Corona-Übertragung

Lüften, lüften, lüften!

Mit den richtigen Konzepten SARS-CoV-2-Übertragung durch Aerosole verhindern.

Eineinhalb bis zwei Meter Mindestabstand? Diese Hygieneregel zum Schutz vor einer Übertragung der Corona-Viren SARS-CoV-2 durch eine „klassische“ Tröpfcheninfektion gilt nicht für Aerosole – insbesondere nicht in geschlossenen Räumen mit unzureichender Lüftung. Darauf weisen neueste Untersuchungen von örtlich begrenzten Corona-Ausbrüchen hin, bei denen unter anderem private Feiern, Restaurants, Großraumbüros und Schlachtbetriebe als Infektions-Hot-Spots gelten.

Anfang Juli haben deshalb rund 240 internationale Forscher und Gesundheitsexperten in einem offenen Brief die Gesundheitsbehörden weltweit aufgefordert, den Übertragungsweg durch Aerosole anzuerkennen und die Leitlinien entsprechend anzupassen, z. B. durch Empfehlungen zum regelmäßigen Lüften – vor allem von Räumen in öffentlichen und gewerblichen Gebäuden.

Aerosole schweben über Stunden in der Luft

Die mit der Atemluft ausgestoßenen Aerosole sind Tröpfchenpartikel kleiner als fünf Mikrometer, die stundenlang unsichtbar in der Luft schweben können. Sind sie mit dem etwa hundertmal kleineren Corona-Virus kontaminiert, ist eine Übertragung auch über Distanzen von mehr als zwei Meter möglich, z. B. wenn es in nicht ausreichend belüfteten Innenräumen zu einer verstärkten Produktion und Anreicherung von Aerosolen kommt. 

Das kann, neben Faktoren wie Anzahl der Personen und Raumgröße, auch durch beispielsweise Sprechen mit höherer Lautstärke oder sportliche Aktivität verstärkt werden. Dann kann schon ein Corona-Infizierter ausreichen, um ein sogenanntes Superspreader-Ereignis auszulösen, wie jüngst bei einer Feier in einem Restaurant in der ostfriesischen Stadt Leer geschehen.

Wie können solche Infektionsherde verhindert werden?

Grundsätzlich hilft lüften. Draußen an der frischen Luft ist die Konzentration Aerosol-getragener Viren am geringsten. Deshalb sollte möglichst viel Raumluft regelmäßig durch frische Außenluft ersetzt werden. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung empfiehlt dazu „mehrmals täglich für jeweils fünf Minuten lüften. Am besten geeignet ist Querlüften (Durchzug) mit weit geöffneten Fenstern. Aber auch ein kürzeres Öffnen eines Fensters zwischendurch trägt zu einem gesunden Innenraumklima bei.“

Für Fachverbände aus dem Bereich Fenster und Fassaden sowie Heizung/Klima/Lüftung ist das auch in Corona-Zeiten im Prinzip nichts Neues. „Für den aus energetischer und hygienischer Sicht anforderungsgerechten Gebäudebetrieb sind wirksame Lüftungskonzepte eine rechtlich zwingende Voraussetzung“, sagt Christoph Kern, Vorstandsvorsitzender des Verbands Fensterautomation und Entrauchung (VFE). „Mit einem manuellen Öffnen und Schließen der Fenster ist der coronabedingte erhöhte Luftwechsel in der Regel im privaten Wohnbereich zu schaffen, nicht aber in öffentlich und gewerblich genutzten Immobilien, wie zum Beispiel Schulen, Verwaltungs- und Bürogebäuden oder Gastronomie- und Hotelbetrieben.“

Als verlässliche Lösungen für eine bedarfsgerechte, nutzerunabhängige Frischluftzufuhr empfiehlt der Branchenexperte Kern technische Konzepte auf Basis automatisierter, elektromotorischer Fenster zur kontrollierten natürlichen Lüftung (KNL), die ggfs. auch als ventilatorgestützte Hybridsysteme konzipiert sein können – speziell mit Blick auf das Thema Aerosole und Corona-Übertragung.

Spielen Lüftungs- und Klimaanlagen bei der Übertragung eine Rolle?

In einigen der zuletzt bekannt gewordenen Superspreader-Ereignissen waren auch Lüftungs- bzw. Klimaanlagen installiert. Wie konnte es trotzdem zu den Virusübertragungen kommen? Ein Grund könnte die Technik sowie die Betriebsart der dort eingesetzten Geräte gewesen sein. In modernen zentralen oder dezentralen Anlagen erfolgt die Führung der Außen- und Zuluft konsequent getrennt von der Ab- und Fortluft, oft auch unter Einsatz von Filtersystemen. Sind die Volumenströme für Frischluft hoch genug und die Umluftanteile minimiert, wird die Belastung der Raumluft gering gehalten und Aerolsole können sich normalerweise auch nicht im Gebäude verteilen.

