Mieten in Europa
Die Anteile der von privaten Haushalten genutzten Mietwohnungen differieren erheblich zwischen den einzelnen Ländern Europas. Während in Rumänien lediglich 2,5 % der Haushalte zur Miete wohnen, sind es in Deutschland und der Schweiz rund die Hälfte. Der Artikel präsentiert und analysiert die aktuellen Daten zum Anteil der Mietwohnungen. Dabei wird zwischen Wohnungen mit Marktmieten und solchen mit preisreduzierten Mieten unterschieden.
Zur Methodik ist anzumerken, dass der zur Bewertung der Mietpreisentwicklung herangezogene Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) die Preisentwicklung der kalten und warmen Betriebskosten nicht getrennt für Mieter und Wohnungseigentümer ausweist. Daher ist im Folgenden mit Miete immer die Nettokaltmiete gemeint.
Aufgrund der in den europäischen Ländern sehr unterschiedlichen Größe und Struktur des Mietwohnungsbestandes erfolgt die Analyse der Mietenentwicklung separat für die Länder mit einem über dem Durchschnitt der europäischen Länder liegenden Anteil von Mietwohnungen und für die Länder mit einem unterdurchschnittlichen Anteil. Dabei wird auch die Frage behandelt, ob ein hoher Anteil von Wohnungen mit Marktmieten mit einer moderateren Mietentwicklung einhergeht.
Deutschland verzeichnete nicht nur eine hohe Quote an Mieterhaushalten, sondern auch im letzten Jahrzehnt eine sehr moderate Mietenentwicklung, die zudem sehr geringe Schwankungen aufwies. Es wird untersucht, ob dieser Gleichklang eine deutsche Besonderheit ist oder sich auch bei anderen Staaten beobachten lässt.
Darüber hinaus wird die Frage gestellt, ob sich die Mietenentwicklung in den europäischen Ländern mit hohem Anteil von Mietwohnungen am Wohnungsbestand eher dämpfend auf die allgemeine Inflation oder eher inflationstreibend auswirkte. Den Abschluss bildet eine Gegenüberstellung von Wirtschaftskraft pro Einwohner und Anteil der Mietwohnungen am Wohnungsbestand.
Mieterquoten in Europa
Die höchsten Mieterquoten weisen in europäischen Ländern die Schweiz und, innerhalb der EU, Deutschland auf (siehe Tabelle). In weiteren sechs Mitgliedstaaten der EU (AT, FR,DK, NL, LU und UK) liegt der Anteil der Mietwohnungen zum Teil deutlich über dem Durchschnittsanteil der 27 EU Mitgliedstaaten von 29 %. Mit Ausnahme von Frankreich übertrifft der Anteil der zu Marktmieten vermieteten Wohnungen in diesen Ländern den der preisreduzierten Wohnungen erheblich. Allein im Vereinigten Königreich übertraf die Zahl der preisreduzierten Wohnungen die der zu Marktmieten vermieteten Wohnungen.
Die Länder, die der EU 2004 und 2007 beigetreten sind, weisen dagegen eine unter dem Durchschnitt der europäischen Länder liegenden Anteil von Mietwohnungen auf. Privatisierungen dürften mit dazu beigetragen haben, dass dort die Mieterquote im Jahr 2010 auf durchschnittlich 13 % zurückging. Nur 3 % aller Wohnungen sind in diesen neuen Mitgliedstaaten zu Marktmieten vermietet, während der Anteil der zu reduziertem Preis vermieteten Wohnungen bei gut 10 % liegt.
Mietenentwicklung
Der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) liefert Informationen zur Entwicklung der Wohnungsmieten in allen 27 EU Mitgliedstaaten. Für die Schweiz sind ebenfalls Daten verfügbar.
Länder mit hohem Anteil an Mietwohnungen
In dieser Ländergruppe verzeichnete Deutschland in den letzten fünf Jahren (2006–2011) mit 1,1 % p. a. die mit Abstand niedrigste Mietsteigerungsrate noch vor der Schweiz (1,9 %) und den Niederlanden mit knapp 2 %. Den höchsten Mietenanstieg in dieser Ländergruppe verzeichneten 2006–2011 Österreich mit 3 % und Dänemark mit 2,7 %. Damit lagen die jahresdurchschnittlichen Mietsteigerungen in dieser Ländergruppe alle in der Spanne von 2 % + und -1 %. Im Durchschnitt der EU lag der Mietenanstieg in diesem Zeitraum knapp über 2 % p.a.
Länder mit niedrigem Anteil an Mietwohnungen
In den übrigen europäischen Ländern differierte die Mietenentwicklung im Zeitraum 2006-2011 weitaus stärker. Auf der einen Seite stehen – u. a. bedingt durch die Folgen der Finanzkrise – Estland mit einem Rückgang von 1,7 % p. a. und Irland mit einem Rückgang um 1,2 % sowie Slowenien mit einem jahresdurchschnittlichen Anstieg um 1,5 %. Auf der anderen Seite betrug der Mietenanstieg in Bulgarien 5,8 %, in der Tschechischen Republik 9,6 % sowie in Rumänien 18,2 %. Hier spielen weniger Marktentwicklungen als administrative Entscheidungen über die Mietentwicklung eine Rolle.
