Wohnen im Alter: In vertrauter Umgebung alt werden
Seit dem Jahr 2003 sinkt die Einwohnerzahl Deutschlands. Gleichzeitig altert die Bevölkerung stark. Dieser demografische Wandel wird den Wohnungsmarkt deutlich verändern. Deshalb stehen insbesondere kommunale Wohnungsunternehmen vor bedeutenden Herausforderungen, vor allem im Bereich des altersgerechten Wohnens.
Auf diese Entwicklung hat die Städtische Wohnungsbaugesellschaft Lahr (STW) mit dem Leuchtturmprojekt „Im Goldenen Winkel“ reagiert und rund 12 Mio. € in 60 Neubauwohnungen und einen Gemeinschaftsraum investiert.
Das Statistische Bundesamt prognostiziert, dass die deutsche Bevölkerung von derzeit etwa 82 Mio. Menschen bis zum Jahr 2025 auf rund 79 Mio., bis 2060 gar auf 65 Mio. sinken wird. Mit dem Bevölkerungsrückgang geht gleichzeitig eine starke Veränderung der Altersstruktur Deutschlands einher. Diese verschiebt sich deutlich in Richtung der älteren Jahrgänge.
2060 wird bereits jeder dritte Deutsche 65 und mehr Lebensjahre aufweisen. Die Verbände der Bau- und Immobilienwirtschaft gehen davon aus, dass pro Jahr rund 100.000 seniorengerechte Wohnungen durch Neubau oder Modernisierung geschaffen werden müssten, um den Bedarf zu decken.
Derweil sind laut Schätzungen des Bundesbauministeriums aktuell lediglich 1 % der Wohnungen altersgerecht ausgestattet. Damit ist eine der Hauptaufgaben der Wohnungsunternehmen in Deutschland klar umrissen: Um Senioren möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen, werden Wohnungen gebraucht, die den Bedürfnissen älterer Menschen gerecht werden.
Gefragt sind kleine barrierefreie Wohnungen im Herzen der Stadt
Dieser Herausforderung muss sich auch die knapp 44.000 Einwohner zählende Stadt Lahr im Ortenaukreis (Baden-Württemberg) stellen. Dort wird die Zahl der Über-60-Jährigen laut statischen Berechnungen zwischen 2010 und 2030 um rund 38 % zunehmen, während die Haushaltsgrößen leicht rückläufig sind. Die Anforderungen an Wohnraum verändern sich dadurch grundlegend. Gefragt sind kleine barrierefreie und barrierearme Wohnungen im Herzen der Stadt.
Auf diese Entwicklung hat die STW, die sich neben ihrem Kerngeschäft – der Bewirtschaftung von rund 1.300 Wohnungen im Lahrer Stadtgebiet – in erster Linie der Entwicklung ökologischer Innovationen sowie neuartiger Wohnkonzepte widmet, mit ihrem bislang größten Neubauprojekt „Im Goldenen Winkel“ reagiert. Bereits das namensgebende goldglänzende Dach der Wohnanlage zeigt von Weitem, dass dieses Gebäudeensemble außergewöhnlich ist: Die kleinen Miet- und Eigentumswohnungen liegen sehr zentral und sind barrierefrei gestaltet. Sämtliche Wohneinheiten verfügen über schwellenlose Zugänge, bodengleiche Duschen und sind über Aufzüge zu erreichen. Ein rund 80 m² großer, möblierter Gemeinschaftsraum, den die Bewohner selbst verwalten, fördert das Kennenlernen und Zusammenleben.
Das Konzept für die Wohnanlage geht auf den Entwurf des Darmstädter Architekten Florian Krieger zurück, der beim 2011 ausgelobten intern. Architektenwettbewerb einen der beiden ersten Preise gewonnen und sich dabei gegen 72 Mitbewerber durchgesetzt hat. „Es ist selten, dass für Wohnbauvorhaben der aufwendige Weg über einen internationalen Architektenwettbewerb gewählt wird. Für das außergewöhnliche Projekt ‚Im Goldenen Winkel‘ hat es sich jedoch ausgezahlt“, erinnert sich STW-Geschäftsführer Markus Schwamm.
