Oberflächen langfristig schützen
Beim Bau und bei der Sanierung von Tiefgaragen ist der Oberflächenschutz essentiell. Fahrzeuge tragen im Winter Schmelzwasser und Streusalz ein. Neben Lachen und Pfützen kann es auch zu Korrosionsprozessen kommen, die eingetragenes Chlorid an der Stahlbewehrung im Beton verursachen kann. Gerade die Planung hat Einfluss auf Dauerhaftigkeit, Gebrauchstauglichkeit und etwaige Sicherheitsrisiken.
Grundsätzlich gilt: Die Wahl des Oberflächenschutzes hängt von verschiedenen Faktoren wie Nutzung und Alter des Bauwerks ab. Die Tiefgarage eines Mehrfamilienhauses mit wenigen Fahrzeugbewegungen unterliegt anderen mechanischen Belastungen als das Parkhaus eines Einkaufszentrums mit kontinuierlichen Ein- und Ausfahrten. Zudem müssen bei der wirtschaftlichen Betrachtung immer die Investitionskosten in Relation zu den Lebenszykluskosten gesetzt werden, bei denen vor allem der Wartungs- und Instandhaltungsbedarf maßgeblich ist.
Vor diesem Hintergrund sind Fälle von akutem Sanierungsbedarf meist einer Fehlplanung geschuldet, welche die Rahmenbedingungen nicht vollständig einbezogen oder auf vermeintlich wirtschaftliche Beschichtungssysteme gesetzt hat. Letztere sind meist Lösungen mit geringerem Investitionsbedarf, die später allerdings wesentlich höhere Aufwendungen für die Instandhaltung mit sich bringen.
Schäden an der Betonstahlbewehrung können verschiedene Ursachen haben. Neben der durch Karbonatisierung des Betons verursachten Korrosion an der Bewehrung ist im Zusammenhang mit Parkbauten vor allem die Lochfraßkorrosion zu nennen, welche durch die im Tausalz enthaltenen Chloride verursacht wird. Das mit Tausalz beaufschlagte Wasser kann hierbei durch Risse, Arbeitsfugen oder Fehlstellen in den Beton eindringen und Schäden am Betonstahl zur Folge haben. Das Gefährliche an dieser Art der Korrosion ist, dass sie zumeist keine offensichtlichen Anzeichen an der Bauteiloberfläche, wie Abplatzungen oder Rostfahnen zeigt und damit für den Laien nicht oder erst zu einem sehr späten Zeitpunkt erkennbar ist. Dann können aufgrund des partiellen Verlusts des Traglastanteils der Bewehrung je nach Art und Ausnutzung des Stahlbetonbauteils schon erhebliche Einschränkungen der Standsicherheit vorliegen.
Ein Blick zurück
Bis Ende des vergangenen Jahrhunderts wurden die Stahlbetonbauteile von Parkhäusern und Tiefgaragen meist nicht abgedichtet bzw. beschichtet, sodass sie ungeschützt gegen Chloridkorrosion waren. Das änderte sich im Jahr 2001 mit der neu eingeführten DIN 1045[i], die ein größeres Gewicht auf die Dauerhaftigkeit legte als die vorherigen Betonbaunormen. Daraufhin wurden auf die Bauteile zunächst häufig OS 11 Beschichtungen aufgetragen. Diese kunstharzbasierten Oberflächenschutzsysteme (OS) sind relativ weich, elastisch und rissüberbrückend. Sie bieten jedoch nur geringen Widerstand gegen die mechanischen Einwirkungen der Fahrzeuge. Für die Zeit der Gewährleistung (in der Regel fünf Jahre) reichte die Dauerhaftigkeit der OS 11 Beschichtungen in viel befahrenen Bereichen mitunter nicht aus. Aufgrund der hieraus resultierenden Folgekosten war die wirtschaftliche Gesamtsituation einschließlich des Wartungsaufwandes oft unbefriedigend. Seit etwa fünf Jahren werden vermehrt OS 8 Beschichtungen verwendet. Diese ebenfalls kunstharzbasierten Oberflächenschutzsysteme sind relativ hart, robust und bieten im Vergleich zur OS 11 deutlich höheren Widerstand gegen die mechanischen Belastungen. Sie sind jedoch nicht rissüberbrückend, sodass bei OS 8 Beschichtungen in Abhängigkeit der Rissbildung im Beton umfangreiche Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten notwendig werden können. OS 8 Systeme werden im Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“ des Deutschen Beton- und Bautechnik-Vereins (DBV) geführt[ii] und als Varianten 2a und 2b mit „erweiterter Wartung“ beschrieben. Diese Bauweise wird kontrovers diskutiert und erscheint insbesondere juristisch noch nicht ausgereift. Prof. Dr. Gerd Motzke, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht München a. D., hat in seinem 2012 veröffentlichten, viel beachteten Fachbeitrag „Parkhäuser und Tiefgaragen“[iii] herausgearbeitet, dass es im Bauträgerbereich bei den o.g. Varianten zu Nachteilen für die Käufer kommen könne. Deshalb bestünden bei dieser Bauweise Zweifel, ob sie als anerkannte Regel der Technik gelten könne.
