Bauen im Bestand

Horizontalabdichtung: Cremen statt mit Druck injizieren

Injektionsverfahren haben sich zur nachträglichen Herstellung von Horizontalsperren im Mauerwerk etabliert und bewährt. Die bislang angebotenen Produktsysteme sind flüssig. Cremeförmige Produkte verbessern Funktionalität und Einbauaufwand.

Für Fassadenhydrophobierungen wurden und werden Silane und Siloxane, die sich durch niedrige Viskositäten, also gute Fließfähigkeiten auszeichnen, seit langem eingesetzt. Allerdings wurden hier lange Zeit nur lösemittelhaltige Produkte verwendet, da man die Bereitstellung entsprechender wässriger Produkte für kaum möglich hielt, weil die Wirkstoffe einerseits – ähnlich wie Öle – nicht mit Wasser mischbar sind und andererseits in Kontakt mit Feuchtigkeit der Hydrolyse un­­terliegen und reagieren.

Das Problem des Einarbeitens dieser feuchtigkeitsempfindlichen Wirkstoffe in lagerbeständige wässrige Produkte ließ sich aber letztlich durch Fortschritte in der Emulgatortechnik lösen [1]. Dabei werden die Silane bzw. Siloxane durch intensives Rühren im Wasser feinst verteilt. Die Stabilisierung dieser „Emulsion“ erfolgt über so genannte Emulgatoren, die auf der einen Seite ihres Moleküls oleophile („ölliebende“), auf der anderen Seite hydrophile („wasserliebende“) Eigenschaften zeigen. Die oleophile Seite des Emulgators richtet sich zum siliciumorganischen Wirkstoff hin aus. Dadurch zeigt der hydrophile Teil in Richtung des umgebenden Wassers und stabilisiert damit die durch das Rühren entstandenen Tröpfchen, die so ge­­nannten „Micellen“.

Die jüngste Entwicklung in diesem Bereich ist die seit etwa 15 Jahren erfolgreich praktizierte Herstellung von hochviskosen, wässrigen Systemen, so genannten Cremes. Deren Konsistenz resultiert aus der hohen Wirkstoffkonzentration von ca. 40 % bis 80 % im Produkt. Solche Produkte zeichnen sich dadurch aus, dass sie rückstandsfrei in den Baustoff einziehen. Daneben sind auch Pasten oder Gele erhältlich, bei denen die Wirkstoffe mit Verdickern auf die gewünschte Konsistenz eingestellt werden. Da diese Verdicker aber nicht in den Untergrund einziehen, bleiben sie – nach dem Einwandern der Wirkstoffe in den Untergrund – als störender Belag auf der Oberfläche zurück.

Nachträgliche chemische Horizontalsperren

Die Mehrzahl der am Markt verfügbaren Schutzstoffe ist gemäß WTA-Merkblatt 4-4-04/D geprüft und zertifiziert. Ziel dieser Zertifizierung ist es, dem Planer und Anwender die Möglichkeit zu geben, die unterschiedlichen Injektionsstoffe gemäß ihrer Eigenschaften, Anwendungsgebiete und Anwendungsgrenzen möglichst objektiv vergleichen zu können. Dafür muss der Blick jedoch tiefer gehen als lediglich bis zur Aussage des Zertifikats, bis zu welchem Durchfeuchtungsgrad das Material einsetzbar ist.

Bei „klassischen“ chemischen Horizontalsperren wird ein flüssiger Injektionsstoff in das zu behandelnde Mauerwerk eingebracht. Damit dies geschehen kann, müssen entweder Teile des Porensystems zugänglich, d.h. frei von Wasser sein oder das in den Poren befindliche Wasser muss während des Einbaus verdrängt werden. Durch die Hersteller wird je nach Injektionsstoff ein Durchfeuchtungsgrad (DFG) angegeben, bis zu dem ausreichend offener Porenraum zur Verfügung steht, damit der Einbau drucklos erfolgen kann. Wenn nötig kann ein entsprechend niedriger Feuchtegehalt durch Trocknungsmaßnahmen realisiert werden. Alternativ kann eine Injektion unter Druck vorgenommen werden. Dabei wird der Injektionsstoff mit Pumpen oder Druckbehältern über Packer in den Baustoff gedrückt, wobei er Teile des in den Poren vorhandenen Wassers verdrängt. Wenn nicht von vornherein mit einem der aufwändigeren Verfahren gearbeitet werden soll, ist es zwingend erforderlich den Durchfeuchtungsgrad des Mauerwerks in der Injektionsebene zu bestimmen. Dazu ist die Entnahme von Stückproben unumgänglich, da das Gesamtporenvolumen des Materials als Bezugsgröße für den aktuell vorhandenen volumetrischen Feuchtegehalt bestimmt werden muss.

Die gesamte beschriebene Vorgehensweise erzeugt einen nicht unerheblichen Aufwand, was bereits vor 1,5 Jahrzehnten dazu geführt hat, dass nach innovativen Produkten ge­­forscht wurde, die es ermöglichen würden diesen Aufwand zu reduzieren.

