800 wurde das Gebäude zur Fabrik der entstehenden Textilindustrie. Erst in der Mitte der 19. Jahrhundert erfolgten die Umbauten zu Wohnzwecken. Seit 1955 beherbergte das Gebäude das Rathaus Haunstetten und dient heute als Verwaltungsgebäude für den eingemeindeten Stadtteil in Augsburg.

So zeigt die Fassade des Gebäudes eine Vielzahl der üppigen Gestaltungselemente des Jugendstils. Die Fassade wurde durch die Putzspiegel und Stuckkaturen gegliedert. Flächen grenzen sich durch eine Vielzahl von verschiedenen Strukturen voneinander ab und geben der Fassade ihre ganz eigene Charakteristik.

Die Schäden an Putzflächen und Mauerwerk durch bauschädliche Salze sowie durch Rissbildungen wurden im Rahmen der Instandsetzungsarbeiten fachgerecht behandelt und die verschiedenen Strukturen und Fassadenmerkmale wurden in aufwendiger Handarbeit nach dem vorliegenden Befund nachgestellt.

Die abschließende farbige Fassung lässt Erinnerungen an die Glanzzeiten des Gebäudes als Palais aufleben.

Mehrfamilienhaus Hahnemannstraße 7, Leipzig

Um die Jahrhundertwende 19. Jh./ 20 Jh. wurden in Leipzig infolge des explosiven Bevölkerungswachstums eine Vielzahl neuer Wohnquartiere und Wohnhäuser erbaut. In dieser Zeit entstand auch das Gebäude der Hahnemannstraße 7, welches 1909 fertig gestellt wurde.

Stillistisch zeigt das Objekt mit dekorativ geschwungenen Linien und flächenhaften floralen Ornamenten typische Elemente des späteren Jugendstils. Gleichzeitig sind ebenfalls Merkmale des Refomstils, welcher sich parallel zum Jugendstil entwickelte, durch reduzierte Formen und rustizierte Oberflächen erkennbar. Beide Stilrichtungen vereint die Abkehr von den bisher historischen Bauformen.

Im Rahmen der Sanierung des Objektes wurden an der Sraßenfassade mit den oben beschriebenen Merkmalen des Jugend- und Reformstils wieder hergestellt. Florale Elemente und Stuckaturen wurden ebenso erneuert, wie die Putzflächen. Im Sockelbereich erstellte man die Steinputzflächen sowie die Strukturenflächen an der Fassade mit überlieferten Handwerkstechniken und mit nachgestellten Putzmörteln entsprechend vorheriger Befunduntersuchung und Bemusterung.

Im Innenbereich wurden die Wände straßenseitig mit inem Dämmputz versehen. Gerade die Anwendung einer innenseitigen Dämmung bedarf der besonderer bauphysikalischer Aufmerksamkeit in Bezug auf die bestehende Bausubstanz, verwendete Materialien, Anschlüsse an Decken und einbindende Bauteile sowie der späteren Nutzung.

Die Hoffassaden der um 1900 errichteten Gebäuden waren alle relativ schlicht und zeigten nur selten dekorative Elemente. Daher erhielt diese Fassadenseite ein klassisches WDVS in Anlehnung an die geometisch einfache und reduzierte Gestaltungsform.

Mehrfamilienhaus Friedrich-Bosse-Straße 56, Leipzig

Das denkmalgeschützte Mietshaus entstand ebenfalls um die Jahrhundertwende, in den Jahren 1899/ 1900 in Leipzig. In seiner Struktur zeigt das Gebäude die Merkmale der Gründerzeit. Besonders Augenmerk liegt auf der Gestaltung der Treppenaufgänge.

Die Fassade der Straßenseite weißt über dem typischen Natersteinsockel eine regelmäßige Putzgliederung auf. Stuckgesimse, Fensterbekörnungen und der Segmentgiebel verleihen dem Gebäude einem besonderne Reiz.

So wurde die Fassade der Straßenseite putztechnisch erneuert und die Merkmale der Gründerzeit in handwerklicher Tätigkeit wieder hergestellt.

Die Hofseite erhielt auch hier aufgrund der baulichen Schlichtheit ein klassisches WDVS.

Aufgrund des energetischen Gesamtkonzeptes kann das Gebäude als KfW-Denkmal Effizienzhaus eingestuft werden.

Fazit

Berücksichtigt man die hier aufgezeigten Aspekte, ist eine denkmalgerechte Instandsetzung auch mit Werktrockenmörtel und dem teilweisen Einsatz moderner Maschinentechnik sowie einer energetischen Ertüchtigung möglich. Die komplexen Aufgabenstellungen sind aber nur gemeinsam im Team mit den Architekten und Planern, dem Ausführenden sowie den Denkmalämtern zu bewältigen. Viele Beispiele zeigen, wie die Sanierung gelingen kann. Ausgehend von einer restauratorischen Zielstellung, den intensiven Untersuchungen bis hin zu der Nachstellung von historischen Putzstrukturen und der Anwendung von alt-hergebrachter Verarbeitungstechniken lassen sich Baudenkmäler im Interesse des Bauherren, aber auch der gesamten Öffentlichkeit, erhalten.

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