Hanglage mit Aussicht

Das Siedlungswerk erstellt in Tübingen am Österberg auf dem Areal eines ehemaligen Pflegeheims der Samariterstiftung für 37,5 Mio. € ein neues Wohnquartier, das sich von der Massenproduktion aus der Schublade abhebt.

„Es ist ein klassisches Bauvorhaben, das durch die ressourcenschonende Umnutzung des topografisch schwierigen Grundstücks einen Beitrag zum ökologischen Bauen und zur nachhaltigen Stadtentwicklung darstellt“, erklärt Dipl.-Ing Harald Luger, Abteilungsleiter Projektrealisierung. „Zum Beispiel werden nach Abriss des Pflegeheimes für die den Höhenlinien folgende Wohnbebauung - in der ca. 300 Menschen ihr neues Zuhause haben werden - keine neuen Flächen in Anspruch genommen.“

Kein architektonischer Einheitsbrei

Architektonisch setzt sich das Unternehmen mit diesem Bauvorhaben von der Architektur-Massenproduktion aus der Schublade ab. Durch geschicktes Versetzen der Gebäude auf dem sehr steilen Hanggrundstück ergeben sich geschützte Räume, Terrassen und Balkone, die Privatsphäre, Rückzugsmöglichkeiten und Sichtschutz bieten.
Helles, weiß verputztes Wärmedäammverbundsystem auf massivem Kalksandsteinmauerwerk lässt zusammen mit den großen Fensterflächen eine gewünschte Leichtigkeit und Transparenz innerhalb der Bebauung entstehen. Zusätzlich prägt die klare, architektonische Linienführung übersichtlich und klar das Erscheinungsbild des Wohnquartiers. Begrünte Hänge und Rasenstreifen trennen die einzelnen Baukörper und schaffen Sichtflächen zwischen den einzelnen Gebäuden bis hinunter zum Neckartal.

Wie bei allen Bauvorhaben ist vom Siedlungswerk auch in Tübingen vorab eine Bedarfsermittlung und Marktuntersuchung vorgenommen worden. Jochen Wassner, Prokurist, Geschäftsbereichsleiter: „2006 hat das Siedlungswerk das Gelände vom Landkreis Tübingen erworben. Die gesamte Wertschöpfungskette dieses, wie auch aller anderen Bauvorhaben erfolgt bei uns im Hause – Grundstückskauf, Projektentwicklung, Vertrieb, Verwaltung etc. Die Architektenleistungen vergeben wir überwiegend an externe Büros.“

Für die Bebauung am Österberg ist ein begrenzt offener Wettbewerb mit einem vorgeschalteten Auswahlverfahren ausgelobt worden, bei dem das Architekturbüro Auer + Weber + Assoziierte, Jörn Scholz in Zusammenarbeit mit Architekturbüro becker + haindl, beide Stuttgart, als Sieger hervorgingen. In der Beurteilung des Preisgerichtes heißt es unter anderem: „Es entsteht eine Mischung in der Gebäudetypologie, die ohne Zwänge ist und ohne gewalttätige Erschließungsmaßnahmen auskommt. Der Entwurf sichert also ein hohes Maß an gemischten Wohn- und Bauformen ohne die oft kritisierte Separatisierung.“

Schwierige Hanglage

Eine besondere Herausforderung war die Steillage des Hanggrundstücks mit extremen Höhendifferenzen. Harald Luger: „Für die Hangsicherung haben wir teilweise die Betonaußenwände des Pflegeheims integrieren können. Zusätzlich waren noch weitere statische, teilweise 8 – 9 m hohe Verbaumaßnahmen notwendig, um die Steilhanglage für den Bau der Häuser nutzbar zu machen.“

„Besonderen Wert haben wir bei der Planung auf die Umsetzung unseres Konzeptes der nachhaltigen Quartiersentwicklung gelegt“, erläutert Jochen Wassner. „Das bedeutet, dass wir gemischte Wohnformen schaffen, die Freiräume und Wohnbedürfnisse für alle Alters- und Bevölkerungsschichten beinhalten.“ Neue soziale und kulturelle Perspektiven seien angesichts der tief greifenden gesellschaftlichen und demografischen Veränderungen wichtig. Kurzum, was älteren Menschen das Leben in den Wohnungen erleichtere, erleichtere auch jungen Familien mit Kindern den Alltag. Ein Beispiel seien Eigentumswohnungen, die trotz der topografischen Verhältnisse gemäß LBO § 35 (1) barrierefrei erreichbar seien. Das heißt, schwellenlose Wege von der Tiefgarage mit Aufzug bis in die Wohnung. „Seit 2007 können sich unsere Kunden in unserem Stuttgarter WohnRaum auch die passende Innenausstattung auswählen.“ Das Angebot an Bodenbelägen, Wandfliesen und Sanitärgegenständen sei sozusagen eine erlebbare Baubeschreibung und biete einen guten Überblick über die Ausstattungsqualität der Siedlungswerk Bauvorhaben.