Gebäudeensemble fügt sich nahtlos in die Nachbarbebauung ein
Krieger hat ein Gebäudeensemble mit einem Mix aus Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen entworfen, das sich trotz schwieriger baulicher Verhältnisse nahtlos in die Nachbarbebauung einfügt und den ganzen Block aufwertet. Mit dem begrünten Innenhof hat der Architekt für die Bewohner einen ruhigen Rückzugsraum unter freiem Himmel mitten in der Stadt geschaffen. „Das Neubauprojekt wird dazu beitragen, dass auch ältere und hilfsbedürftige Menschen weiterhin aktiv an der Gemeinschaft teilhaben können“, hatte Lahrs Oberbürgermeister Dr. Wolfgang G. Müller bereits im Frühjahr 2012 betont, als mit den Bauarbeiten „Im Goldenen Winkel“ begonnen wurde. Die endgültige Fertigstellung des Projekts erfolgte im Herbst 2014.
Ihr Alleinstellungsmerkmal verdankt die Wohnanlage der Kooperation mit dem direkt gegenüberliegenden kommunalen Alten- und Pflegeheim Spital. Herzstück des Konzepts ist das in allen Wohnungen installierte kostenfreie Notrufsystem, das mit der Betreuungseinrichtung verbunden ist. Gebühren fallen erst dann an, wenn Leistungen in Anspruch genommen werden. „Als der Goldene Winkel gebaut wurde, war es naheliegend, dass wir uns als Partner anbieten“, sind sich Einrichtungsleiter Rüdiger Metzger-Thessen und Pflegeleiterin Heike Wieseke einig. „Wer das System nutzen möchte, stellt einen Antrag bei uns, dann wird es freigeschaltet.“ Wenn der Notfallruf beim Spital eingeht, wird sofort reagiert. Ein Mitarbeiter klärt telefonisch, ob es sich um einen medizinischen Notfall handelt, prüft die Situation und veranlasst alles Weitere: Erste Hilfe leisten, Kontakt zum Arzt aufnehmen, Notarzt rufen oder Angehörige verständigen. Wenn eine pflegerische Tätigkeit notwendig wird, klärt der Mitarbeiter des Spitals, ob der Betreute einen Pflegedienst hat und ob man diesen kontaktieren muss.
Bewohner können zahlreiche Dienstleistungen in Anspruch nehmen
Die Bewohner der Anlage „Im Goldenen Winkel“ können darüber hinaus eine Reihe von zusätzlichen Dienstleistungen, wie ambulante Pflege, Essenslieferung, Blutdruck messen oder Gymnastikkurse im Gemeinschaftsraum, in Anspruch nehmen. Hinzu kommen weitere Angebote, die das Leben erleichtern, wie Einkaufs- und Getränkelieferung und ein Wäscheservice. Sollte die stationäre Unterbringung im Spital medizinisch notwendig sein, werden die Bewohner vorrangig behandelt.
Dass die STW mit „Im Goldenen Winkel“ ein zukunftsfähiges Projekt geschaffen hat, beweist der Vermarktungserfolg: Noch vor Baubeginn waren bereits zwei Drittel der Wohnungen verkauft oder vermietet. Als im September 2013 der Rohbau fertiggestellt wurde, hatte das Vertriebsteam der STW bereits 90 % der Wohnungen des ersten Bauabschnitts vermarktet. Dieses Tempo zeige, so Geschäftsführer Schwamm, dass das Konzept den Bedarf decke. Inzwischen sind alle 60 Einheiten bewohnt. „Es freut mich, dass mit dieser hochwertigen Bebauung die Aufwertung der Lahrer Innenstadt vorangetrieben werden konnte“, resümiert Oberbürgermeister Müller.
Sämtliche Wohneinheiten verfügen über schwellenlose Zugänge, bodengleiche Duschen und sind über Aufzüge zu erreichen.
Herzstück des Konzepts ist das in allen Wohnungen installierte kostenfreie Notrufsystem, das mit der Betreuungseinrichtung verbunden ist.