Bituminöse Bauweisen beforscht
Eine Alternative zu den Kunstharzbeschichtungen sind bituminöse Bauweisen. Sie sind hinsichtlich der technischen Vielfalt, der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung und ihrer normativen Einordnung noch weitgehend unbekannt. Eine aktuelle Masterarbeit[iv] an der Fakultät Bauingenieurwesen der Hochschule Konstanz für Technik, Wissenschaft und Gestaltung zeigt, wie Kunstharzbeschichtungen optimal eingesetzt werden können und was bei der Ausführung und Wartung zu beachten ist. Sie zeigt auch, dass bituminöse Bauweisen wirksame und wirtschaftliche Lösungen für den Korrosionsschutz bieten.
Eine zentrale Erkenntnis der Masterarbeit ist, dass abhängig von den Rahmenbedingungen immer im Einzelfall entschieden werden muss, welches das beste System zum Schutz vor eindringenden Chloriden ist. Meist werden dabei lediglich die Herstellungs- bzw. Investitionskosten betrachtet, obwohl insbesondere die Lebensdauer der Systeme und die späteren Wartungskosten eine große Rolle spielen und die Entscheidung beeinflussen sollten. Weil auch die Gebrauchstauglichkeit – vor allem die Pfützenbildung – maßgeblich von der Gestaltung der Oberfläche abhängt, müssen alle Aspekte berücksichtigt und die Planungskomponenten aufeinander abgestimmt werden.
Um die Gebrauchstauglichkeit (Pfützenbildung vermeiden) zu gewährleisten, wird für Tiefgaragen etwa häufig generell ein Gefälle gefordert. Doch diese Betrachtungsweise greift zu kurz und zeigt, wie einseitig die Diskussion vielfach geführt wird. Praxisbeispiele zeigen: Diese Forderung ist technisch nicht immer zu begründen, wenn beispielsweise mit zwei Lagen Bitumenschweißbahn nach DIN 18195 abgedichtet und eine Schutzschicht mit offen verfugtem Pflasterbelag bzw. mit einem grobkörnigen und porenoffenen Asphalt ausgeführt wird. Gefälle ist auch in keinem Dokument, das zweifelsfrei den anerkannten Regeln der Technik zuzuordnen ist, als „Muss-Forderung“ enthalten.
Es ist technisch und physikalisch nachvollziehbar zu begründen, dass Dauerhaftigkeit und Gebrauchstauglichkeit von mehreren Aspekten abhängen. Dazu zählen neben Gefälle im Wesentlichen: Fluktuation, Betonqualität, Betondeckung, Rissbildung, Entwässerung, Ebenheit der Oberfläche, Rauigkeit der Oberfläche, Beschichtungssystem bzw. Abdichtung, Belüftung und Wartung. Nach Ansicht von TÜV SÜD Industrie Service sind bei gutachterlichen Beurteilungen alle Kriterien immer im Kontext und bezogen auf die Situation vor Ort zu bewerten.