Mietentwicklung und Lebenshaltung im Vergleich
Mietenentwicklung und HVPI differieren in vielen Perioden und Ländern nur wenig. Zudem ist keine klare Tendenz erkennbar, welche Preisentwicklung ausgeprägter ist. In der Gruppe der Länder mit höherem Anteil an zu Marktmieten vermieteten Wohnungen ging im Zeitraum 2006–2011 von den Mieten in Deutschland und Luxemburg ein preisdämpfender Einfluss auf die Lebenshaltung aus. Die Mieten stiegen zwischen 0,6 und 0,4 Prozentpunkten p.a. schwächer als der HVPI. Ein preisdämpfender Effekt war in Deutschland auch 2001–2006 und 1996–2001 vorhanden. Schwach preistreibende Effekte waren in Frankreich und den Niederlanden zu beobachten. In Dänemark und Österreich lag die Differenz zwischen Mieten und HICP sogar bei 0,5 % bzw. 0,8 % p. a. Im Jahrzehnt 1996-2006 war in beiden Ländern die Differenz zwischen Mietenanstieg und HVPI sogar noch größer. Die stärksten preistreibenden Effekte waren in der Schweiz zu beobachten, wo die Mieten im Fünfjahreszeitraum 2006-2011 um 1,9 % p. a. anstiegen, während die Verbraucherpreise insgesamt mit + 0,6 % p. a. nahezu stabil blieben.
Wirtschaftskraft und
Mietwohnungsbestandsquote
Ein üblicher Indikator für die Wirtschaftskraft pro Einwohner ist das Sozialprodukt eines Landes pro Kopf gemessen in Kaufkraftstandards (KKS)*. Den höchsten Wert wies 2010 Luxemburg mit 66 000 KKS pro Einwohner auf, den niedrigsten Bulgarien mit 11 000 KKS. Eine Gegenüberstellung mit den Mieterquoten führt zu dem Ergebnis, dass die EU Mitgliedstaaten mit den höchs-ten Mieterquoten auch diejenigen Länder sind, die eine überdurchschnittliche Wirtschaftskraft pro Kopf haben. Von den sechs wirtschaftsstärksten Nationen belegen fünf auch Spitzenplätze bei den Mieterquoten. Lediglich Irland weist eine Mieterquote von nur 27 % auf und stand bei der Wirtschaftskraft pro Einwohner 2010 an dritter Stelle mit 31 000 KKS. Unter den zehn Ländern mit einer Mieterquote zwischen 2,5 und 14 % befinden sich acht Länder mit einer Wirtschaftskraft pro Einwohner unter 18 000 KKS sowie Spanien mit 25 000 KKS, dessen Wirtschaftskraft leicht über dem EU-Durchschnitt von 24 000 KKS (2010) liegt.
Betrachtet man allein die 2004 und 2007 der EU beigetretenen Länder, weisen auch innerhalb dieser Ländergruppe mit Zypern, Malta, Slowenien und der Tschechischen Republik die wirtschaftlich stärkeren Staaten eine höhere Mieterquote auf als die übrigen Länder dieser Gruppe.
Zusammenfassung und Ergebnisse
Der Anteil der Mietwohnungen am Wohnungsbestand weist in der EU eine erhebliche Spreizung auf, die beim Anteil der Mietwohnungen mit Marktmieten noch stärker ausgeprägt ist. Sind höhere Anteile an Mietwohnungen festzustellen, ist der Anteil der zu Marktmieten angebotenen Wohnungen besonders groß. Demgegenüber ist in Ländern mit hohem Anteil selbstgenutzter Wohnungen der Anteil der zu Marktmieten angebotenen Wohnungen nicht nur sehr klein, sondern auch meist kleiner als der Anteil preisreduzierter Wohnungen.
Deutschland liegt bei der Mieterquote am oberen Rand in der EU, beim Mietenanstieg in den letzten zehn Jahre sowie dessen Schwankungen am unteren Rand. Auch die anderen Länder mit höherem Mieteranteil verzeichnen meist geringere Mietenanstiege als die Länder mit höherem Anteil selbstgenutzten Wohneigentums.
Jedoch ist eine einheitliche Preiswirkung der Mietenentwicklung in Europa nicht festzustellen. In den letzten Jahren war eine preisdämpfende Wirkung des Mietenanstiegs zwar in Deutschland, Belgien und Luxemburg zu beobachten. Allerdings stiegen in der Schweiz die Mieten stärker als der HVPI.
In Europa weisen Länder mit einer größeren Wirtschaftskraft auch höhere Anteile von Mietwohnungen auf. Diese Aussage gilt nicht nur für die langjährigen Mitgliedstaaten der EU sondern auch, wenn man allein die Gruppe der zuletzt beigetretenen Länder betrachtet.