Anders sieht es zum Beispiel bei einer Raumkühlungsanlage aus, wie sie auch in dem betroffenen chinesischen Restaurant in Guangzhou im Einsatz war: Die Raumluft wird abgezogen, im Gerät abgekühlt und dann wieder zurückgeführt – also ohne Frischluftzufuhr, nur umgewälzt und nicht ausgetauscht – wie es bei solchen Klimaanlagen in der Regel der Fall ist.

Dazu erzeugen diese Geräte einen hohen Luftstrom, der die Aerosole rasch im gesamten Raum verteilt und in Bewegung hält. In so ausgestatteten Räumen kann eine möglicherweise virenbelastete Luft mehr oder weniger undurchmischt über Stunden zirkulieren und sich dabei immer weiter aufkonzentrieren. Die Installation solcher Geräte erfolgt meist aufgrund der geringeren Investitions- und Betriebskosten gegenüber Außenluft-basiert arbeitenden Anlagen. Das darf kein Argument sein, meint Christoph Kern.

Eine effiziente Alternative: natürlichen Luftaustausch per KNL nutzen

Sein Fachverband VFE empfiehlt als effiziente Alternative zu solchen Raumkühlungsanlagen oder ventilatorgestützten Lüftungsanlagen eine Regelung des Raumklimas per kontrollierter natürlicher Lüftung über elektromotorisch angetriebene Fenster, kurz KNL. In Kombination mit einer Steuer- und Regelungseinheit sowie Sensoren erreicht die KNL einen schnellen „natürlichen“ Luftaustausch ohne Ventilatorunterstützung und mit nur minimalem Energieverbrauch. 

Der Grund: Die KNL basiert auf dem physikalisch bedingten thermischen Auftrieb (Kamineffekt) im Gebäude, der durch die Differenz von Innen- und Außentemperatur, von Luft- bzw. Winddruck oder Feuchte entsteht. Das Ergebnis: Durch den dabei entstehenden Verdünnungseffekt kann eine mögliche hoch virenbelastete Raumluft kontinuierlich vermieden werden, wodurch die Infektionsgefahr durch Übertragung der Corona-Viren per Aerosole gezielt minimiert wird. „Und das dazu auch kostensparend – energieintensiv arbeitende Ventilatoren, platzraubende Lüftungsschächte und aufwendige Wartungen sind nicht notwendig“, betont Kern. „Kombinationen zwischen ven­tilatorgestützter und KNL-Lüftung, sogenannte hybride oder kombinierte Lüftungssysteme, sind aber möglich.“

Studie belegt die Praxistauglichkeit

Die Praxistauglichkeit der KNL belegt die Studie „KonLuft – Energieeffizienz von Gebäuden durch kontrollierte natürliche Lüftung“ der Hochschule für Technik Stuttgart (HFT), die in Zusammenarbeit mit dem Projektpartner ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie sowie dem Projektträger Bundesministerium für Wirtschaft (BMWi) und Projektträger Jülich (PTL) erstellt wurde. Das Ergebnis zeigt – auch unabhängig von Corona –, dass mit kontrollierter natürlicher Lüftung durch automatisierte Fenster, die vom Gesetzgeber vorgeschriebene bedarfsgerechte nutzerunabhängige Gebäudelüftung sichergestellt werden kann.

Auch wurde in der Lebenszyklusanalyse nachgewiesen, dass KNL-Anlagen im Vergleich zu ventilatorgestützten Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung rund 12 Prozent bei den Investitionskosten einsparen sowie über einen betrachteten Zeitraum von 20 Jahren rund 50 Prozent weniger Betriebs- und Instandhaltungskosten verursachen. Außerdem kann die KNL beim Thema Klima- und Umweltfreundlichkeit punkten: Durch minimalen Energieverbrauch schont diese Lüftungsart natürliche Ressourcen und hilft damit, den CO₂-Ausstoß zu senken. 

Planungssicherheit auf normativer Grundlage

Die wissenschaftlichen und praktischen Nachweise der Wirksamkeit einer KNL-Anlage mit automatisierten Fenstern findet auch in der aktuellen DIN 1946-6 für Wohngebäude Berücksichtigung, die u. a. den nutzerunabhängigen Mindestluftwechsel zum Feuchteschutz in einem Gebäude regelt: Hier sind die Anforderungen an die „freie Lüftung“ genauer konkretisiert und erstmalig auch „kombinierte Lüftungssysteme“ normativ miterfasst. Eine wichtige Grundlage für Fachplaner, Architekten und Gebäudebetreiber, die Planungssicherheit für die Bemessung und Auslegung solcher Lüftungsanlagen gibt.

