Klimaneutrale Wohngebäude: Kraftwerke im Kleinformat

Der Immobiliendienstleister Drees & Sommer (www.dreso.com) greift Themen auf, die die Branche bewegen.

Wohnungssanierungen spielen eine zentrale Rolle beim Kampf gegen den Klimawandel. Heizen, Warmwasser oder Strom verbrauchen in privaten Haushalten viel Energie – und setzen damit CO2 frei. Um die Klimaziele zu erreichen und den europäischen Green Deal einzuhalten, muss der Gebäudebestand daher umfassend saniert werden. Im Idealfall wandeln sich die Immobilien von Energiefressern zu Kraftwerken im Kleinformat, die Energie für sich und ihre Nachbarschaft produzieren.

Diese sogenannten Plusenergiehäuser können große Mengen an CO2-Emissionen sparen und aktiv zur Energiewende und zum Klimaschutz beitragen. Das rechnet sich nicht nur für die Umwelt, sondern auch für Investoren und Bestandshalter. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass sich Plusenergiehäuser bereits nach acht bis neun Jahren amortisieren. Das Potenzial ist dabei enorm: In Deutschland stammt rund die Hälfte aller Wohngebäude aus den Jahren 1949 bis 1990. Sie sind für über 50 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich, gleichzeitig wird nur etwa ein Prozent energieeffizient saniert. Der größte Handlungsbedarf - und auch das größte Potenzial - besteht somit vor allem in der energetischen Sanierung von Bestandsgebäuden. 

Über den Dachrand hinaus denken 

An der richtigen Technologie mangelt es dabei nicht. Viele Maßnahmen lassen sich ganz einfach nachrüsten, etwa durch die Integration von Solarmodulen in der Fassade. Dadurch wird die verfügbare Fläche von Gebäuden effektiv genutzt und gleichzeitig ein Beitrag zur Energiewende geleistet. Kombinationen von verschiedenen Lösungen, wie zum Beispiel Niedrigtemperaturheiz- und Hochtemperaturkühlsystemen mit Wärmepumpen in Verbindung mit Geothermie, bieten weitere Möglichkeiten, erneuerbare Energie zu nutzen. 

Wichtige Hebel, um diese Technologien besser zu verankern, sind Gesetzesvorgaben und Subventionen, etwa die EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie oder das Subventionsprogramm zum Austausch von Ölkessel gegen eine Heizung auf Basis von erneuerbaren Energien. Knackpunkte gibt es allerdings noch bei dem klassischen Vermieter/Mieter-Dilemma, also wenn es darum geht, wer von energetisch sanierten Gebäuden profitiert und wer die Maßnahmen zu bezahlen hat. Zudem besteht noch Regelungsbedarf bei der wirtschaftlichen Nutzung von regenerativem Strom aus Photovoltaikanlagen auf Mehrfamilienhäusern. Lösungen bieten hier Mieterstrommodelle, bei denen der Strom, der durch das Haus produziert wird, auch im Haus verbraucht wird.

Dezentral, aber vernetzt 

Um das Potenzial der Gebäude als Kraftwerke voll auszuschöpfen, ist ein weiterer Aspekt entscheidend: die Vernetzung – und zwar weg von der einzelnen Betrachtung der Gebäude hin zum Quartiers- oder Campusgedanken. Nur, wenn Immobilien als Teil eines großen Netzwerks aus Gebäuden, Straßen und grünen Energiequellen gesehen werden, kann die Vision von einer klimapositiven Zukunft wahr werden. So verbraucht zum Beispiel ein Logistikgebäude vergleichsweise wenig Energie, bietet dafür aber sehr große Flächen für Photovoltaik-Anlagen und kann dementsprechend auch einen hohen Überschuss produzieren. Diesen könnte wiederum das nächstgelegene Wohngebäude nutzen, das vielleicht selbst nicht genügend Energie erzeugen kann oder über wenig Speicherkapazität verfügt.

Für Gebiete, wo es nicht so viele Nachbarn gibt, wird bereits überlegt, den überschüssigen Strom in den innovativen Energieträger Wasserstoff umzuwandeln, um diesen dann für die Transportkette bereitzustellen. Damit entsteht hier eine sogenannte Sektorkopplung, sprich verschiedene Sektoren wie Wohnquartiere, Gewerbe- und Industriestandorte, Logistikstandorte, einzelne Gebäude und Mobilität werden gekoppelt, um die Nutzung erneuerbarer Energien voranzubringen. Ob ein Wohnquartier, ein Büroviertel oder ein Industriegebiet – diese Art der Vernetzung lässt sich überall gewinnbringend umsetzen und wird in den kommenden Jahren sicherlich zunehmen.

Fest steht: Es spricht viel dafür, dass Gebäude in den nächsten Jahrzehnten immer mehr zu kleinen Kraftwerken und Quartiere zu virtuellen Kraftwerken vernetzt werden – und vor allem auch werden müssen. Denn die Dekarbonisierung der Wärme weg von fossilen hin zu erneuerbaren Energieträgern, die Sektorenkopplung und die Vernetzung der energieproduzierenden Gebäude in Quartieren inklusive Elektroladeinfrastruktur ist der einzige Weg, die Klimaschutzziele zu erreichen und die Energiewende zu schaffen.

x

Thematisch passende Artikel:

Ausgabe 4-5/2020

Energiewende im Gebäudebereich ist machbar

Der zweite Hitze- und Dürresommer in Folge sowie die Forderungen der Fridays for Future-Bewegung haben hierzulande in kürzester Zeit das Thema Klimaschutz auf die politische Agenda gebracht. Welche...

mehr
Ausgabe 09/2023

Wie Immobilien mit Köpfchen clever Energie sparen

Licht aus, Tür zu, nach Bedarf heizen – so geht Energiesparen im Kleinen, wenn der Mensch aktiv den Schalter umlegt. Im Großen und dabei richtig smart machen das sogenannte Customized Smart...

mehr

Gebäude und Kommunen klimafit machen: Landesumweltministerin Thekla Walker besucht Drees & Sommer

Kaum jemand bezweifelt noch die klimaschädliche Tragweite von Flugreisen, Kohlekraftwerken oder unseres Kauf- und Konsumverhaltens. Den Immobilien- und Bausektor als Klimakiller haben dabei aber...

mehr
Ausgabe 06/2022

Kein sozialer Wohnungsbau ohne Klimaschutz

In Sachen Energieverbrauch sind vor 1979 erbaute Gebäude die Spitzenreiter – und damit Zweidrittel aller Wohngebäude dringend sanierungsbedürftig. Anders lassen sich die ambitionierten Klimaziele...

mehr
Ausgabe 05/2021

Wohnbauten im Bestand: „Noch jede Menge Potenzial“

Bestandsgebäude wurden schon immer etwas stiefmütterlich behandelt – und der Wohnbau im Bestand ist da keine Ausnahme. Mit dem im Rahmen des EU Green Deals veröffentlichten Strategiepapier zu...

mehr