Auf dem 1,8 ha großen Planungsgebiet ist durch die unterschiedlichen Höhen der Ge­­bäudekörper eine gute räumliche Mischung unterschiedlicher Bau- und Wohnformen erreicht, mit einem sehr guten Wechsel zwischen familiengerechten Einfamilienhäusern und markanten Geschosswohnungsbauten.

Insgesamt werden in drei Bauabschnitten 97 Wohneinheiten erstellt, verteilt auf 13 Gebäude mit Eigentumswohnungen sowie 12 Reihen und Doppelhäuser. Highlights sind Maisonettewohnungen und mehrere Penthouse-Wohnungen mit ca. 166 m2 Wohnfläche. Der dritte Bauabschnitt wird voraussichtlich im Sommer 2014 abgeschlossen sein.

Obligatorisch für alle Wohnungen ist der Balkon bzw. die Terrasse mit Gartenanteil. Jedes Reihen- bzw. Doppelhaus verfügt über einen Carport mit integriertem, geschlossenem Fahrradabstellplatz auf dem eigenen Grundstück. Darüber hinaus sponsert das Siedlungswerk den Eigentümergemeinschaften 5 Pedelecs (Elektrofahrräder), welche dann zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung stehen.
Die Verkaufspreise hatten eine Bandbreite von 3000 bis 5000 €/m²  Wohnfläche. Alle Wohneinheiten sind bereits verkauft.

Ausgereiftes Energiekonzept

Zum „Leuchtturmprojekt für Nachhaltigkeit“, wie das Siedlungswerk, die Österberganlage nennt, gehört ein Energiekonzept, bei dem die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit Schwerpunkte bilden. Alle Gebäude werden über ein Nahwärmenetz und eine gemeinsame Heizzentrale versorgt, die mit Holzpellets beschickt wird. Als nachwachsender, regenerativer Baustoff verbrennen sie nahezu CO2-neutal. Zusätzlich betreibt die Bürger-Energie-Genossen­schaft Tübingen eine Photovoltaikanlage auf einigen Dächern der Wohnanlagen.
Die Gebäude sind nach den Vorgaben der KfW-Bank als KfW Effizienzhaus 70 erstellt. Jeder Eigentümer erhielt einen Energiebedarfsausweis. Für effektive passive, solare Wärmegewinne sind die Räume mit hohem Wärmebedarf wie Wohn- und Kinderzimmer wenn möglich nach Süden ausgerichtet. Räume mit geringem Wärmebedarf wie Küche, Abstellraum, Eingangsbe­reich und Schlafzimmer liegen nach Norden.

Die Außen- und Innenwände sind in Massivbauweise hauptsächlich aus Kalksandstein erstellt. Lieferwerk der Kalksandsteine für sämtliche Quartiere im Tübinger Österberg ist das KS-Werk Durmersheim der Heidelberger Kalksandstein GmbH.

„Wichtig sind für uns insbesondere die akustischen und statischen Vorteile des Kalksandsteins. Ohne sie wäre die gestaffelte und vielseitige Gestaltung der Quartiere in dieser Mannigfaltigkeit kaum möglich gewesen“, erklärt Harald Luger. „Auch das gesunde, angenehme Raumklima, das mit dem Kalksandstein und seiner hohen Wärmespeicherfähigkeit erreicht wird, ist ausschlaggebend dafür, dass wird für alle unsere Gebäude Kalksandstein verwenden.“

Die Außenwände aller Gebäude bestehen aus 24 cm Kalksandstein, System KS-QUADRO, und einem 16 cm starken Wärmedämmverbundsystem. Der U-Wert der Kalksandstein-Außenwandkonstruktion liegt bei 0,171 W/m2K. Die Gebäude sind mit einer dezentralen, kontrollierten Lüftungsanlage ausgestattet. Die Holzfenster verfügen über eine 3-fach-Wärmeschutz-Verglasung mit einem U-Wert Fenster von 1,1.W/m2K.

Eine besondere Herausforderung war die Steillage des Hanggrundstücks mit extremen Höhendifferenzen.

Obligatorisch für alle Wohnungen ist der Balkon bzw. die Terrasse mit Gartenanteil.

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