Maßgeschneiderte KNL-Konzepte

Ein maßgeschneidertes Lüftungskonzept für KNL-Anlagen mit individuellen Parametern kann einfach und schnell erstellt werden: tag- und uhrzeitgenau, bedarfsgerecht für jeden Raum und jede Innenklima- und Wettersituation. Der Nutzer hat dabei die Freiheit, den Raum in einem vorab definierten Rahmen manuell zu lüften, ohne dass es zu Systemstörungen kommt. Damit erfüllen KNL-Anlagen auch die Anforderungen an Barrierefreiheit: Selbst schwer zugängliche oder großformatige Fenster können automatisch ohne Kraftaufwand von mobil eingeschränkten oder schwächeren Personen bedient werden.

Über vorhandene Schnittstellen ist auch eine intelligente Einbindung in die Gebäudeautomation und damit eine multifunktionale Vernetzung und Interaktion gewerkeübergreifend mit anderen Gebäudesystemen wie Heizungs-, Sonnenschutz-, Einbruchmelde- oder Entrauchungsanlagen möglich. „Um die Berechnung komfortabel zu gestalten, haben wir dazu ein webbasiertes Software-Tool entwickelt. In nur wenigen Schritten können damit die notwendigen Luftwechsel zur natürlichen Lüftung von Wohn- und Nichtwohngebäuden über Fenster ermittelt werden. Die KNL Planungshilfe wurde im Auftrag des VFE am Institut für Technische Gebäudeausrüstung Dresden unter der Leitung von Prof. Thomas Hartmann programmiert und und steht kostenlos auf unserer Website zur Verfügung“, sagt VFE-Projektverantwortlicher Michael Fröhlcke.

Bewährter Einsatz weltweit

KNL-Anlagen haben sich in zahlreichen Großprojekten weltweit bewährt, zu den deutschen Referenzen gehören Projekte wie das Klimahaus Bremerhaven, der Flughafen Münster/Osnabrück, der Berliner Reichstag und der Neubau der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main. Dort sorgen zum Teil mehrere tausend Fensterantriebe, gewerkeübergreifend vernetzt und per Gebäudeautomation intelligent gesteuert, sicher und zuverlässig für frische Luft sowie für eine schnelle Entrauchung im Brandfall.

Fazit und Ausblick

Moderne Lüftungs- und Klimaanlagen können die Infektionsgefahr durch virenkontaminierte Aerosole in Räumen, die von vielen Menschen genutzt werden, signifikant reduzieren. Vorausgesetzt, sie werden anforderungsgerecht installiert und betrieben. Das bedeutet in Corona-Zeiten vor allem: kontinuierlicher Luftaustausch mit hohen Außenluftvolumenströmen und minimierten Umluftanteilen. Auch eine Überströmung von einem mit Klimagerät ausgestatteten Raum in benachbarte Räume muss vermieden werden. „Ein effizientes, mit Blick auf Corona-Aerosole betriebssicheres Konzept bieten KNL-Anlagen mit elektromotorisch betriebenen Fenstern“, sagt Christoph Kern. „Sie verbinden höchste Ansprüche an Raumluftqualität, Hygiene, Komfort und Behaglichkeit sowie Flexibilität mit geringem Primärenergiebedarf und reduzierten Investitions- und Betriebskosten.“

Ein weiterer Vorteil ist die breite Palette ihrer Einsatzmöglichkeiten: Sie reichen von Büro-, Industrie- und Wohngebäuden über Gastronomie, Hotels, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen bis hin zu Lern-, Sport- und Freizeitstätten. „Damit haben sie das Potenzial, um als wichtiger Baustein für die Verhinderung der Entstehung lokaler Infektionsherde, insbesondere in öffentlichen und gewerblich genutzten Gebäuden, eingesetzt zu werden – und damit auch einen wichtigen Beitrag für eine dauerhafte Eindämmung und erfolgreiche Bekämpfung der Corona-Pandemie zu leisten“, ist sich Kern sicher.

Sind die mit der Atemluft ausgestoßenen Aerosole mit dem Corona-Virus kontaminiert, ist eine Übertragung auch über Distanzen von mehr als zwei Meter möglich.

Grundsätzlich hilft lüften. Draußen an der frischen Luft ist die Konzentration Aerosol-getragener Viren am geringsten.

Moderne Lüftungs- und Klimaanlagen können die Infektionsgefahr durch virenkontaminierte Aerosole in Räumen, die von vielen Menschen genutzt werden, signifikant reduzieren.

Kostenlose KNL-Planungshilfe

Der VFE hat mit der KNL-Planungshilfe eine webbasierte kostenlose Software entwickelt, die unter Berücksichtigung geltender Normen den notwendigen Luftaustausch mittels kontrollierter natürlicher Lüftung (KNL) über Fenster ermittelt. Die KNL-Planungshilfe berechnet für Wohn- und Nichtwohngebäude, ob und welche lüftungstechnischen Maßnahmen notwendig sind. Weitere Informationen sowie kostenloser Zugang unter www.zentrum-fuer-luft.de

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