Cremetechnologie als Problemlöser

Bei der Entwicklung wurde klar, dass eine konzentrierte Creme-Rezeptur viele der Probleme traditioneller nachträglicher Horizontalsperren überwinden könnte. Zuerst fallen hier die Anwendungsvorteile ins Auge. Für ein cremeförmiges Material macht eine Druckverpressung wenig Sinn, da die Konsistenz hier keinen Vorteil bringt bzw. unter einer solchen Anwendung ggf. sogar kollabieren würde. Ein cremeförmiges Material ist demnach für die drucklose Anwendung prädestiniert. Hinsichtlich der Verarbeitung bietet die Konsistenz den Vorteil, dass das Material aus einem horizontal gebohrten Loch nicht herausläuft. Das aufwändige schräge Bohren, bei dem immer durch die Mauersteine hindurch gebohrt werden muss, entfällt zugunsten eines horizontalen, d.h. kürzestmöglichen Bohrlochs, was bei durchgehenden Lagerfugen zudem bequem in der Fuge gebohrt werden kann. Ziel der Entwicklung musste es sein, mit einer Bohrlochfüllung so viel Wirkstoff einzubringen, dass keine weitere Befüllung notwendig ist und somit auch keine Vorratsbehälter angebracht werden müssen.

Im Verlauf der Entwicklungsarbeiten zeigte sich, dass mit der hohen Wirkstoffkonzentration (80 % aktiver Wirkstoff) einer Wasser-in-Öl-Emulsion die genannte Anforderung hinsichtlich der Befüllung zu erreichen ist und zudem einen weiteren entscheidenden Vorteile generiert: Der Wirkstoff ist in der Lage, sich durch Diffusion im Porenwasser des Baustoffs auszubreiten! Das führt dazu, dass der Einbau der Horizontalsperre drucklos, auch bei nahezu vollständiger Porensättigung möglich ist. Freier, kapillaraktiver Porenraum ist ebenso wenig notwendig wie der Einsatz einer Druckinjektion. Voruntersuchungen zum Durchfeuchtungsgrad sind somit überflüssig.

Versuche mit unterschiedlichen Steinmaterialien sowie auch Mörteln haben gezeigt, dass ein Bohrlochdurchmesser von 12 mm ausreichend ist und sich aus den erzielten Verteilungsradien ein sinnvoller Bohrlochabstand von 12 cm ergibt. Das entspricht einer Reduktion der Mauerwerksaufstandsfläche von 10 %, was in aller Regel verkraftbar ist und somit die nachträgliche Verfüllung der Bohrlöcher ebenfalls überflüssig macht. Damit wird es möglich, die Horizontalsperre, einschließlich des üblichen vertikalen Abdichtungsstreifens, inklusive Putz, in einem Tag fertig zu stellen.

Aus der Konsistenz des Materials und der lediglich einmaligen Bohrlochfüllung ergibt sich ein weiterer nicht unerheblicher Vorteil: Die einzusetzende Materialmenge wird kalkulierbar. Während bei der Verwendung flüssiger Materialien, insbesondere im Rahmen einer Druckinjektage, Teile des eingesetzten Injektionsstoffes in Rissen und Hohlräumen „verschwinden“ ist dies bei druckloser Anwendung einer Creme nahezu ausgeschlossen.

Seit einiger Zeit sind von mehreren Herstellern ähnliche Materialien auf dem Markt, die alle mit dem WTA-Zertifikat bis 95 % Durchfeuchtungsgrad versehen sind. Sie unterscheiden sich jedoch hinsichtlich der Verarbeitungsbedingungen, unter denen das Prüfzeugnis erlangt wurde. Um hier nicht die falsche Vorgehensweise zu wählen, ist es dringend angeraten, die jeweiligen Bedingungen nicht nur in den Technischen Merkblättern der Hersteller, sondern auch in dem dazugehörigen Prüfbericht nachzulesen. Die wesentlichen Unterschiede liegen im Bohrlochdurchmesser und dem beim Bohren verwendeten Neigungswinkel sowie im Ab­­stand der Bohrlöcher.

Zusammenfassung

Vergleicht man die Eigenschaften der bislang verfügbaren Injektionsverfahren zur Herstellung nachträglicher Querschnittsabdichtungen bzw. die dafür bereitstehenden Produktsysteme, zeigen sich erhebliche Vorteile auf Seite der jüngsten, cremeförmigen Produkte gegenüber den flüssigen Produktsystemen.

Die zur Auswahl des Verfahrens bislang notwendigen Voruntersuchungen entfallen, da das Verfahren bei kapillar aufsteigender Feuchte bei jedem Durchfeuchtungsgrad einsetzbar ist. Zugleich werden Bohraufwand und Materialeinsatz, ebenso wie der erforderliche Zeitaufwand minimiert. Bei den meisten Herstellern sind Produkt und Verfahren durch eine entsprechende Prüfung und WTA-Zertifizierung abgesichert. Für die überwiegende Zahl nachträglicher Horizontalsperren ist die Cremetechnologie das effizienteste Verfahren.

[1] ConChem-Jornal, 1. Jahrgang, 2/93 S. 62

Der Wirkstoff ist in der Lage, sich durch ­Diffusion im Porenwasser des Baustoffs auszubreiten.

Mit einer Creme ist es möglich, die Horizontalsperre in einem Tag fertig zu stellen.

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