Langfristige Kostenkontrolle
Die Investitionsbeträge für die Fläche liegen für OS 8 Systeme bei 20 bis 30 €/m², für OS 11a Systeme bei 35 bis 45 €/m², für OS 11b Systeme bei 30 bis 35 €/m² und für bituminöse Systeme mit zwei Lagen Schweißbahn und einer Schutzschicht aus Asphaltbeton bei 45 bis 55 €/m². Die Wartungskosten liegen bei OS 8 Systemen – aufgrund der zu erwartenden Rissbildungen in den ersten Jahren – bei bis zu 3,30 €/m²*a für einen Neubau und bei bis zu 1,30 €/m²*a nach dem Schließen der Risse bzw. bei Ausführungen im Altbestand. Bei OS 11 Beschichtungen steigen die Kosten für die Wartung je nach Nutzung auf bis zu 6,30 €/m²*a. Bei bituminösen Bauweisen wurden im Rahmen der Masterarbeit Kosten von 0,80 bis 1,30 €/m²*a ermittelt.
Die Kalkulation der Gesamtkosten bezogen auf die Lebenszeit von 50 Jahren und unter Berücksichtigung der jeweiligen Instandsetzung und der Wartung ergab spezifische Kosten von etwa 175 €/m² für die OS 8 Beschichtungen, von etwa 350 €/m² für die OS 11 Beschichtungen und von etwa 140 €/m² für die oben genannte bituminöse Bauweise. Bei grafischer Auswertung der Gesamtkosten von OS 8, OS 11 und bituminösen Systemen über die Nutzungsdauer von 50 Jahren fällt auf, dass die oben genannten wirtschaftlichen Vorteile der OS 8 Beschichtungen und der bituminösen Systeme bereits nach einer Nutzungsdauer von rund zehn Jahren positiv ins Gewicht fallen.
Ein Blick nach vorn
Aus den Forschungsergebnissen lässt sich ableiten, wie Kunstharzbeschichtungen künftig optimal verwendet werden können und was bei der Ausführung und Wartung zu beachten ist. Sie zeigen darüber hinaus, dass bituminöse Bauweisen wirksame und wirtschaftliche Lösungen für den Korrosionsschutz bieten. Das gilt auch für Konzepte gegen Pfützenbildung. Lange Zeit haben Planer deshalb nahezu dogmatisch ein Gefälle auf allen befahrenen Flächen gefordert. Uneinigkeit bestand darin, wieviel Prozent Gefälle zur Entwässerung von befahrenen Flächen erforderlich ist. Aktuell ändert sich das Meinungsbild von Planern, Nutzern, Betreibern und Investoren. Sie beziehen zunehmend Randbedingungen in die Diskussion ein wie Fluktuation, geografische Lage des Objekts, Verdunstung und Lüftung, Beschaffenheit und Ebenheit des Fahrbahnbelags oder die Tolerierbarkeit von Pfützen außerhalb der Verkehrsflächen.
Dass bituminöse Bauweisen trotz höherer Investitionen langfristig wirtschaftlicher sein können, sollte nun außer Frage stehen. Der Aufwand für Wartung und Instandhaltung ist wesentlich geringer und damit sinken auch die Lebenszykluskosten. Gezeigt hat sich auch, dass bituminöse Bauweisen in den Normen verankert sind und dem Stand der Technik entsprechen. Die grundsätzliche Forderung nach einem Gefälle in Tiefgaragen ohne Betrachtung der zahlreichen weiteren Einflussparameter ist nicht zielführend. Generell gilt: Ein geeignetes Korrosionsschutz- und Entwässerungskonzept muss für jede Tiefgarage individuell erarbeitet werden. Dafür sind alle Bauweisen an den konkreten Rahmenbedingungen zu prüfen.
Quellen und Literatur[i] DIN 1045; Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton, Teil 1 Bemessung und Konstruktion, Beuth Verlag GmbH, Berlin, Juli 2001[ii] DBV Merkblatt „Parkhäuser und Tiefgaragen“, Ausgabe September 2010[iii] „Parkhäuser und Tiefgaragen – zur rechtlichen Wertigkeit des gleichnamigen Merkblatts des Deutschen Beton- und Bautechnik-Vereins e.V., Ausgabe September 2010, Gerd Motzke, Beton- und Stahlbetonbau, 107. Jahrgang, September 2012[iv] Masterarbeit von M. Eng. Matthias Gottschalk, „Praktische Möglichkeiten zum Oberflächenschutz von Parkhäusern und Tiefgaragen vor Chlorideinwirkung, Januar 2014.
Ein geeignetes Korrosionsschutz- und
Entwässerungskonzept muss für jede Tiefgarage
individuell erarbeitet werden.